Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 3. Berlin, 1876.Allgemeine Thierzuchtlehre. Ein Gesetz, welches die Uebertragung der Eigenschaften der Elternthiere auf die Von den zahlreichen Meinungen über die Ursachen der Geschlechtsbildung seien Das Junge wird nach dem früher Angeführten niemals den Elternthieren gleich, Nächst der Vererbung wirken jedoch noch andere äußere Einflüsse: Nahrung, Allgemeine Thierzuchtlehre. Ein Geſetz, welches die Uebertragung der Eigenſchaften der Elternthiere auf die Von den zahlreichen Meinungen über die Urſachen der Geſchlechtsbildung ſeien Das Junge wird nach dem früher Angeführten niemals den Elternthieren gleich, Nächſt der Vererbung wirken jedoch noch andere äußere Einflüſſe: Nahrung, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0050" n="34"/> <fw place="top" type="header">Allgemeine Thierzuchtlehre.</fw><lb/> <p>Ein Geſetz, welches die Uebertragung der Eigenſchaften der Elternthiere auf die<lb/> Nachkommen für alle Fälle im vorhinein vorausſehen läßt, ein <hi rendition="#g">Vererbungsgeſetz</hi><lb/> gibt es nicht. Zur Zeit iſt es nicht möglich anzugeben, welchen Einfluß der Samen-<lb/> faden und welchen das Eichen auf die Geſtaltung des Jungen ausübt, oder<lb/> mit anderen Worten, welche Eigenſchaften und Formen von dem Vater-, welche von<lb/> dem Mutterthiere in den Nachkommen ſich wiederfinden; nur ſo viel ſteht feſt, daß<lb/> Beide Antheil an der Geſtaltung des neuen Weſens haben, bald das Eine, bald das<lb/> Andere mehr. Einzelne Formen werden gar nicht vererbt; ſo vererbt nur Eines<lb/> der beiden Elternthiere ſein Geſchlecht und jene Eigenthümlichkeiten, welche zum<lb/> Geſchlechtscharakter des Thieres gehören. Welche Momente die <hi rendition="#g">Geſchlechtsbil-<lb/> dung</hi> bedingen, läßt ſich jedoch mit Sicherheit nicht angeben. Es iſt zweifelhaft, ob<lb/> das Geſchlecht des neuen Weſens im Eichen bereits vor oder erſt nach dem Zu-<lb/> ſammenkommen mit dem Samenfaden feſtgeſtellt iſt, ebenſo ungewiß bleibt es, ob<lb/> das Eichen oder der Samenfaden für die Geſchlechtsbildung den Ausſchlag gibt.</p><lb/> <p>Von den zahlreichen Meinungen über die Urſachen der Geſchlechtsbildung ſeien<lb/> die verbreitetſten hervorgehoben. Nach Profeſſor Thury in Genf hängt das Geſchlecht<lb/> von der Reife des Eies im Augenblicke der Befruchtung ab. Eichen, welche bei der<lb/> Befruchtung noch nicht einen gewiſſen Reifegrad erreicht haben, geben Weibchen;<lb/> Eichen, welche zur Zeit der Befruchtung dieſen Reifegrad bereits überſchritten haben,<lb/> geben dagegen Männchen. Nach Thury ſoll daher das Mutterthier, wenn es ſich zu Anfang<lb/> der Brunſt begattet, meiſtens weibliche, dagegen, wenn die Begattung am Ende der<lb/> Brunſt ſtattfindet, männliche Früchte geben. Nach Andern wird dem Altersverhältniſſe<lb/> und dem Kraftzuſtande der Zeugenden ein maßgebender Einfluß zugeſchrieben. Das<lb/> jugendliche Alter beider Zeugenden ſoll mehr die Hervorbringung weiblicher, das<lb/> höhere Alter männlicher Früchte begünſtigen. Aeltere Mutterthiere ſollen mit jüngeren<lb/> Vaterthieren mehr männliche, im umgekehrten Falle mehr weibliche Früchte erzeugen.<lb/> Zuchtthiere in übereinſtimmendem Alter ſollen durchſchnittlich gleich viel männliche und<lb/> weibliche Nachkommen liefern. In Betreff des Kraftzuſtandes ſoll das kräftiger ge-<lb/> nährte, weniger abgearbeitete, durch ſeltenere Begattung geſchonte Individuum ſein<lb/> Geſchlecht vorzugsweiſe vererben. Alle dieſe Angaben können jedoch nur als Ver-<lb/> muthungen hingeſtellt werden, für deren Stichhaltigkeit erſt der Beweis zu erbringen iſt.</p><lb/> <p>Das Junge wird nach dem früher Angeführten niemals den Elternthieren gleich,<lb/> ſondern nur ähnlich. Der praktiſche Züchter drückt dies mit den Worten aus „Aehn-<lb/> liches mit Aehnlichem gepaart gibt Aehnliches“ und mit Rückſicht darauf, daß ſich<lb/> die Eigenſchaften der Elternthiere im Kinde vereinigt wiederfinden, mit den Worten<lb/> „Ungleiches mit Ungleichem gepaart gibt Ausgleichung.“ Die Ausgleichung eines<lb/> Fehlers darf jedoch nicht durch den entgegengeſetzten Fehler, ſondern nur durch ein dem<lb/> Fehlerhaften entgegengeſetztes Normale angeſtrebt werden. Es hat daher dieſer<lb/> Satz richtiger zu heißen: „Fehlerhaftes mit Fehlerfreiem gepaart gibt Ausgleichung.“</p><lb/> <p>Nächſt der Vererbung wirken jedoch noch andere äußere Einflüſſe: Nahrung,<lb/> Haltung, Klima ꝛc. auf die Geſtaltung des Thieres ein. Das Thier ſucht ſich mit<lb/> ſeinen Charakteren dieſen äußeren Verhältniſſen anzupaſſen, es iſt daher ein Produkt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0050]
Allgemeine Thierzuchtlehre.
