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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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licher Bruder mit den Bestien kämpfen soll, keinen Abhaltungs-
grund gefunden zu haben. An den Beruf des Verfassers wird
der Leser erinnert, wenn er mit dem Professorengezänke über die
echten und unechten Theile des vierten Evangeliums bekannt
gemacht wird. Hausrath ist ebenso wenig im Stande, ernste,
fromme Christen zu zeichnen, als seine Vorgänger Ebers und
Dahn. Derselbe Mangel gibt sich auch in dem Romane "Klytia"
zu erkennen. Dem Titel nach sollte man meinen, daß diese
Geschichte ebenfalls in der alten Welt spiele. Jn diesem Jrrthum
wird man beim ersten Blick durch die hübsche Nachbildung eines
antiken Klytiakopfes bestärkt, mit welchem das Buch geziert ist.
Der Roman spielt aber im 16. Jahrhundert in Heidelberg und
Umgegend. Jesuiten, Calvinisten und Unitarier, die Väter des
Heidelberger Katechismus und der berüchtigte Dr. Erast, Kur-
fürst Friedrich
III. sind die sich gegenseitig beeinflussenden,
resp. bekämpfenden Personen. Klytia ist die Tochter des Erast,
sie verliebt sich in den Kryptojesuiten Paolo Laurenzano aus
Neapel, ihren Lehrer im Stift Neuburg, wird wiedergeliebt
und zuletzt die Gattin des Rom den Rücken kehrenden Jtalieners.
Dieser wird ein schlichter Landpfarrer des genannten Kurfürsten,
obschon der Wiedertäufer Werner, ein "Müller aus dem Kreuz-
zuge und hinter Ziegelhausen" von viel entscheidenderem
Einfluß auf seinen "Glauben" gewesen ist, als die im un-
günstigsten Lichte erscheinende reformirte Geistlichkeit. Nach Haus-
rath sollte man meinen, Unrath sei die Quintessenz der Geschichte
der christlichen Kirche.



Zum Professoren-Roman läßt sich endlich noch der "Roman
aus der römischen Kaiserzeit" "Die Claudier" von Ernst
Eckstein
rechnen. An poetischer Begabung und Gestaltungskraft
steht Eckstein keinem seiner Vorgänger nach, den Professoren Ebers
und Hausrath ist er sogar überlegen. Mit einer Ausnahme weiß
er historisch-wahre Bilder zu zeichnen. Diese eine Ausnahme ist
aber dieselbe, welche wir bei seinen Vorgängern bemerkt haben:
wirkliche Christen zu zeichnen ist Eckstein völlig außer Stande.
Es ist überall nur von der "Lehre Jesu" die Rede. Quintus

licher Bruder mit den Beſtien kämpfen ſoll, keinen Abhaltungs-
grund gefunden zu haben. An den Beruf des Verfaſſers wird
der Leſer erinnert, wenn er mit dem Profeſſorengezänke über die
echten und unechten Theile des vierten Evangeliums bekannt
gemacht wird. Hausrath iſt ebenſo wenig im Stande, ernſte,
fromme Chriſten zu zeichnen, als ſeine Vorgänger Ebers und
Dahn. Derſelbe Mangel gibt ſich auch in dem Romane „Klytia
zu erkennen. Dem Titel nach ſollte man meinen, daß dieſe
Geſchichte ebenfalls in der alten Welt ſpiele. Jn dieſem Jrrthum
wird man beim erſten Blick durch die hübſche Nachbildung eines
antiken Klytiakopfes beſtärkt, mit welchem das Buch geziert iſt.
Der Roman ſpielt aber im 16. Jahrhundert in Heidelberg und
Umgegend. Jeſuiten, Calviniſten und Unitarier, die Väter des
Heidelberger Katechismus und der berüchtigte Dr. Eraſt, Kur-
fürſt Friedrich
III. ſind die ſich gegenſeitig beeinfluſſenden,
reſp. bekämpfenden Perſonen. Klytia iſt die Tochter des Eraſt,
ſie verliebt ſich in den Kryptojeſuiten Paolo Laurenzano aus
Neapel, ihren Lehrer im Stift Neuburg, wird wiedergeliebt
und zuletzt die Gattin des Rom den Rücken kehrenden Jtalieners.
Dieſer wird ein ſchlichter Landpfarrer des genannten Kurfürſten,
obſchon der Wiedertäufer Werner, ein „Müller aus dem Kreuz-
zuge und hinter Ziegelhauſen‟ von viel entſcheidenderem
Einfluß auf ſeinen „Glauben‟ geweſen iſt, als die im un-
günſtigſten Lichte erſcheinende reformirte Geiſtlichkeit. Nach Haus-
rath ſollte man meinen, Unrath ſei die Quinteſſenz der Geſchichte
der chriſtlichen Kirche.



