Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).Claudius, der Held des Romans, sagt seinem Vater, der Wir kommen zum Schluß. Das Tagesgespräch, die Gesell- Claudius, der Held des Romans, ſagt ſeinem Vater, der Wir kommen zum Schluß. Das Tagesgeſpräch, die Geſell- <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0063" n="63 255"/><hi rendition="#g">Claudius,</hi> der Held des Romans, ſagt ſeinem Vater, der<lb/> Flamen dialis iſt und ſich als ernſten Römer zu erkennen gibt:<lb/> „Du irrſt, Vater! Wir verehren den Gekreuzigten nicht als Gott,<lb/> ſondern als den Meiſter, der uns die wahre Gottheit enthüllt<lb/> hat.‟ Hat Eckſtein, der ſich nach den ſeinem Roman angehängten<lb/> Noten als ein in den alten Klaſſikern wohlbewanderter Autor<lb/> erweiſt, niemals den berühmten Brief des jüngeren <hi rendition="#g">Plinius</hi> an<lb/> den Kaiſer Trajan geleſen? Dort heißt es aus dem Munde des<lb/> Heiden ausdrücklich: <hi rendition="#aq">carmenque Christo, quasi Deo, dicere<lb/> secum invicem.</hi> — Wenn Eckſtein von dem Opfer auf Golgatha<lb/> nicht mehr zu ſagen weiß, als: „Starb nicht auch Jeſus muthig<lb/> den Kreuzestod, obgleich er wußte, daß den geliebten Eltern das<lb/> Herz zerbrach?‟ ſo iſt für ihn der Tod des HErrn nicht mehr<lb/> als der Tod des Sokrates und anderer überzeugungstreuer<lb/> Männer. — „Unſer Gott wohnt nicht in Tempeln, die von<lb/> Menſchenhänden gemacht ſind: Unſer Gott iſt ein Geiſt, — und<lb/> der Jnbegriff alles deſſen, was in uns, um uns und über uns<lb/> lebt und webt und die Seele mit Schmerz und Wonne erfüllt.<lb/> Er iſt das Licht, das vom Himmel flammt; die Blüthe, die ſich<lb/> dem Lenz erſchließt; die Sehnſucht, die mein Herz an das deine<lb/> drängt (es iſt die Geliebte Cornelia gemeint), und der Todes-<lb/> muth, der mich für die Lehre des Meiſters von Nazareth unge-<lb/> beugt ſterben lehrt.‟ Das alles ſind windige, pantheiſtiſch klin-<lb/> gende Phraſen, wie ſie dem Jnhaber eines proteſtantenvereinlichen<lb/> „Plauderkaſtens‟ zur Bedeckung ſeiner Armuth und Blöße dienen<lb/> können, einem hiſtoriſch denkenden und hiſtoriſch fühlenden Autor<lb/> ſollten aber ſolche grobe Anachronismen nicht unterlaufen. Es<lb/> gehört doch am Ende nicht viel dazu, um zu wiſſen, daß es in den<lb/> Jahrhunderten der Märtyrer noch keinen Proteſtantenverein ge-<lb/> geben hat und daß die Blutzeugen Chriſti ſich nicht auf die ab-<lb/> ſtrakten Lehren eines Meiſters von Nazareth hin als bloße<lb/> „<hi rendition="#g">Nazarener</hi>‟ haben ſchlachten laſſen.</p><lb/> <p>Wir kommen zum Schluß. Das Tagesgeſpräch, die Geſell-<lb/> ſchaft, die oberflächlichen Zeitungsnotizen ſind für viele ein aus-<lb/> reichendes Motiv, um irgend ein Buch der Mode in’s Haus zu<lb/> bringen und zu leſen, vielleicht gar vorzuleſen. Solche geiſtige<lb/></p> </body> </text> </TEI> [63 255/0063]
Claudius, der Held des Romans, ſagt ſeinem Vater, der
Flamen dialis iſt und ſich als ernſten Römer zu erkennen gibt:
„Du irrſt, Vater! Wir verehren den Gekreuzigten nicht als Gott,
ſondern als den Meiſter, der uns die wahre Gottheit enthüllt
hat.‟ Hat Eckſtein, der ſich nach den ſeinem Roman angehängten
Noten als ein in den alten Klaſſikern wohlbewanderter Autor
erweiſt, niemals den berühmten Brief des jüngeren Plinius an
den Kaiſer Trajan geleſen? Dort heißt es aus dem Munde des
Heiden ausdrücklich: carmenque Christo, quasi Deo, dicere
secum invicem. — Wenn Eckſtein von dem Opfer auf Golgatha
nicht mehr zu ſagen weiß, als: „Starb nicht auch Jeſus muthig
den Kreuzestod, obgleich er wußte, daß den geliebten Eltern das
Herz zerbrach?‟ ſo iſt für ihn der Tod des HErrn nicht mehr
als der Tod des Sokrates und anderer überzeugungstreuer
Männer. — „Unſer Gott wohnt nicht in Tempeln, die von
Menſchenhänden gemacht ſind: Unſer Gott iſt ein Geiſt, — und
der Jnbegriff alles deſſen, was in uns, um uns und über uns
lebt und webt und die Seele mit Schmerz und Wonne erfüllt.
Er iſt das Licht, das vom Himmel flammt; die Blüthe, die ſich
dem Lenz erſchließt; die Sehnſucht, die mein Herz an das deine
drängt (es iſt die Geliebte Cornelia gemeint), und der Todes-
muth, der mich für die Lehre des Meiſters von Nazareth unge-
beugt ſterben lehrt.‟ Das alles ſind windige, pantheiſtiſch klin-
gende Phraſen, wie ſie dem Jnhaber eines proteſtantenvereinlichen
„Plauderkaſtens‟ zur Bedeckung ſeiner Armuth und Blöße dienen
können, einem hiſtoriſch denkenden und hiſtoriſch fühlenden Autor
ſollten aber ſolche grobe Anachronismen nicht unterlaufen. Es
gehört doch am Ende nicht viel dazu, um zu wiſſen, daß es in den
Jahrhunderten der Märtyrer noch keinen Proteſtantenverein ge-
geben hat und daß die Blutzeugen Chriſti ſich nicht auf die ab-
ſtrakten Lehren eines Meiſters von Nazareth hin als bloße
„Nazarener‟ haben ſchlachten laſſen.
Wir kommen zum Schluß. Das Tagesgeſpräch, die Geſell-
ſchaft, die oberflächlichen Zeitungsnotizen ſind für viele ein aus-
reichendes Motiv, um irgend ein Buch der Mode in’s Haus zu
bringen und zu leſen, vielleicht gar vorzuleſen. Solche geiſtige
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