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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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vergangen waren, hatte Urban dieses Opfer mit schwerem
Herzen gebracht. Aber er fürchtete in dieser Zeit die Launen
seiner Leute und versuchte daher Alles aufzubieten, sich als
entgegenkommender Chef zu zeigen. Bereits acht Tage vorher
hatte auch Meister Timpe eine Einladung zu der Feierlich¬
keit erhalten. Und Franz, der zum Oktober des ver¬
gangenen Jahres seine Lehrzeit beendet hatte und seit diesem
Tage den würdigen Mann spielte, hatte noch extra im Namen
seines Chefs der schriftlichen Einladung eine mündliche hinzu¬
gefügt. Wohlweislich verschwieg er dabei, daß Johannes diese
Auszeichnung eigentlich nur seiner Fürsprache zu verdanken
hatte, denn Urban hatte ziemlich deutlich zu verstehen gegeben,
daß ihm seit der eingetretenen Zwistigkeit an der Anwesenheit
des Nachbars nicht viel liege.

"Sage Deinem Chef, daß ich mich sehr geehrt fühle,
aber leider dankend ablehnen müßte," gab Timpe kurz zur
Antwort, und bereitete damit Niemandem mehr Freude als
seinem Sohne. Wenn Franz daran dachte, was für eine
Rolle seine Eltern mit ihrer beschränkten Anschauungs¬
weise inmitten der lebenslustigen Gesellschaft spielen
würden! Am meisten seine Mutter, mit ihrer
Sucht, bei derartigen Gelegenheiten sich mit dem unmodern¬
sten Seidenkleide zu schmücken!

"Du verlierst auch nicht viel, Vater, weil Du die meisten
Menschen nicht kennst", sagte er zur Beruhigung. Trotzdem
wunderte er sich über die plötzliche Umwandlung des Alten.
Wenn Timpe aber jetzt nur zu offen seine Antipathie gegen
Urban bekannte, so sollte sein Sohn doch nach wie vor nie¬
mals darunter leiden. So setzte er denn seinen ersteren
Worten sofort die weiteren hinzu:

vergangen waren, hatte Urban dieſes Opfer mit ſchwerem
Herzen gebracht. Aber er fürchtete in dieſer Zeit die Launen
ſeiner Leute und verſuchte daher Alles aufzubieten, ſich als
entgegenkommender Chef zu zeigen. Bereits acht Tage vorher
hatte auch Meiſter Timpe eine Einladung zu der Feierlich¬
keit erhalten. Und Franz, der zum Oktober des ver¬
gangenen Jahres ſeine Lehrzeit beendet hatte und ſeit dieſem
Tage den würdigen Mann ſpielte, hatte noch extra im Namen
ſeines Chefs der ſchriftlichen Einladung eine mündliche hinzu¬
gefügt. Wohlweislich verſchwieg er dabei, daß Johannes dieſe
Auszeichnung eigentlich nur ſeiner Fürſprache zu verdanken
hatte, denn Urban hatte ziemlich deutlich zu verſtehen gegeben,
daß ihm ſeit der eingetretenen Zwiſtigkeit an der Anweſenheit
des Nachbars nicht viel liege.

„Sage Deinem Chef, daß ich mich ſehr geehrt fühle,
aber leider dankend ablehnen müßte,“ gab Timpe kurz zur
Antwort, und bereitete damit Niemandem mehr Freude als
ſeinem Sohne. Wenn Franz daran dachte, was für eine
Rolle ſeine Eltern mit ihrer beſchränkten Anſchauungs¬
weiſe inmitten der lebensluſtigen Geſellſchaft ſpielen
würden! Am meiſten ſeine Mutter, mit ihrer
Sucht, bei derartigen Gelegenheiten ſich mit dem unmodern¬
ſten Seidenkleide zu ſchmücken!

„Du verlierſt auch nicht viel, Vater, weil Du die meiſten
Menſchen nicht kennſt“, ſagte er zur Beruhigung. Trotzdem
wunderte er ſich über die plötzliche Umwandlung des Alten.
Wenn Timpe aber jetzt nur zu offen ſeine Antipathie gegen
Urban bekannte, ſo ſollte ſein Sohn doch nach wie vor nie¬
mals darunter leiden. So ſetzte er denn ſeinen erſteren
Worten ſofort die weiteren hinzu:

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[130/0142] vergangen waren, hatte Urban dieſes Opfer mit ſchwerem Herzen gebracht. Aber er fürchtete in dieſer Zeit die Launen ſeiner Leute und verſuchte daher Alles aufzubieten, ſich als entgegenkommender Chef zu zeigen. Bereits acht Tage vorher hatte auch Meiſter Timpe eine Einladung zu der Feierlich¬ keit erhalten. