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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.

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Allgemeine Thierzuchtlehre.
Stämme ein und desselben Schlages oder ein und derselben Race, sowie zweier ver-
schiedener Racen wird dagegen als Kreuzung bezeichnet. Werden Kreuzungs-
producte, ohne Einmischung fremden Blutes, daher innerhalb der Zucht oder Heerde,
jedoch nicht unter nahe verwandten Thieren gezüchtet, so ergibt sich die Inzucht im
weiteren Sinne
. Dieselbe wird erst zur Reinzucht, wenn sich ein fest typirter
Charakter, der zur Aufstellung eines neuen Stammes führt, ausgebildet hat.

Erfolgt die Paarung innerhalb einer Familie, somit unter verwandten Indivi-
duen, so ergibt sich die Inzucht im engeren Sinne oder die Verwandtschafts-
zucht
, Familienzucht, welche bei weiterer Beschränkung in der Auswahl zur In-
cestzucht
oder zur Paarung naher oder nächster Blutsverwandter ausartet.

Um diese Unterschiede leichter verständlich zu machen, wollen wir dieselben an bestimmten
Beispielen erörtern. Zur Paarung soll der Bock Nr. 135 verwendet werden, dessen Ab-
stammung die folgende ist:
Individuum: Bock Nr. 135,
Familie: Nach Schaf Nr. 314,
Zucht (Heerde): Oschatz,
Stamm: Lohmen,
Schlag: Electoral,
Race: Merino.

Je nachdem derselbe z. B. mit folgenden Schafen gepaart wird, ergeben sich die nach-
stehenden Zuchtmethoden:
Paarung innerhalb
blutsverwandter Individuen: mit seiner Mutter Nr. 314 . Incestzucht,
Familie: mit einem Schafe aus der Familie Nr. 314 Inzucht im engeren Sinne
(Verwandtschaftszucht),
Zucht: mit einem nicht verwandten Schafe aus der
Heerde Oschatz . . . . . . . . . . Inzucht im weiteren Sinne,
Stamm: mit einem Schafe aus einer anderen Electoral-
heerde, welche jedoch von der gleichen Stamm-
schäferei in Lohmen abstammt . . . . . Reinzucht,
Schlag: mit einem Negrettischafe . . . . . . . Kreuzung,
Race: mit einem Zackelschafe . . . . . . . . Kreuzung.

Durch die Reinzucht und Inzucht im weiteren Sinne wird das Züchtungsziel
am sichersten und vollkommensten erreicht. Die Befestigung gewisser Eigenschaften
wird allerdings rascher durch die Verwandtschaftszucht ermöglichet. In um so engerem
Kreise sich die letztere bewegt, um so bedenklicher werden jedoch andererseits die Nach-
theile, welche mit dieser Zuchtmethode verbunden sind. Dieselbe führt entweder zur
Unfruchtbarkeit der Thiere oder zu einer vollständigen Decimirung durch das Auftreten
erblicher Krankheiten. Machen sich bei irgend einer Zucht derartige bedenkliche
Erscheinungen geltend, so hilft dagegen einzig allein die Paarung mit einem männ-
lichen, einer fremden Heerde entnommenen, demselben Typus angehörigen Racethiere,
ein Vorgang, für welchen der Ausdruck "Auffrischung des Blutes" gebraucht
wird. Unter "Blut" versteht der Thierzüchter den Antheil an Raceeigenschaften,
welchen das Thier durch die Zeugung erhalten hat.

Allgemeine Thierzuchtlehre.
Stämme ein und deſſelben Schlages oder ein und derſelben Race, ſowie zweier ver-
ſchiedener Racen wird dagegen als Kreuzung bezeichnet. Werden Kreuzungs-
producte, ohne Einmiſchung fremden Blutes, daher innerhalb der Zucht oder Heerde,
jedoch nicht unter nahe verwandten Thieren gezüchtet, ſo ergibt ſich die Inzucht im
weiteren Sinne
. Dieſelbe wird erſt zur Reinzucht, wenn ſich ein feſt typirter
Charakter, der zur Aufſtellung eines neuen Stammes führt, ausgebildet hat.

Erfolgt die Paarung innerhalb einer Familie, ſomit unter verwandten Indivi-
duen, ſo ergibt ſich die Inzucht im engeren Sinne oder die Verwandtſchafts-
zucht
, Familienzucht, welche bei weiterer Beſchränkung in der Auswahl zur In-
ceſtzucht
oder zur Paarung naher oder nächſter Blutsverwandter ausartet.

Um dieſe Unterſchiede leichter verſtändlich zu machen, wollen wir dieſelben an beſtimmten
Beiſpielen erörtern. Zur Paarung ſoll der Bock Nr. 135 verwendet werden, deſſen Ab-
ſtammung die folgende iſt:
Individuum: Bock Nr. 135,
Familie: Nach Schaf Nr. 314,
Zucht (Heerde): Oſchatz,
Stamm: Lohmen,
Schlag: Electoral,
Race: Merino.