Ein Geſetz, welches die Uebertragung der Eigenſchaften der Elternthiere auf die
Nachkommen für alle Fälle im vorhinein vorausſehen läßt, ein Vererbungsgeſetz
gibt es nicht. Zur Zeit iſt es nicht möglich anzugeben, welchen Einfluß der Samen-
faden und welchen das Eichen auf die Geſtaltung des Jungen ausübt, oder
mit anderen Worten, welche Eigenſchaften und Formen von dem Vater-, welche von
dem Mutterthiere in den Nachkommen ſich wiederfinden; nur ſo viel ſteht feſt, daß
Beide Antheil an der Geſtaltung des neuen Weſens haben, bald das Eine, bald das
Andere mehr. Einzelne Formen werden gar nicht vererbt; ſo vererbt nur Eines
der beiden Elternthiere ſein Geſchlecht und jene Eigenthümlichkeiten, welche zum
Geſchlechtscharakter des Thieres gehören. Welche Momente die Geſchlechtsbil-
dung bedingen, läßt ſich jedoch mit Sicherheit nicht angeben. Es iſt zweifelhaft, ob
das Geſchlecht des neuen Weſens im Eichen bereits vor oder erſt nach dem Zu-
ſammenkommen mit dem Samenfaden feſtgeſtellt iſt, ebenſo ungewiß bleibt es, ob
das Eichen oder der Samenfaden für die Geſchlechtsbildung den Ausſchlag gibt.
Von den zahlreichen Meinungen über die Urſachen der Geſchlechtsbildung ſeien
die verbreitetſten hervorgehoben. Nach Profeſſor Thury in Genf hängt das Geſchlecht
von der Reife des Eies im Augenblicke der Befruchtung ab. Eichen, welche bei der
Befruchtung noch nicht einen gewiſſen Reifegrad erreicht haben, geben Weibchen;
Eichen, welche zur Zeit der Befruchtung dieſen Reifegrad bereits überſchritten haben,
geben dagegen Männchen. Nach Thury ſoll daher das Mutterthier, wenn es ſich zu Anfang
der Brunſt begattet, meiſtens weibliche, dagegen, wenn die Begattung am Ende der
Brunſt ſtattfindet, männliche Früchte geben. Nach Andern wird dem Altersverhältniſſe
und dem Kraftzuſtande der Zeugenden ein maßgebender Einfluß zugeſchrieben. Das
jugendliche Alter beider Zeugenden ſoll mehr die Hervorbringung weiblicher, das
höhere Alter männlicher Früchte begünſtigen. Aeltere Mutterthiere ſollen mit jüngeren
Vaterthieren mehr männliche, im umgekehrten Falle mehr weibliche Früchte erzeugen.
Zuchtthiere in übereinſtimmendem Alter ſollen durchſchnittlich gleich viel männliche und
weibliche Nachkommen liefern. In Betreff des Kraftzuſtandes ſoll das kräftiger ge-
nährte, weniger abgearbeitete, durch ſeltenere Begattung geſchonte Individuum ſein
Geſchlecht vorzugsweiſe vererben. Alle dieſe Angaben können jedoch nur als Ver-
muthungen hingeſtellt werden, für deren Stichhaltigkeit erſt der Beweis zu erbringen iſt.
Das Junge wird nach dem früher Angeführten niemals den Elternthieren gleich,
ſondern nur ähnlich. Der praktiſche Züchter drückt dies mit den Worten aus „Aehn-
liches mit Aehnlichem gepaart gibt Aehnliches“ und mit Rückſicht darauf, daß ſich
die Eigenſchaften der Elternthiere im Kinde vereinigt wiederfinden, mit den Worten
„Ungleiches mit Ungleichem gepaart gibt Ausgleichung.“ Die Ausgleichung eines
Fehlers darf jedoch nicht durch den entgegengeſetzten Fehler, ſondern nur durch ein dem
Fehlerhaften entgegengeſetztes Normale angeſtrebt werden. Es hat daher dieſer
Satz richtiger zu heißen: „Fehlerhaftes mit Fehlerfreiem gepaart gibt Ausgleichung.“
Nächſt der Vererbung wirken jedoch noch andere äußere Einflüſſe: Nahrung,
Haltung, Klima ꝛc. auf die Geſtaltung des Thieres ein. Das Thier ſucht ſich mit
ſeinen Charakteren dieſen äußeren Verhältniſſen anzupaſſen, es iſt daher ein Produkt
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