Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).wenn mir aus meinem Heros Cethegus ein Dämon würde. Jch Aus dem früheren Leben des "großen Mannes" hören wir wenn mir aus meinem Heros Cethegus ein Dämon würde. Jch Aus dem früheren Leben des „großen Mannes‟ hören wir <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0046" n="46 238"/> wenn mir aus meinem Heros Cethegus ein Dämon würde. Jch<lb/> begreife, daß die Menſchen dich ſcheuen, dich fürchten wie Lucifer,<lb/> den gefallenen Engel des Morgenſterns.‟ — —</p><lb/> <p>Aus dem früheren Leben des „großen Mannes‟ hören wir<lb/> gelegentlich eines von Totila gegen ihn inſcenirten Zweikampfs,<lb/> daß ihm die Geliebte aus dem Geſchlechte der Manilier von<lb/> einem andern weggenommen worden iſt. Der Sohn derſelben<lb/><hi rendition="#g">Julius,</hi> ein <hi rendition="#g">Mönch,</hi> iſt der Gegenſtand ſeiner Liebe, ſein<lb/> Pflegeſohn. Für ihn bildet er ſich ein, alle Mord- und Schand-<lb/> thaten verübt zu haben, auf ihn will er die Weltherrſchaft dem-<lb/> nächſt vererben. Die Thränen und das Gebet des Julius ſollen<lb/> des Cethegus befleckte Hand reinigen. Die Krone Roms ſchlägt<lb/> der Mönch aus, bittet aber dafür den Pflegevater, ſich zu Gott<lb/> zu wenden und zu bereuen: „Ohne Reue und Buße keine Er-<lb/> löſung. Und ich will mit Gott ringen im Gebet, bis er dir<lb/> vergibt. Widerrufe in Gedanken deine Thaten.‟ Auf dieſe<lb/> theils ſich ſelbſt widerſprechenden, theils ſinnloſen Reden — wie<lb/> kann man Thaten widerrufen! — erklärt Cethegus: „Laß du<lb/> ruhig meine Thaten auf meinem Haupt: ich habe ſie zu tragen,<lb/> nicht du. — — Alles, was ich gethan, — wär’s ungeſchehn: —<lb/> ich würd’ es Alles noch ’mal thun.‟ „Cethegus,‟ rief Julius<lb/> entſetzt, „welch ſchrecklich Wort! Glaubſt du denn wirklich nicht<lb/> an einen Gott?‟ Aber gereizt fuhr Cethegus fort: „Bereuen!<lb/> Bereut das Feuer, daß es brennt? Du kannſt es nur erſticken,<lb/> nicht hemmen, daß es brennt, ſo lang es lebt. Lob’ es, ſchilt<lb/> es wie du willſt, doch laß es Feuer ſein! So muß Cethegus<lb/> den Gedanken folgen, welche, wie der Lauf des Blutes, durch<lb/> ſein Blut rinnen (!). Jch will nicht, ich muß wollen. Und wie<lb/> der Gießbach niederſchäumt von Bergeshöhn, bald durch blumige<lb/> Wieſen, bald durch ſchroffes Gezack, bald ſegnend befruchtend,<lb/> bald tödtlich zerſtörend, ohne Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dank-<lb/> recht — ſo reißt mich das Geſchick dahin den Weg, welchen<lb/> Eigenart und die gegebene Zeit und Welt um mich her vor-<lb/> zeichnen. Soll ich bereuen, was ich auf meinem Weg zerſtört?<lb/> Jch thät es immer wieder.‟ Auf dieſe Kraft- und Stoff-Reden<lb/> hin mahnt der Mönch, Cethegus möge den lebendigen Gott<lb/></p> </body> </text> </TEI> [46 238/0046]
wenn mir aus meinem Heros Cethegus ein Dämon würde. Jch
begreife, daß die Menſchen dich ſcheuen, dich fürchten wie Lucifer,
den gefallenen Engel des Morgenſterns.‟ — —
Aus dem früheren Leben des „großen Mannes‟ hören wir
gelegentlich eines von Totila gegen ihn inſcenirten Zweikampfs,
daß ihm die Geliebte aus dem Geſchlechte der Manilier von
einem andern weggenommen worden iſt. Der Sohn derſelben
Julius, ein Mönch, iſt der Gegenſtand ſeiner Liebe, ſein
Pflegeſohn. Für ihn bildet er ſich ein, alle Mord- und Schand-
thaten verübt zu haben, auf ihn will er die Weltherrſchaft dem-
nächſt vererben. Die Thränen und das Gebet des Julius ſollen
des Cethegus befleckte Hand reinigen. Die Krone Roms ſchlägt
der Mönch aus, bittet aber dafür den Pflegevater, ſich zu Gott
zu wenden und zu bereuen: „Ohne Reue und Buße keine Er-
löſung. Und ich will mit Gott ringen im Gebet, bis er dir
vergibt. Widerrufe in Gedanken deine Thaten.‟ Auf dieſe
theils ſich ſelbſt widerſprechenden, theils ſinnloſen Reden — wie
kann man Thaten widerrufen! — erklärt Cethegus: „Laß du
ruhig meine Thaten auf meinem Haupt: ich habe ſie zu tragen,
nicht du. — — Alles, was ich gethan, — wär’s ungeſchehn: —
ich würd’ es Alles noch ’mal thun.‟ „Cethegus,‟ rief Julius
entſetzt, „welch ſchrecklich Wort! Glaubſt du denn wirklich nicht
an einen Gott?‟ Aber gereizt fuhr Cethegus fort: „Bereuen!
Bereut das Feuer, daß es brennt? Du kannſt es nur erſticken,
nicht hemmen, daß es brennt, ſo lang es lebt. Lob’ es, ſchilt
es wie du willſt, doch laß es Feuer ſein! So muß Cethegus
den Gedanken folgen, welche, wie der Lauf des Blutes, durch
ſein Blut rinnen (!). Jch will nicht, ich muß wollen. Und wie
der Gießbach niederſchäumt von Bergeshöhn, bald durch blumige
Wieſen, bald durch ſchroffes Gezack, bald ſegnend befruchtend,
bald tödtlich zerſtörend, ohne Wahl, ohne Vorwurf, ohne Dank-
recht — ſo reißt mich das Geſchick dahin den Weg, welchen
Eigenart und die gegebene Zeit und Welt um mich her vor-
zeichnen. Soll ich bereuen, was ich auf meinem Weg zerſtört?
Jch thät es immer wieder.‟ Auf dieſe Kraft- und Stoff-Reden
hin mahnt der Mönch, Cethegus möge den lebendigen Gott
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