Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).der Gesellschaft einmal erkannt hatte, daß die Pharaonentochter Jn einen regelrechten Roman gehören eine oder mehrere der Geſellſchaft einmal erkannt hatte, daß die Pharaonentochter Jn einen regelrechten Roman gehören eine oder mehrere <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0008" n="8 200"/> der Geſellſchaft einmal erkannt hatte, daß die Pharaonentochter<lb/> Nitetis nach ihrem Fühlen und Denken gar nichts hatte, was an<lb/> die abgeſchloſſene, eigenartige, egyptiſche Welt erinnerte, und<lb/> nachdem man in der nach ihrer Großtante genannten <hi rendition="#g">Sappho</hi><lb/> ſo manche jugendliche, wohlerzogene Dame des Bekanntenkreiſes<lb/> zu finden glaubte, ſah man dem verſchleierten „Bild von Sais‟,<lb/> welches mit einem egyptiſchen Romane geboten wurde, freundlich<lb/> in’s deutſche Geſicht des 19. Jahrhunderts und lernte den an-<lb/> ſpruchsloſen Verfaſſer lieb gewinnen. Dieſer ſelbſt ſorgte mit<lb/> ſchönſter Aufrichtigkeit dafür, daß man ihn in weiteſten Kreiſen<lb/> verſtehen konnte. Sagt er doch ſelbſt: „Hätte ich rein antike<lb/> Menſchen und Zuſtände ſchildern wollen, ſo würde ich für den<lb/> modernen Leſer theils unverſtändlich, theils ungenießbar geworden<lb/> ſein und alſo meinen Zweck verfehlt haben.‟ Sein Zweck war<lb/> aber, unter Verwendung orientaliſcher Couliſſen und Koſtüme<lb/> und unter Benutzung einzelner hiſtoriſcher Namen Perſonen auf-<lb/> treten zu laſſen, die erfüllt ſind von den Grundanſchauungen der<lb/> Zeit und des Landes, in denen die Leſer und der Autor ſelbſt<lb/> geboren ſind. Wenn der Roman alſo 528 vor Chriſtus beginnt<lb/> und in <hi rendition="#g">Egypten, Perſien</hi> und <hi rendition="#g">Kleinaſien</hi> ſpielt, ſo kann<lb/> man getroſt an das Jahr 1864 und an Deutſchland denken.<lb/> Der Autor weiß auch durch ganz moderne Lokaltöne den Leſer<lb/> vor ernſtlichem Sichvertiefen in die nebelgraue Vorzeit der Könige<lb/><hi rendition="#g">Kambyſes</hi> und <hi rendition="#g">Amaſis</hi> und des Tyrannen <hi rendition="#g">Polykrates</hi><lb/> zu bewahren und ihn in der hellen Gegenwart zu erhalten. Die<lb/> ehemalige Hetäre <hi rendition="#g">Rhodopis</hi> hat ihre regelmäßigen „Empfangs-<lb/> abende‟, die äußerlich durch eine ausgeſteckte Fahne bemerkbar<lb/> ſind. „Eine ſehr umſichtige und ſtrenge Polizei‟, insbeſondere ein<lb/> veritables „Gensdarmeriecorps‟ handhabte die öffentliche Sicher-<lb/> heit. Bei gemeinnützigen Unternehmungen wird „gezeichnet‟.<lb/> Jm Kriege ſehen wir „Jnfanteriſten‟ und von <hi rendition="#g">Bartja,</hi> dem<lb/> Bruder des Kambyſes, erfahren wir, daß er „das perſiſche Garde-<lb/> reiterregiment und die ganz gepanzerte Kavallerie führen ſollte‟.</p><lb/> <p>Jn einen regelrechten Roman gehören eine oder mehrere<lb/> Liebesgeſchichten. Jm vorliegenden Romane iſt es die Liebe der<lb/> bereits genannten Sappho zu dem Prinzen Bartja, welche das<lb/></p> </body> </text> </TEI> [8 200/0008]
der Geſellſchaft einmal erkannt hatte, daß die Pharaonentochter
Nitetis nach ihrem Fühlen und Denken gar nichts hatte, was an
die abgeſchloſſene, eigenartige, egyptiſche Welt erinnerte, und
nachdem man in der nach ihrer Großtante genannten Sappho
ſo manche jugendliche, wohlerzogene Dame des Bekanntenkreiſes
zu finden glaubte, ſah man dem verſchleierten „Bild von Sais‟,
welches mit einem egyptiſchen Romane geboten wurde, freundlich
in’s deutſche Geſicht des 19. Jahrhunderts und lernte den an-
ſpruchsloſen Verfaſſer lieb gewinnen. Dieſer ſelbſt ſorgte mit
ſchönſter Aufrichtigkeit dafür, daß man ihn in weiteſten Kreiſen
verſtehen konnte. Sagt er doch ſelbſt: „Hätte ich rein antike
Menſchen und Zuſtände ſchildern wollen, ſo würde ich für den
modernen Leſer theils unverſtändlich, theils ungenießbar geworden
ſein und alſo meinen Zweck verfehlt haben.‟ Sein Zweck war
aber, unter Verwendung orientaliſcher Couliſſen und Koſtüme
und unter Benutzung einzelner hiſtoriſcher Namen Perſonen auf-
treten zu laſſen, die erfüllt ſind von den Grundanſchauungen der
Zeit und des Landes, in denen die Leſer und der Autor ſelbſt
geboren ſind. Wenn der Roman alſo 528 vor Chriſtus beginnt
und in Egypten, Perſien und Kleinaſien ſpielt, ſo kann
man getroſt an das Jahr 1864 und an Deutſchland denken.
Der Autor weiß auch durch ganz moderne Lokaltöne den Leſer
vor ernſtlichem Sichvertiefen in die nebelgraue Vorzeit der Könige
Kambyſes und Amaſis und des Tyrannen Polykrates
zu bewahren und ihn in der hellen Gegenwart zu erhalten. Die
ehemalige Hetäre Rhodopis hat ihre regelmäßigen „Empfangs-
abende‟, die äußerlich durch eine ausgeſteckte Fahne bemerkbar
ſind. „Eine ſehr umſichtige und ſtrenge Polizei‟, insbeſondere ein
veritables „Gensdarmeriecorps‟ handhabte die öffentliche Sicher-
heit. Bei gemeinnützigen Unternehmungen wird „gezeichnet‟.
Jm Kriege ſehen wir „Jnfanteriſten‟ und von Bartja, dem
Bruder des Kambyſes, erfahren wir, daß er „das perſiſche Garde-
reiterregiment und die ganz gepanzerte Kavallerie führen ſollte‟.
Jn einen regelrechten Roman gehören eine oder mehrere
Liebesgeſchichten. Jm vorliegenden Romane iſt es die Liebe der
bereits genannten Sappho zu dem Prinzen Bartja, welche das
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