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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Leben zeugt und Leben tödtet." (Um diesem Paganismus in
größerem Umfange Boden in der gebildeten Welt zu schaffen,
hat Dahn noch zwei besondere altnordische Romane geschrieben,
auf welche wir nachher noch kommen werden.) Graf Teja hat
mit seiner Blasphemie: "Und wäre ein Wesen da oben, lebendig
und wissend was er thut oder geschehen läßt --: man müßte,
wie die Riesen unserer Götterdämmerungssage, Berg auf Berg
und Fels auf Fels thürmen und seinen Himmel stürmen und
nicht ruhen und rasten, bis man das teuflisch grausame Gespenst
von seinem blutigen Schädelthron gestoßen oder selbst gefallen
wäre von seinem Blitz", dem staunenden König Totila gegenüber
die Einleitung gegeben zu einem gestabreimten Gesang, welchen
er dem Odhin in den Mund legt. "Odhin's Trost" heißt
Dahn's neuester Roman, auf welchen mit den Versen vorbe-
reitet wird:

Es seufzt meine Seele in unfäglichem Jammer
um des Schmerzengeschlechts, um der Menschen Geschick.

Allvater ist der Mitempfindende, Mitdurchkämpfende, Mitdurch-
klagende, der bald den besiegten bessern Mann, bald den un-
glücklich Liebenden, bald die Wittwe und bald die Waisen beklagt:

All dies Elend, öd und endlos.
es empfindet's mit Allvater. -- --
Traun, Ein Trost nur tröstet die Trauer:
Ein Ziel ist gezeichnet den zahllosen Zähren,
Eine Endzeit.
Jch segne den Tag, da der sengende Surtur
erbarmend der letzten Menschen Gebilde
zugleich mit der müden Erde zermalmt,
da endlich der Quell unerschöpflicher Qualen
verquillt: das letzte menschliche Herz.
Willkommen der Tag! -- --

Selbst Theoderich muß sich gefallen lassen, zu den anti-
christlichen Helden gezählt zu werden. Als den todtkranken König
der alte Hildebrand "nicht mit Liebe" fragt: "Willst du wieder
die Priester rufen lassen?" antwortet der Gothenfürst: "Nein,
ich konnte sie nicht brauchen. Und ich brauche sie nicht mehr. --
Sie konnten mir nicht helfen."

Zeitfragen des christl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 4

Leben zeugt und Leben tödtet.‟ (Um dieſem Paganismus in
größerem Umfange Boden in der gebildeten Welt zu ſchaffen,
hat Dahn noch zwei beſondere altnordiſche Romane geſchrieben,
auf welche wir nachher noch kommen werden.) Graf Teja hat
mit ſeiner Blasphemie: „Und wäre ein Weſen da oben, lebendig
und wiſſend was er thut oder geſchehen läßt —: man müßte,
wie die Rieſen unſerer Götterdämmerungsſage, Berg auf Berg
und Fels auf Fels thürmen und ſeinen Himmel ſtürmen und
nicht ruhen und raſten, bis man das teufliſch grauſame Geſpenſt
von ſeinem blutigen Schädelthron geſtoßen oder ſelbſt gefallen
wäre von ſeinem Blitz‟, dem ſtaunenden König Totila gegenüber
die Einleitung gegeben zu einem geſtabreimten Geſang, welchen
er dem Odhin in den Mund legt. „Odhin’s Troſt‟ heißt
Dahn’s neueſter Roman, auf welchen mit den Verſen vorbe-
reitet wird:

Es ſeufzt meine Seele in unfäglichem Jammer
um des Schmerzengeſchlechts, um der Menſchen Geſchick.

Allvater iſt der Mitempfindende, Mitdurchkämpfende, Mitdurch-
klagende, der bald den beſiegten beſſern Mann, bald den un-
glücklich Liebenden, bald die Wittwe und bald die Waiſen beklagt:

All dies Elend, öd und endlos.
es empfindet’s mit Allvater. — —
Traun, Ein Troſt nur tröſtet die Trauer:
Ein Ziel iſt gezeichnet den zahlloſen Zähren,
Eine Endzeit.
Jch ſegne den Tag, da der ſengende Surtur
erbarmend der letzten Menſchen Gebilde
zugleich mit der müden Erde zermalmt,
da endlich der Quell unerſchöpflicher Qualen
verquillt: das letzte menſchliche Herz.
Willkommen der Tag! — —

Selbſt Theoderich muß ſich gefallen laſſen, zu den anti-
chriſtlichen Helden gezählt zu werden. Als den todtkranken König
der alte Hildebrand „nicht mit Liebe‟ fragt: „Willſt du wieder
die Prieſter rufen laſſen?‟ antwortet der Gothenfürſt: „Nein,
ich konnte ſie nicht brauchen. Und ich brauche ſie nicht mehr. —
Sie konnten mir nicht helfen.‟

Zeitfragen des chriſtl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 4
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[49/0049] Leben zeugt und Leben tödtet.‟ (Um dieſem Paganismus in größerem Umfange Boden in der gebildeten Welt zu ſchaffen, hat Dahn noch zwei beſondere altnordiſche Romane geſchrieben, auf welche wir nachher noch kommen werden.) Graf Teja hat mit ſeiner Blasphemie: „Und wäre ein Weſen da oben, lebendig und wiſſend was er thut oder geſchehen läßt —: man müßte, wie die Rieſen unſerer Götterdämmerungsſage, Berg auf Berg und Fels auf Fels thürmen und ſeinen Himmel ſtürmen und nicht ruhen und raſten, bis man das teufliſch grauſame Geſpenſt von ſeinem blutigen Schädelthron geſtoßen oder ſelbſt gefallen wäre von ſeinem Blitz‟, dem ſtaunenden König Totila gegenüber die Einleitung gegeben zu einem geſtabreimten Geſang, welchen er dem Odhin in den Mund legt. „Odhin’s Troſt‟ heißt Dahn’s neueſter Roman, auf welchen mit den Verſen vorbe- reitet wird: Es ſeufzt meine Seele in unfäglichem Jammer um des Schmerzengeſchlechts, um der Menſchen Geſchick. Allvater iſt der Mitempfindende, Mitdurchkämpfende, Mitdurch- klagende, der bald den beſiegten beſſern Mann, bald den un- glücklich Liebenden, bald die Wittwe und bald die Waiſen beklagt: All dies Elend, öd und endlos. es empfindet’s mit Allvater. — — Traun, Ein Troſt nur tröſtet die Trauer: Ein Ziel iſt gezeichnet den zahlloſen Zähren, Eine Endzeit. Jch ſegne den Tag, da der ſengende Surtur erbarmend der letzten Menſchen Gebilde zugleich mit der müden Erde zermalmt, da endlich der Quell unerſchöpflicher Qualen verquillt: das letzte menſchliche Herz. Willkommen der Tag! — — Selbſt Theoderich muß ſich gefallen laſſen, zu den anti- chriſtlichen Helden gezählt zu werden. Als den todtkranken König der alte Hildebrand „nicht mit Liebe‟ fragt: „Willſt du wieder die Prieſter rufen laſſen?‟ antwortet der Gothenfürſt: „Nein, ich konnte ſie nicht brauchen. Und ich brauche ſie nicht mehr. — Sie konnten mir nicht helfen.‟ Zeitfragen des chriſtl. Volkslebens. IX. 4. Heft. 4

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/49>, abgerufen am 21.11.2024.