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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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haben sollst. Er hat mir den Vorgang zwischen Euch Beiden
erzählt. Und um Dir zu beweisen, daß er dem Sohne das
nicht entgelten lassen will, was der Vater ihm angethan hat,
hat er mich heute Abend zu einer kleinen Gesellschaft, die
bei ihm stattfindet, eingeladen. Von unserem Per¬
sonal ist außer dem Geschäftsführer nur noch mir
diese Ehre zu Theil geworden . . . Es ist kein Frackzwang,
wie man zu sagen pflegt; ich werde in meinem schwarzen
Gehrock erscheinen und wie ich glaube, sehr gut aussehen.
Ich bitte Dich daher, jetzt nicht so viele Fragen zu stellen,
da ich noch mancherlei Vorbereitungen zu treffen habe. Ich
bin ohnedies ärgerlich darüber, daß gerade heute diese Zänkerei
zwischen Euch stattfinden mußte. Daß die Eltern niemals
einsehen wollen, wie sehr sie ihre Kinder schädigen, wenn sie
mit dem moderen Bildungsgang nicht gleichen Schritt halten.
Die Kleinen müssen den Großen hübsch nachgeben . . . .
Sei so freundlich und gieb mir etwas klein Geld, vielleicht
ein Zwanzigmarkstück. Es fehlen mir noch Kravatte, Hand¬
schuhe und andere Kleinigkeiten."

Timpe war wie umgewandelt: der Vaterstolz beseelte
ihn wieder. Sein Sohn in einer Gesellschaft bei Urban --
das genügte! Er ging sofort nach dem altmodischen Schreib¬
sekretär und langte in die Kassette, dann sagte er:

"Hör' mal, ich glaube wirklich, daß ich etwas übereilt
gehandelt habe. Sieh' nur zu, daß Du die Geschichte wieder
ins rechte Geleise bringen kannst . . . Soll ich Dir vielleicht
den Gang abnehmen und Kravatte und Handschuhe selbst be¬
sorgen? . . . Es ist nicht weit."

Franz machte seinem Vater die nöthigen Angaben und
ließ ihn gehen. Nach einer Viertelstunde bereits kehrte der

haben ſollſt. Er hat mir den Vorgang zwiſchen Euch Beiden
erzählt. Und um Dir zu beweiſen, daß er dem Sohne das
nicht entgelten laſſen will, was der Vater ihm angethan hat,
hat er mich heute Abend zu einer kleinen Geſellſchaft, die
bei ihm ſtattfindet, eingeladen. Von unſerem Per¬
ſonal iſt außer dem Geſchäftsführer nur noch mir
dieſe Ehre zu Theil geworden . . . Es iſt kein Frackzwang,
wie man zu ſagen pflegt; ich werde in meinem ſchwarzen
Gehrock erſcheinen und wie ich glaube, ſehr gut ausſehen.
Ich bitte Dich daher, jetzt nicht ſo viele Fragen zu ſtellen,
da ich noch mancherlei Vorbereitungen zu treffen habe. Ich
bin ohnedies ärgerlich darüber, daß gerade heute dieſe Zänkerei
zwiſchen Euch ſtattfinden mußte. Daß die Eltern niemals
einſehen wollen, wie ſehr ſie ihre Kinder ſchädigen, wenn ſie
mit dem moderen Bildungsgang nicht gleichen Schritt halten.
Die Kleinen müſſen den Großen hübſch nachgeben . . . .
Sei ſo freundlich und gieb mir etwas klein Geld, vielleicht
ein Zwanzigmarkſtück. Es fehlen mir noch Kravatte, Hand¬
ſchuhe und andere Kleinigkeiten.“

Timpe war wie umgewandelt: der Vaterſtolz beſeelte
ihn wieder. Sein Sohn in einer Geſellſchaft bei Urban —
das genügte! Er ging ſofort nach dem altmodiſchen Schreib¬
ſekretär und langte in die Kaſſette, dann ſagte er:

„Hör' mal, ich glaube wirklich, daß ich etwas übereilt
gehandelt habe. Sieh' nur zu, daß Du die Geſchichte wieder
ins rechte Geleiſe bringen kannſt . . . Soll ich Dir vielleicht
den Gang abnehmen und Kravatte und Handſchuhe ſelbſt be¬
ſorgen? . . . Es iſt nicht weit.“

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[100/0112] haben ſollſt. Er hat mir den Vorgang zwiſchen Euch Beiden erzählt. Und um Dir zu beweiſen, daß er dem Sohne das nicht entgelten laſſen will, was der Vater ihm angethan hat, hat er mich heute Abend zu einer kleinen Geſellſchaft, die bei ihm ſtattfindet, eingeladen. Von unſerem Per¬ ſonal iſt außer dem Geſchäftsführer nur noch mir dieſe Ehre zu Theil geworden . . . Es iſt kein Frackzwang, wie man zu ſagen pflegt; ich werde in meinem ſchwarzen Gehrock erſcheinen und wie ich glaube, ſehr gut ausſehen. Ich bitte Dich daher, jetzt nicht ſo viele Fragen zu ſtellen, da ich noch mancherlei Vorbereitungen zu treffen habe. Ich bin ohnedies ärgerlich darüber, daß gerade heute dieſe Zänkerei zwiſchen Euch ſtattfinden mußte. Daß die Eltern niemals einſehen wollen, wie ſehr ſie ihre Kinder ſchädigen, wenn ſie mit dem moderen Bildungsgang nicht gleichen Schritt halten. Die Kleinen müſſen den Großen hübſch nachgeben . . . . Sei ſo freundlich und gieb mir etwas klein Geld, vielleicht ein Zwanzigmarkſtück. Es fehlen mir noch Kravatte, Hand¬ ſchuhe und andere Kleinigkeiten.“ Timpe war wie umgewandelt: der Vaterſtolz beſeelte ihn wieder. Sein Sohn in einer Geſellſchaft bei Urban — das genügte! Er ging ſofort nach dem altmodiſchen Schreib¬ ſekretär und langte in die Kaſſette, dann ſagte er: „Hör' mal, ich glaube wirklich, daß ich etwas übereilt gehandelt habe. Sieh' nur zu, daß Du die Geſchichte wieder ins rechte Geleiſe bringen kannſt . . . Soll ich Dir vielleicht den Gang abnehmen und Kravatte und Handſchuhe ſelbſt be¬ ſorgen? . . . Es iſt nicht weit.“ Franz machte ſeinem Vater die nöthigen Angaben und ließ ihn gehen. Nach einer Viertelſtunde bereits kehrte der

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/112>, abgerufen am 24.11.2024.