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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Anhang.
Beginnt man Morgens 4 Uhr zu füttern, so würde man nicht vor
6 1/2--7 Uhr ausrücken dürfen.

Ob 2mal oder 3mal den Tag füttern, ist eine Frage,
worüber gleichfalls viel debattirt worden ist
. Menschen
und Thiere sind in Befriedigung ihrer Bedürfnisse äusserst von der
Gewohnheit abhängig. Naht die gewohnte Zeit, so stellt sich
Bedürfniss nach Speise, Trank, Schlaf etc. völlig unwillkührlich ein.
Wie sehr dies auch bei den Pferden der Fall ist, zeigt uns die
Beobachtung derselben namentlich in grossen Ställen sehr deutlich.
Eine Viertelstunde vor dem Abfüttern, ehe seitens eines Menschen
die geringsten Vorbereitungen dazu getroffen werden, wird es im
Stalle lebendig, die Ketten klirren, die Hufe scharren, die Pferde
wenden sich mit aufgeregt leuchtendem Auge nach der Seite hin,
von welcher der Futtermeister einzutreten pflegt, und die Ungeduld
steigert sich von Moment zu Moment, bis die gefüllte Schwinge
erscheint. Es ist mithin gewiss, dass die Thiere hungern, wenn die
gewohnte Stunde schlägt. Weder beim Manöver aber, noch im
Felde wird man die Mittagsfutterstunde einhalten können, und man
legt den Thieren nicht nur eine ungewohnte Entbehrung auf, son-
dern ist dann gezwungen, das Mittags- und Abendfutter so bald
auf einander folgen zu lassen, dass Magen und Eingeweide, unge-
wohnt so grosse Massen aufzunehmen, unnatürlich überfüllt sein
werden. Es würde deshalb zweckmässig sein, das Mit-
tagsfutter schon im Frieden wegfallen zu lassen und
die Thiere an nur 2 Mahlzeiten zu gewöhnen
; zu Mittag
aber nur etwa Heu und im Sommer Wasser zu geben. Man hat
eine schlechtere Verdauung gegen dies Verfahren angeführt. Ein
hochgestellter Offizier hat, um sich mit Bestimmtheit von der Un-
schädlichkeit des Verfahrens zu überzeugen, seine eigenen Pferde
jahrelang nach dieser Methode füttern und ihnen nur die leichte
Ration ohne allen Zuschuss verabreichen lassen. Das Resultat war
vortrefflich und zeigten sich durchaus keine Nachtheile.

Das Tränken hat in so fern einen Gegenstand der Uneinig-
keit abgegeben, als die Einen tränken wollen mit frischem, har-
tem Wasser
, wie es aus der Pumpe kommt, die Andern dasselbe
aber verschlagen verabreichen wollen. Ich bin für die letztere
Art. Gehen wir auf den Naturzustand zurück, so sehen wir die
Thiere in der Wildniss das Wasser der Bäche und See's saufen,
welchem das Verschlagene gewiss näher kommt. Es scheint eine
so grosse Masse von Wasser, wie sie das Thier einnimmt, bei der
Kälte frischen Brunnenwassers zu lange einer Erwärmung zu wider-

Anhang.
Beginnt man Morgens 4 Uhr zu füttern, so würde man nicht vor
6 ½—7 Uhr ausrücken dürfen.

Ob 2mal oder 3mal den Tag füttern, ist eine Frage,
worüber gleichfalls viel debattirt worden ist
. Menschen
und Thiere sind in Befriedigung ihrer Bedürfnisse äusserst von der
Gewohnheit abhängig. Naht die gewohnte Zeit, so stellt sich
Bedürfniss nach Speise, Trank, Schlaf etc. völlig unwillkührlich ein.
Wie sehr dies auch bei den Pferden der Fall ist, zeigt uns die
Beobachtung derselben namentlich in grossen Ställen sehr deutlich.
Eine Viertelstunde vor dem Abfüttern, ehe seitens eines Menschen
die geringsten Vorbereitungen dazu getroffen werden, wird es im
Stalle lebendig, die Ketten klirren, die Hufe scharren, die Pferde
wenden sich mit aufgeregt leuchtendem Auge nach der Seite hin,
von welcher der Futtermeister einzutreten pflegt, und die Ungeduld
steigert sich von Moment zu Moment, bis die gefüllte Schwinge
erscheint. Es ist mithin gewiss, dass die Thiere hungern, wenn die
gewohnte Stunde schlägt. Weder beim Manöver aber, noch im
Felde wird man die Mittagsfutterstunde einhalten können, und man
legt den Thieren nicht nur eine ungewohnte Entbehrung auf, son-
dern ist dann gezwungen, das Mittags- und Abendfutter so bald
auf einander folgen zu lassen, dass Magen und Eingeweide, unge-
wohnt so grosse Massen aufzunehmen, unnatürlich überfüllt sein
werden. Es würde deshalb zweckmässig sein, das Mit-
tagsfutter schon im Frieden wegfallen zu lassen und
die Thiere an nur 2 Mahlzeiten zu gewöhnen
; zu Mittag
aber nur etwa Heu und im Sommer Wasser zu geben. Man hat
eine schlechtere Verdauung gegen dies Verfahren angeführt. Ein
hochgestellter Offizier hat, um sich mit Bestimmtheit von der Un-
schädlichkeit des Verfahrens zu überzeugen, seine eigenen Pferde
jahrelang nach dieser Methode füttern und ihnen nur die leichte
Ration ohne allen Zuschuss verabreichen lassen. Das Resultat war
vortrefflich und zeigten sich durchaus keine Nachtheile.

