Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888."Sehr gut gesagt, sehr gut gesagt, Beyer". Als nach einer Pause Johannes Timpe diese Worte Und wenn man die Empfindung Krusemeyers schildern "Die erfolgreichste Erziehung beim Menschen wird immer "Wer sich aber selbst erziehen will, Meister, muß vor „Sehr gut geſagt, ſehr gut geſagt, Beyer“. Als nach einer Pauſe Johannes Timpe dieſe Worte Und wenn man die Empfindung Kruſemeyers ſchildern „Die erfolgreichſte Erziehung beim Menſchen wird immer „Wer ſich aber ſelbſt erziehen will, Meiſter, muß vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0100" n="88"/> <p>„Sehr gut geſagt, ſehr gut geſagt, Beyer“.</p><lb/> <p>Als nach einer Pauſe Johannes Timpe dieſe Worte<lb/> hervorbrachte, geſchah es ungefähr in dem Tone eines<lb/> Menſchen, deſſen Gefühl berührt worden iſt, der aber die<lb/> Wahrheit der vernommenen Lehrpredigt noch nicht zugeben<lb/> will. Sicher aber iſt, daß der Drechslermeiſter mit Auf¬<lb/> merkſamkeit ſeinem Geſellen zugehört hatte und ſehr bewegt<lb/> geworden war; nicht minder ſeine getreue Ehehälfte. Sie<lb/> hatte mehrmals ſtumm vor ſich hingenickt und einmal ſogar<lb/> einen Seufzer ausgeſtoßen, der mehr als viele Worte ſagte.</p><lb/> <p>Und wenn man die Empfindung Kruſemeyers ſchildern<lb/> wollte, ſo würde man dieſelbe am beſten mit derjenigen eines<lb/> Leichenbitters vergleichen, der an einer offenen Gruft ſteht<lb/> und ſoeben ein über Erwarten hohes Trinkgeld bekommen<lb/> hat, das ſeine ganze Herzensfreude bildet, jedoch nicht zuläßt,<lb/> im Augenblick dem Geſichte eine andere als eine traurige Miene<lb/> zu geben. Um aber durch irgend etwas ſeine Sympathie für<lb/> den Sprecher Ausdruck zu geben, brachte er mehrmals die<lb/> Sohle ſeines rechten Stiefels ſehr kräftig mit der Spitze von<lb/> Beyers linken in Berührung — eine Aufmunterung, die in<lb/> Worten übertragen, ungefähr gelautet haben würde: Immer<lb/> tüchtig drauf los, ſo iſt's recht, Junge!</p><lb/> <p>„Die erfolgreichſte Erziehung beim Menſchen wird immer<lb/> die Selbſterziehung bleiben“, hub Johannes Timpe wieder<lb/> an zu ſprechen. Oft werden die beſten Menſchen diejenigen,<lb/> die durch Thorheit und Leichtſinn dereinſt zur Erkenntniß<lb/> kommen. Jugend hat keine Tugend und muß austoben.“</p><lb/> <p>„Wer ſich aber ſelbſt erziehen will, Meiſter, muß vor<lb/> Allem ein Charakter ſein. Er muß beweiſen, daß er nicht zu<lb/> Grunde gehen würde, auch wenn er ganz allein daſtünde.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0100]
„Sehr gut geſagt, ſehr gut geſagt, Beyer“.
Als nach einer Pauſe Johannes Timpe dieſe Worte
hervorbrachte, geſchah es ungefähr in dem Tone eines
Menſchen, deſſen Gefühl berührt worden iſt, der aber die
Wahrheit der vernommenen Lehrpredigt noch nicht zugeben
will. Sicher aber iſt, daß der Drechslermeiſter mit Auf¬
merkſamkeit ſeinem Geſellen zugehört hatte und ſehr bewegt
geworden war; nicht minder ſeine getreue Ehehälfte. Sie
hatte mehrmals ſtumm vor ſich hingenickt und einmal ſogar
einen Seufzer ausgeſtoßen, der mehr als viele Worte ſagte.
Und wenn man die Empfindung Kruſemeyers ſchildern
wollte, ſo würde man dieſelbe am beſten mit derjenigen eines
Leichenbitters vergleichen, der an einer offenen Gruft ſteht
und ſoeben ein über Erwarten hohes Trinkgeld bekommen
hat, das ſeine ganze Herzensfreude bildet, jedoch nicht zuläßt,
im Augenblick dem Geſichte eine andere als eine traurige Miene
zu geben. Um aber durch irgend etwas ſeine Sympathie für
den Sprecher Ausdruck zu geben, brachte er mehrmals die
Sohle ſeines rechten Stiefels ſehr kräftig mit der Spitze von
Beyers linken in Berührung — eine Aufmunterung, die in
Worten übertragen, ungefähr gelautet haben würde: Immer
tüchtig drauf los, ſo iſt's recht, Junge!
„Die erfolgreichſte Erziehung beim Menſchen wird immer
die Selbſterziehung bleiben“, hub Johannes Timpe wieder
an zu ſprechen. Oft werden die beſten Menſchen diejenigen,
die durch Thorheit und Leichtſinn dereinſt zur Erkenntniß
kommen. Jugend hat keine Tugend und muß austoben.“
„Wer ſich aber ſelbſt erziehen will, Meiſter, muß vor
Allem ein Charakter ſein. Er muß beweiſen, daß er nicht zu
Grunde gehen würde, auch wenn er ganz allein daſtünde.
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