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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Alte, beladen mit mehreren Kartons zurück. Er war so ge¬
laufen, daß ihm trotz der Kälte der Schweiß auf der
Stirn stand.

"Hier, mein Junge -- da kannst Du Dir nach Belieben
aussuchen. Ich habe Pfand gelassen, um es Dir bequemer zu
machen."

Während der nächsten halben Stunde wurde die Welt
vergessen, um der Toilette Franzen's willen. Johannes bür¬
stete eigenhändig den schwarzen Gehrock säuberlich ab, und
Frau Karoline prüfte zehn Minuten lang die aufgeschichteten
Plätthemden, ehe sie eins auswählte, das ihrer Meinung nach
am tadellosesten war. Was in den seltensten Fällen vorkam,
das geschah heute: außer der Tischlampe mußten noch die bei¬
den großen Kugellampen, die auf dem Spinde standen, ihr
Licht in der guten Stube leuchten lassen; denn um dem
Großvater nicht wieder Veranlassung zu allerlei Bemerkun¬
gen zu geben, mußte die Toilette in diesem Zimmer vor sich
gehen.

Timpe und sein Weib überboten sich förmlich in Aufmerk¬
samkeiten ihrem Einzigen gegenüber. Alle Augenblicke klang
es an Franzen's Ohr:

"Brauchst Du auch noch etwas? ... Kann ich Dir noch
behülflich sein? ... Vergiß nur nichts ..."

Die Kravatte wollte nicht recht sitzen; sofort waren vier
Hände bereit, den lang herabfallenden weißen Knoten in die
gehörige Lage zu bringen; und der Meister zog die Binde
hinten am Stehkragen so fest zu, daß seinem Sohne förmlich
der Hals zugeschnürt wurde. Und während der ganzen An¬
kleidungsscene stand Franz wie ein junger Gott vor dem
großen altväterischen Trumeau und betrachtete sich mit Wohl¬

Alte, beladen mit mehreren Kartons zurück. Er war ſo ge¬
laufen, daß ihm trotz der Kälte der Schweiß auf der
Stirn ſtand.

„Hier, mein Junge — da kannſt Du Dir nach Belieben
ausſuchen. Ich habe Pfand gelaſſen, um es Dir bequemer zu
machen.“

Während der nächſten halben Stunde wurde die Welt
vergeſſen, um der Toilette Franzen's willen. Johannes bür¬
ſtete eigenhändig den ſchwarzen Gehrock ſäuberlich ab, und
Frau Karoline prüfte zehn Minuten lang die aufgeſchichteten
Plätthemden, ehe ſie eins auswählte, das ihrer Meinung nach
am tadelloſeſten war. Was in den ſeltenſten Fällen vorkam,
das geſchah heute: außer der Tiſchlampe mußten noch die bei¬
den großen Kugellampen, die auf dem Spinde ſtanden, ihr
Licht in der guten Stube leuchten laſſen; denn um dem
Großvater nicht wieder Veranlaſſung zu allerlei Bemerkun¬
gen zu geben, mußte die Toilette in dieſem Zimmer vor ſich
gehen.

Timpe und ſein Weib überboten ſich förmlich in Aufmerk¬
ſamkeiten ihrem Einzigen gegenüber. Alle Augenblicke klang
es an Franzen's Ohr:

„Brauchſt Du auch noch etwas? ... Kann ich Dir noch
behülflich ſein? ... Vergiß nur nichts ...“

Die Kravatte wollte nicht recht ſitzen; ſofort waren vier
Hände bereit, den lang herabfallenden weißen Knoten in die
gehörige Lage zu bringen; und der Meiſter zog die Binde
hinten am Stehkragen ſo feſt zu, daß ſeinem Sohne förmlich
der Hals zugeſchnürt wurde. Und während der ganzen An¬
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[101/0113] Alte, beladen mit mehreren Kartons zurück. Er war ſo ge¬ laufen, daß ihm trotz der Kälte der Schweiß auf der Stirn ſtand. „Hier, mein Junge — da kannſt Du Dir nach Belieben ausſuchen. Ich habe Pfand gelaſſen, um es Dir bequemer zu machen.“ Während der nächſten halben Stunde wurde die Welt vergeſſen, um der Toilette Franzen's willen. Johannes bür¬ ſtete eigenhändig den ſchwarzen Gehrock ſäuberlich ab, und Frau Karoline prüfte zehn Minuten lang die aufgeſchichteten Plätthemden, ehe ſie eins auswählte, das ihrer Meinung nach am tadelloſeſten war. Was in den ſeltenſten Fällen vorkam, das geſchah heute: außer der Tiſchlampe mußten noch die bei¬ den großen Kugellampen, die auf dem Spinde ſtanden, ihr Licht in der guten Stube leuchten laſſen; denn um dem Großvater nicht wieder Veranlaſſung zu allerlei Bemerkun¬ gen zu geben, mußte die Toilette in dieſem Zimmer vor ſich gehen. Timpe und ſein Weib überboten ſich förmlich in Aufmerk¬ ſamkeiten ihrem Einzigen gegenüber. Alle Augenblicke klang es an Franzen's Ohr: „Brauchſt Du auch noch etwas? ... Kann ich Dir noch behülflich ſein? ... Vergiß nur nichts ...“ Die Kravatte wollte nicht recht ſitzen; ſofort waren vier Hände bereit, den lang herabfallenden weißen Knoten in die gehörige Lage zu bringen; und der Meiſter zog die Binde hinten am Stehkragen ſo feſt zu, daß ſeinem Sohne förmlich der Hals zugeſchnürt wurde. Und während der ganzen An¬ kleidungsſcene ſtand Franz wie ein junger Gott vor dem großen altväteriſchen Trumeau und betrachtete ſich mit Wohl¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/113>, abgerufen am 21.11.2024.