Das Tränken hat in so fern einen Gegenstand der Uneinig-
keit abgegeben, als die Einen tränken wollen mit frischem, har-
tem Wasser
, wie es aus der Pumpe kommt, die Andern dasselbe
aber verschlagen verabreichen wollen. Ich bin für die letztere
Art. Gehen wir auf den Naturzustand zurück, so sehen wir die
Thiere in der Wildniss das Wasser der Bäche und See’s saufen,
welchem das Verschlagene gewiss näher kommt. Es scheint eine
so grosse Masse von Wasser, wie sie das Thier einnimmt, bei der
Kälte frischen Brunnenwassers zu lange einer Erwärmung zu wider-

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[294/0316] Anhang. Beginnt man Morgens 4 Uhr zu füttern, so würde man nicht vor 6 ½—7 Uhr ausrücken dürfen. Ob 2mal oder 3mal den Tag füttern, ist eine Frage, worüber gleichfalls viel debattirt worden ist. Menschen und Thiere sind in Befriedigung ihrer Bedürfnisse äusserst von der Gewohnheit abhängig. Naht die gewohnte Zeit, so stellt sich Bedürfniss nach Speise, Trank, Schlaf etc. völlig unwillkührlich ein. Wie sehr dies auch bei den Pferden der Fall ist, zeigt uns die Beobachtung derselben namentlich in grossen Ställen sehr deutlich. Eine Viertelstunde vor dem Abfüttern, ehe seitens eines Menschen die geringsten Vorbereitungen dazu getroffen werden, wird es im Stalle lebendig, die Ketten klirren, die Hufe scharren, die Pferde wenden sich mit aufgeregt leuchtendem Auge nach der Seite hin, von welcher der Futtermeister einzutreten pflegt, und die Ungeduld steigert sich von Moment zu Moment, bis die gefüllte Schwinge erscheint. Es ist mithin gewiss, dass die Thiere hungern, wenn die gewohnte Stunde schlägt. Weder beim Manöver aber, noch im Felde wird man die Mittagsfutterstunde einhalten können, und man legt den Thieren nicht nur eine ungewohnte Entbehrung auf, son- dern ist dann gezwungen, das Mittags- und Abendfutter so bald auf einander folgen zu lassen, dass Magen und Eingeweide, unge- wohnt so grosse Massen aufzunehmen, unnatürlich überfüllt sein werden. Es würde deshalb zweckmässig sein, das Mit- tagsfutter schon im Frieden wegfallen zu lassen und die Thiere an nur 2 Mahlzeiten zu gewöhnen; zu Mittag aber nur etwa Heu und im Sommer Wasser zu geben. Man hat eine schlechtere Verdauung gegen dies Verfahren angeführt. Ein hochgestellter Offizier hat, um sich mit Bestimmtheit von der Un- schädlichkeit des Verfahrens zu überzeugen, seine eigenen Pferde jahrelang nach dieser Methode füttern und ihnen nur die leichte Ration ohne allen Zuschuss verabreichen lassen. Das Resultat war vortrefflich und zeigten sich durchaus keine Nachtheile. Das Tränken hat in so fern einen Gegenstand der Uneinig- keit abgegeben, als die Einen tränken wollen mit frischem, har- tem Wasser, wie es aus der Pumpe kommt, die Andern dasselbe aber verschlagen verabreichen wollen. Ich bin für die letztere Art. Gehen wir auf den Naturzustand zurück, so sehen wir die Thiere in der Wildniss das Wasser der Bäche und See’s saufen, welchem das Verschlagene gewiss näher kommt. Es scheint eine so grosse Masse von Wasser, wie sie das Thier einnimmt, bei der Kälte frischen Brunnenwassers zu lange einer Erwärmung zu wider-

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/316>, abgerufen am 21.11.2024.