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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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fürchten. "Aber grimmiger als zuvor lachte Cethegus: Ha! wo
ist er denn, dieser lebendige Gott? Jch habe den Himmel ent-
lang, den Gang der Gestirne, ich habe die grausame Natur, ich
habe die grausame Geschichte der Menschen durchforscht und
keinen Gott gefunden als das Recht des Stärkeren, die Noth-
wendigkeit, die furchtbare erhabene Göttin, deren Anblick ver-
steint wie der Gorgone. Du birgst dich, Knabe, in die Mantel-
falten deines geträumten Gottes, du steckst dein Haupt in seinen
Vaterschoß, starrt dich des Schicksals Walten mit den Gorgonen-
blicken an. Wohl es sei: aber schilt nicht den Mann, der, den
Blick erwidernd, spricht: ,es ist kein Gott': und würd' er drob zu
Stein." -- Das Schicksal des Cethegus' will, daß er nachmals
seinen Pflegsohn, der des verwundeten Königs Totila Rüstung
angelegt hatte, mit drei Speeren durchbohrt. "Jetzt, Menschheit,
bist du mir todt," ruft der Präfect aus, als er erkennt, was er
"durch höhnisch äffenden Zufall" gethan. --

An den beiden Antichristen Prokop und Cethegus, den Ver-
tretern der Wissenschaft, hat übrigens der Materialist Felix Dahn
nicht genug, er hat sich mit den Heiden Hildebrand und Teja,
welche den arianischen Ostgothen angehören, noch zwei Vertreter
des unwissenschaftlichen Bürgerstandes verschafft, welche es im
Hasse gegen Christenthum, Kirche und den lebendigen Gott mit
jedem ungläubigen Professor unserer Tage aufnehmen. Dem
kranken Theoderich sagt der alte Hildebrand mit dem Gedanken
an den Tod: "Von jenem Luftleben da droben in den Wind-
wolken, wie's die Christenpriester lehren (?), weiß ich nichts und
will nichts wissen." -- Als Silverius, zum Papst gewählt,
dem Gothenkönig Witichis mit einem Eidschwur gehuldigt hat,
sagt Graf Teja: "Jetzt bin ich nur begierig --". "Ob sie es
halten?" meinte Hildebrand. "Nein. Gar nicht. Aber wie sie's
brechen. Nun, der Priester wird's schon finden." Für den
alten Hildebrand kommt immer erst "das Reich", dann erst die
Frage nach Weib, Kind und Kindeskind. Darum hat er seinen
eignen Enkel als Ueberläufer aufhängen lassen, darum wagt er
es auch, dem Witichis vorzuschlagen, daß er sein treues Weib
Rauthgundis entlasse und aus politischen Rücksichten Mata-

fürchten. „Aber grimmiger als zuvor lachte Cethegus: Ha! wo
iſt er denn, dieſer lebendige Gott? Jch habe den Himmel ent-
lang, den Gang der Geſtirne, ich habe die grauſame Natur, ich
habe die grauſame Geſchichte der Menſchen durchforſcht und
keinen Gott gefunden als das Recht des Stärkeren, die Noth-
wendigkeit, die furchtbare erhabene Göttin, deren Anblick ver-
ſteint wie der Gorgone. Du birgſt dich, Knabe, in die Mantel-
falten deines geträumten Gottes, du ſteckſt dein Haupt in ſeinen
Vaterſchoß, ſtarrt dich des Schickſals Walten mit den Gorgonen-
blicken an. Wohl es ſei: aber ſchilt nicht den Mann, der, den
Blick erwidernd, ſpricht: ‚es iſt kein Gott‛: und würd’ er drob zu
Stein.‟ — Das Schickſal des Cethegus’ will, daß er nachmals
ſeinen Pflegſohn, der des verwundeten Königs Totila Rüſtung
angelegt hatte, mit drei Speeren durchbohrt. „Jetzt, Menſchheit,
biſt du mir todt,‟ ruft der Präfect aus, als er erkennt, was er
„durch höhniſch äffenden Zufall‟ gethan. —