Zum Profeſſoren-Roman läßt ſich endlich noch der „Roman
aus der römiſchen Kaiſerzeit‟ „Die Claudier‟ von Ernſt
Eckſtein
rechnen. An poetiſcher Begabung und Geſtaltungskraft
ſteht Eckſtein keinem ſeiner Vorgänger nach, den Profeſſoren Ebers
und Hausrath iſt er ſogar überlegen. Mit einer Ausnahme weiß
er hiſtoriſch-wahre Bilder zu zeichnen. Dieſe eine Ausnahme iſt
aber dieſelbe, welche wir bei ſeinen Vorgängern bemerkt haben:
wirkliche Chriſten zu zeichnen iſt Eckſtein völlig außer Stande.
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[62 254/0062] licher Bruder mit den Beſtien kämpfen ſoll, keinen Abhaltungs- grund gefunden zu haben. An den Beruf des Verfaſſers wird der Leſer erinnert, wenn er mit dem Profeſſorengezänke über die echten und unechten Theile des vierten Evangeliums bekannt gemacht wird. Hausrath iſt ebenſo wenig im Stande, ernſte, fromme Chriſten zu zeichnen, als ſeine Vorgänger Ebers und Dahn. Derſelbe Mangel gibt ſich auch in dem Romane „Klytia‟ zu erkennen. Dem Titel nach ſollte man meinen, daß dieſe Geſchichte ebenfalls in der alten Welt ſpiele. Jn dieſem Jrrthum wird man beim erſten Blick durch die hübſche Nachbildung eines antiken Klytiakopfes beſtärkt, mit welchem das Buch geziert iſt. Der Roman ſpielt aber im 16. Jahrhundert in Heidelberg und Umgegend. Jeſuiten, Calviniſten und Unitarier, die Väter des Heidelberger Katechismus und der berüchtigte Dr. Eraſt, Kur- fürſt Friedrich III. ſind die ſich gegenſeitig beeinfluſſenden, reſp. bekämpfenden Perſonen. Klytia iſt die Tochter des Eraſt, ſie verliebt ſich in den Kryptojeſuiten Paolo Laurenzano aus Neapel, ihren Lehrer im Stift Neuburg, wird wiedergeliebt und zuletzt die Gattin des Rom den Rücken kehrenden Jtalieners. Dieſer wird ein ſchlichter Landpfarrer des genannten Kurfürſten, obſchon der Wiedertäufer Werner, ein „Müller aus dem Kreuz- zuge und hinter Ziegelhauſen‟ von viel entſcheidenderem Einfluß auf ſeinen „Glauben‟ geweſen iſt, als die im un- günſtigſten Lichte erſcheinende reformirte Geiſtlichkeit. Nach Haus- rath ſollte man meinen, Unrath ſei die Quinteſſenz der Geſchichte der chriſtlichen Kirche. Zum Profeſſoren-Roman läßt ſich endlich noch der „Roman aus der römiſchen Kaiſerzeit‟ „Die Claudier‟ von Ernſt Eckſtein rechnen. An poetiſcher Begabung und Geſtaltungskraft ſteht Eckſtein keinem ſeiner Vorgänger nach, den Profeſſoren Ebers und Hausrath iſt er ſogar überlegen. Mit einer Ausnahme weiß er hiſtoriſch-wahre Bilder zu zeichnen. Dieſe eine Ausnahme iſt aber dieſelbe, welche wir bei ſeinen Vorgängern bemerkt haben: wirkliche Chriſten zu zeichnen iſt Eckſtein völlig außer Stande. Es iſt überall nur von der „Lehre Jeſu‟ die Rede. Quintus

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 62 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/62>, abgerufen am 09.05.2024.