Je nachdem derſelbe z. B. mit folgenden Schafen gepaart wird, ergeben ſich die nach-
ſtehenden Zuchtmethoden:
Paarung innerhalb
blutsverwandter Individuen: mit ſeiner Mutter Nr. 314 . Inceſtzucht,
Familie: mit einem Schafe aus der Familie Nr. 314 Inzucht im engeren Sinne
(Verwandtſchaftszucht),
Zucht: mit einem nicht verwandten Schafe aus der
Heerde Oſchatz . . . . . . . . . . Inzucht im weiteren Sinne,
Stamm: mit einem Schafe aus einer anderen Electoral-
heerde, welche jedoch von der gleichen Stamm-
ſchäferei in Lohmen abſtammt . . . . . Reinzucht,
Schlag: mit einem Negrettiſchafe . . . . . . . Kreuzung,
Race: mit einem Zackelſchafe . . . . . . . . Kreuzung.

Durch die Reinzucht und Inzucht im weiteren Sinne wird das Züchtungsziel
am ſicherſten und vollkommenſten erreicht. Die Befeſtigung gewiſſer Eigenſchaften
wird allerdings raſcher durch die Verwandtſchaftszucht ermöglichet. In um ſo engerem
Kreiſe ſich die letztere bewegt, um ſo bedenklicher werden jedoch andererſeits die Nach-
theile, welche mit dieſer Zuchtmethode verbunden ſind. Dieſelbe führt entweder zur
Unfruchtbarkeit der Thiere oder zu einer vollſtändigen Decimirung durch das Auftreten
erblicher Krankheiten. Machen ſich bei irgend einer Zucht derartige bedenkliche
Erſcheinungen geltend, ſo hilft dagegen einzig allein die Paarung mit einem männ-
lichen, einer fremden Heerde entnommenen, demſelben Typus angehörigen Racethiere,
ein Vorgang, für welchen der Ausdruck „Auffriſchung des Blutes“ gebraucht
wird. Unter „Blut“ verſteht der Thierzüchter den Antheil an Raceeigenſchaften,
welchen das Thier durch die Zeugung erhalten hat.

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[32/0048] Allgemeine Thierzuchtlehre. Stämme ein und deſſelben Schlages oder ein und derſelben Race, ſowie zweier ver- ſchiedener Racen wird dagegen als Kreuzung bezeichnet. Werden Kreuzungs- producte, ohne Einmiſchung fremden Blutes, daher innerhalb der Zucht oder Heerde, jedoch nicht unter nahe verwandten Thieren gezüchtet, ſo ergibt ſich die Inzucht im weiteren Sinne. Dieſelbe wird erſt zur Reinzucht, wenn ſich ein feſt typirter Charakter, der zur Aufſtellung eines neuen Stammes führt, ausgebildet hat. Erfolgt die Paarung innerhalb einer Familie, ſomit unter verwandten Indivi- duen, ſo ergibt ſich die Inzucht im engeren Sinne oder die Verwandtſchafts- zucht, Familienzucht, welche bei weiterer Beſchränkung in der Auswahl zur In- ceſtzucht oder zur Paarung naher oder nächſter Blutsverwandter ausartet. Um dieſe Unterſchiede leichter verſtändlich zu machen, wollen wir dieſelben an beſtimmten Beiſpielen erörtern. Zur Paarung ſoll der Bock Nr. 135 verwendet werden, deſſen Ab- ſtammung die folgende iſt: Individuum: Bock Nr. 135, Familie: Nach Schaf Nr. 314, Zucht (Heerde): Oſchatz, Stamm: Lohmen, Schlag: Electoral, Race: Merino. Je nachdem derſelbe z. B. mit folgenden Schafen gepaart wird, ergeben ſich die nach- ſtehenden Zuchtmethoden: Paarung innerhalb blutsverwandter Individuen: mit ſeiner Mutter Nr. 314 . Inceſtzucht, Familie: mit einem Schafe aus der Familie Nr. 314 Inzucht im engeren Sinne (Verwandtſchaftszucht), Zucht: mit einem nicht verwandten Schafe aus der Heerde Oſchatz . . . . . . . . . . Inzucht im weiteren Sinne, Stamm: mit einem Schafe aus einer anderen Electoral- heerde, welche jedoch von der gleichen Stamm- ſchäferei in Lohmen abſtammt . . . . . Reinzucht, Schlag: mit einem Negrettiſchafe . . . . . . . Kreuzung, Race: mit einem Zackelſchafe . . . . . . . . Kreuzung. Durch die Reinzucht und Inzucht im weiteren Sinne wird das Züchtungsziel am ſicherſten und vollkommenſten erreicht. Die Befeſtigung gewiſſer Eigenſchaften wird allerdings raſcher durch die Verwandtſchaftszucht ermöglichet. In um ſo engerem Kreiſe ſich die letztere bewegt, um ſo bedenklicher werden jedoch andererſeits die Nach- theile, welche mit dieſer Zuchtmethode verbunden ſind. Dieſelbe führt entweder zur Unfruchtbarkeit der Thiere oder zu einer vollſtändigen Decimirung durch das Auftreten erblicher Krankheiten. Machen ſich bei irgend einer Zucht derartige bedenkliche Erſcheinungen geltend, ſo hilft dagegen einzig allein die Paarung mit einem männ- lichen, einer fremden Heerde entnommenen, demſelben Typus angehörigen Racethiere, ein Vorgang, für welchen der Ausdruck „Auffriſchung des Blutes“ gebraucht wird. Unter „Blut“ verſteht der Thierzüchter den Antheil an Raceeigenſchaften, welchen das Thier durch die Zeugung erhalten hat.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft03_1876/48>, abgerufen am 21.11.2024.