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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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"Sie sind ein großer Geist," meinte ich.

"Das können Sie einem Anderen vorreden! Ich habe
wohl gehört, was Sie gesagt haben! Der kleine Mann wird
Ihnen eines Tages nach eine Nuß aufzuknacken geben . . Wir
kennen uns nicht mehr."

"Mir sehr angenehm."

Nach dieser Unterhaltung war das bisherige geheime
Mißtrauen, das Timpe und Urban gegen einander hegten,
zum ersten Male zur offenen Feindschaft ausgeartet. Und
wenn diese leichte Plänkelei vorerst auch eines humoristischen
Anstrichs nicht entbehrte, so war doch vorauszusehen, daß der
Riß sich immer mehr und mehr erweitern werde. Meister
Timpe namentlich hatte dieses Gefühl. Er kam sich plötzlich
sehr erleichtert vor, freute sich sogar, daß endlich die Stunde
gekommen war, wo er eine bestimmte Haltung dem Nachbar
gegenüber einnehmen konnte. Ein plötzlicher Trotz, der seine
bisherige Sanftmuth nicht wieder erkennen ließ, war über ihn
gekommen. Sein stilles Philosophiren, dem er sich so oft in
einsamen Stunden hoch oben auf der "Warte" hingegeben
hatte, durfte sich nun in eine praktische Bethätigung ver¬
wandeln. Die ewige Ahnung, die ihm zuraunte, daß ihm
von dem Nachbar in geschäftlicher Beziehung noch großes
Unheil drohen werde, hatte er bisher stumm mit sich herum¬
tragen müssen. Nun konnte er wenigstens ein freies Wort
führen, seinem Herzen einmal gehörig Luft machen. Dieser
geriebene Herr jenseits der Mauer hatte ihm heute sehr
deutlich zu verstehen gegeben, daß hinter seiner Höflichkeit
und Herablassung nur die Sucht nach geschäftlichem Vortheil
sich verborgen halte. In diesen Minuten der Erregung vergaß
er sogar ganz das Verhältniß seines Sohnes zu Urban,

„Sie ſind ein großer Geiſt,“ meinte ich.

„Das können Sie einem Anderen vorreden! Ich habe
wohl gehört, was Sie geſagt haben! Der kleine Mann wird
Ihnen eines Tages nach eine Nuß aufzuknacken geben . . Wir
kennen uns nicht mehr.“

„Mir ſehr angenehm.“

Nach dieſer Unterhaltung war das bisherige geheime
Mißtrauen, das Timpe und Urban gegen einander hegten,
zum erſten Male zur offenen Feindſchaft ausgeartet. Und
wenn dieſe leichte Plänkelei vorerſt auch eines humoriſtiſchen
Anſtrichs nicht entbehrte, ſo war doch vorauszuſehen, daß der
Riß ſich immer mehr und mehr erweitern werde. Meiſter
Timpe namentlich hatte dieſes Gefühl. Er kam ſich plötzlich
ſehr erleichtert vor, freute ſich ſogar, daß endlich die Stunde
gekommen war, wo er eine beſtimmte Haltung dem Nachbar
gegenüber einnehmen konnte. Ein plötzlicher Trotz, der ſeine
bisherige Sanftmuth nicht wieder erkennen ließ, war über ihn
gekommen. Sein ſtilles Philoſophiren, dem er ſich ſo oft in
einſamen Stunden hoch oben auf der „Warte“ hingegeben
hatte, durfte ſich nun in eine praktiſche Bethätigung ver¬
wandeln. Die ewige Ahnung, die ihm zuraunte, daß ihm
von dem Nachbar in geſchäftlicher Beziehung noch großes
Unheil drohen werde, hatte er bisher ſtumm mit ſich herum¬
tragen müſſen. Nun konnte er wenigſtens ein freies Wort
führen, ſeinem Herzen einmal gehörig Luft machen. Dieſer
geriebene Herr jenſeits der Mauer hatte ihm heute ſehr
deutlich zu verſtehen gegeben, daß hinter ſeiner Höflichkeit
und Herablaſſung nur die Sucht nach geſchäftlichem Vortheil
ſich verborgen halte. In dieſen Minuten der Erregung vergaß
er ſogar ganz das Verhältniß ſeines Sohnes zu Urban,

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[98/0110] „Sie ſind ein großer Geiſt,“ meinte ich. „Das können Sie einem Anderen vorreden! Ich habe wohl gehört, was Sie geſagt haben! Der kleine Mann wird Ihnen eines Tages nach eine Nuß aufzuknacken geben . . Wir kennen uns nicht mehr.“ „Mir ſehr angenehm.“ Nach dieſer Unterhaltung war das bisherige geheime Mißtrauen, das Timpe und Urban gegen einander hegten, zum erſten Male zur offenen Feindſchaft ausgeartet. Und wenn dieſe leichte Plänkelei vorerſt auch eines humoriſtiſchen Anſtrichs nicht entbehrte, ſo war doch vorauszuſehen, daß der Riß ſich immer mehr und mehr erweitern werde. Meiſter Timpe namentlich hatte dieſes Gefühl. Er kam ſich plötzlich ſehr erleichtert vor, freute ſich ſogar, daß endlich die Stunde gekommen war, wo er eine beſtimmte Haltung dem Nachbar gegenüber einnehmen konnte. Ein plötzlicher Trotz, der ſeine bisherige Sanftmuth nicht wieder erkennen ließ, war über ihn gekommen. Sein ſtilles Philoſophiren, dem er ſich ſo oft in einſamen Stunden hoch oben auf der „Warte“ hingegeben hatte, durfte ſich nun in eine praktiſche Bethätigung ver¬ wandeln. Die ewige Ahnung, die ihm zuraunte, daß ihm von dem Nachbar in geſchäftlicher Beziehung noch großes Unheil drohen werde, hatte er bisher ſtumm mit ſich herum¬ tragen müſſen. Nun konnte er wenigſtens ein freies Wort führen, ſeinem Herzen einmal gehörig Luft machen. Dieſer geriebene Herr jenſeits der Mauer hatte ihm heute ſehr deutlich zu verſtehen gegeben, daß hinter ſeiner Höflichkeit und Herablaſſung nur die Sucht nach geſchäftlichem Vortheil ſich verborgen halte. In dieſen Minuten der Erregung vergaß er ſogar ganz das Verhältniß ſeines Sohnes zu Urban,

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/110>, abgerufen am 21.11.2024.