An den beiden Antichriſten Prokop und Cethegus, den Ver-
tretern der Wiſſenſchaft, hat übrigens der Materialiſt Felix Dahn
nicht genug, er hat ſich mit den Heiden Hildebrand und Teja,
welche den arianiſchen Oſtgothen angehören, noch zwei Vertreter
des unwiſſenſchaftlichen Bürgerſtandes verſchafft, welche es im
Haſſe gegen Chriſtenthum, Kirche und den lebendigen Gott mit
jedem ungläubigen Profeſſor unſerer Tage aufnehmen. Dem
kranken Theoderich ſagt der alte Hildebrand mit dem Gedanken
an den Tod: „Von jenem Luftleben da droben in den Wind-
wolken, wie’s die Chriſtenprieſter lehren (?), weiß ich nichts und
will nichts wiſſen.‟ — Als Silverius, zum Papſt gewählt,
dem Gothenkönig Witichis mit einem Eidſchwur gehuldigt hat,
ſagt Graf Teja: „Jetzt bin ich nur begierig —‟. „Ob ſie es
halten?‟ meinte Hildebrand. „Nein. Gar nicht. Aber wie ſie’s
brechen. Nun, der Prieſter wird’s ſchon finden.‟ Für den
alten Hildebrand kommt immer erſt „das Reich‟, dann erſt die
Frage nach Weib, Kind und Kindeskind. Darum hat er ſeinen
eignen Enkel als Ueberläufer aufhängen laſſen, darum wagt er
es auch, dem Witichis vorzuſchlagen, daß er ſein treues Weib
Rauthgundis entlaſſe und aus politiſchen Rückſichten Mata-

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[47 239/0047] fürchten. „Aber grimmiger als zuvor lachte Cethegus: Ha! wo iſt er denn, dieſer lebendige Gott? Jch habe den Himmel ent- lang, den Gang der Geſtirne, ich habe die grauſame Natur, ich habe die grauſame Geſchichte der Menſchen durchforſcht und keinen Gott gefunden als das Recht des Stärkeren, die Noth- wendigkeit, die furchtbare erhabene Göttin, deren Anblick ver- ſteint wie der Gorgone. Du birgſt dich, Knabe, in die Mantel- falten deines geträumten Gottes, du ſteckſt dein Haupt in ſeinen Vaterſchoß, ſtarrt dich des Schickſals Walten mit den Gorgonen- blicken an. Wohl es ſei: aber ſchilt nicht den Mann, der, den Blick erwidernd, ſpricht: ‚es iſt kein Gott‛: und würd’ er drob zu Stein.‟ — Das Schickſal des Cethegus’ will, daß er nachmals ſeinen Pflegſohn, der des verwundeten Königs Totila Rüſtung angelegt hatte, mit drei Speeren durchbohrt. „Jetzt, Menſchheit, biſt du mir todt,‟ ruft der Präfect aus, als er erkennt, was er „durch höhniſch äffenden Zufall‟ gethan. — An den beiden Antichriſten Prokop und Cethegus, den Ver- tretern der Wiſſenſchaft, hat übrigens der Materialiſt Felix Dahn nicht genug, er hat ſich mit den Heiden Hildebrand und Teja, welche den arianiſchen Oſtgothen angehören, noch zwei Vertreter des unwiſſenſchaftlichen Bürgerſtandes verſchafft, welche es im Haſſe gegen Chriſtenthum, Kirche und den lebendigen Gott mit jedem ungläubigen Profeſſor unſerer Tage aufnehmen. Dem kranken Theoderich ſagt der alte Hildebrand mit dem Gedanken an den Tod: „Von jenem Luftleben da droben in den Wind- wolken, wie’s die Chriſtenprieſter lehren (?), weiß ich nichts und will nichts wiſſen.‟ — Als Silverius, zum Papſt gewählt, dem Gothenkönig Witichis mit einem Eidſchwur gehuldigt hat, ſagt Graf Teja: „Jetzt bin ich nur begierig —‟. „Ob ſie es halten?‟ meinte Hildebrand. „Nein. Gar nicht. Aber wie ſie’s brechen. Nun, der Prieſter wird’s ſchon finden.‟ Für den alten Hildebrand kommt immer erſt „das Reich‟, dann erſt die Frage nach Weib, Kind und Kindeskind. Darum hat er ſeinen eignen Enkel als Ueberläufer aufhängen laſſen, darum wagt er es auch, dem Witichis vorzuſchlagen, daß er ſein treues Weib Rauthgundis entlaſſe und aus politiſchen Rückſichten Mata-

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 47 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/47>, abgerufen am 21.11.2024.