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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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erscheinen. Was mich betrifft, so will ich es von jetzt ab
Niemand verschweigen, daß ich Herrn Timpe sehr zugethan
bin. Gewisse Leute aber haben sich gar nicht darum zu
kümmern, am allerwenigsten alte wunderliche Herren, die
auf Gummischuhen herangeschlichen kommen, um den Spion
zu spielen."

Franz war entsetzt über diese Worte; während seine Augen
von dem jungen Mädchen zu seinem Chef irrten, sagte er:

"Aber Fräulein Emma, Sie vergessen sich!"

Urban aber schien den Groll seiner jüngsten Stieftochter
nicht besonders tragisch aufzufassen.

"Sehen Sie, lieber Timpe," begann er ruhig, "da haben
Sie das Resultat einer falschen Erziehung; nehmen Sie sich
ein Beispiel daran, wenn Sie dereinst Kinder haben sollten.
So etwas muß man sich gefallen lassen, wenn man drei er¬
wachsene Töchter mitgeheirathet hat, die einen um Kopfes¬
länge überragen. Ich soll ein Spion sein, soll auf Gummischuhen
daherschleichen, der ich in meinem Leben keine getragen habe!
... Was soll ich darauf erwidern? Soll ich mich ärgern?
Ich weiß wohl, daß viele Menschen es gern sehen würden,
aber ich thue ihnen nicht den Gefallen! Es ist Prinzip bei
mir, mich nicht zu ärgern; denn ich habe in meinem
Leben keinen Pfennig dabei verdient; und ein sehr
schlechter Kaufmann, der Zeit auf Dinge verwendet
die ihm nichts einbringen ... Ihnen bin ich nicht böse.
Kommen Sie, ich habe mit Ihnen zu reden ... Un¬
verständige junge Mädchen überläßt man am besten dem
Alleinsein."

Und wie am heutigen Abend bereits einmal, erfaßte er
den Arm seines Lehrlings und zog diesen mit sich fort in

erſcheinen. Was mich betrifft, ſo will ich es von jetzt ab
Niemand verſchweigen, daß ich Herrn Timpe ſehr zugethan
bin. Gewiſſe Leute aber haben ſich gar nicht darum zu
kümmern, am allerwenigſten alte wunderliche Herren, die
auf Gummiſchuhen herangeſchlichen kommen, um den Spion
zu ſpielen.“

Franz war entſetzt über dieſe Worte; während ſeine Augen
von dem jungen Mädchen zu ſeinem Chef irrten, ſagte er:

„Aber Fräulein Emma, Sie vergeſſen ſich!“

Urban aber ſchien den Groll ſeiner jüngſten Stieftochter
nicht beſonders tragiſch aufzufaſſen.

„Sehen Sie, lieber Timpe,“ begann er ruhig, „da haben
Sie das Reſultat einer falſchen Erziehung; nehmen Sie ſich
ein Beiſpiel daran, wenn Sie dereinſt Kinder haben ſollten.
So etwas muß man ſich gefallen laſſen, wenn man drei er¬
wachſene Töchter mitgeheirathet hat, die einen um Kopfes¬
länge überragen. Ich ſoll ein Spion ſein, ſoll auf Gummiſchuhen
daherſchleichen, der ich in meinem Leben keine getragen habe!
... Was ſoll ich darauf erwidern? Soll ich mich ärgern?
Ich weiß wohl, daß viele Menſchen es gern ſehen würden,
aber ich thue ihnen nicht den Gefallen! Es iſt Prinzip bei
mir, mich nicht zu ärgern; denn ich habe in meinem
Leben keinen Pfennig dabei verdient; und ein ſehr
ſchlechter Kaufmann, der Zeit auf Dinge verwendet
die ihm nichts einbringen ... Ihnen bin ich nicht böſe.
Kommen Sie, ich habe mit Ihnen zu reden ... Un¬
verſtändige junge Mädchen überläßt man am beſten dem
Alleinſein.“

Und wie am heutigen Abend bereits einmal, erfaßte er
den Arm ſeines Lehrlings und zog dieſen mit ſich fort in

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[118/0130] erſcheinen. Was mich betrifft, ſo will ich es von jetzt ab Niemand verſchweigen, daß ich Herrn Timpe ſehr zugethan bin. Gewiſſe Leute aber haben ſich gar nicht darum zu kümmern, am allerwenigſten alte wunderliche Herren, die auf Gummiſchuhen herangeſchlichen kommen, um den Spion zu ſpielen.“ Franz war entſetzt über dieſe Worte; während ſeine Augen von dem jungen Mädchen zu ſeinem Chef irrten, ſagte er: „Aber Fräulein Emma, Sie vergeſſen ſich!“ Urban aber ſchien den Groll ſeiner jüngſten Stieftochter nicht beſonders tragiſch aufzufaſſen. „Sehen Sie, lieber Timpe,“ begann er ruhig, „da haben Sie das Reſultat einer falſchen Erziehung; nehmen Sie ſich ein Beiſpiel daran, wenn Sie dereinſt Kinder haben ſollten. So etwas muß man ſich gefallen laſſen, wenn man drei er¬ wachſene Töchter mitgeheirathet hat, die einen um Kopfes¬ länge überragen. Ich ſoll ein Spion ſein, ſoll auf Gummiſchuhen daherſchleichen, der ich in meinem Leben keine getragen habe! ... Was ſoll ich darauf erwidern? Soll ich mich ärgern? Ich weiß wohl, daß viele Menſchen es gern ſehen würden, aber ich thue ihnen nicht den Gefallen! Es iſt Prinzip bei mir, mich nicht zu ärgern; denn ich habe in meinem Leben keinen Pfennig dabei verdient; und ein ſehr ſchlechter Kaufmann, der Zeit auf Dinge verwendet die ihm nichts einbringen ... Ihnen bin ich nicht böſe. Kommen Sie, ich habe mit Ihnen zu reden ... Un¬ verſtändige junge Mädchen überläßt man am beſten dem Alleinſein.“ Und wie am heutigen Abend bereits einmal, erfaßte er den Arm ſeines Lehrlings und zog dieſen mit ſich fort in

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/130>, abgerufen am 21.11.2024.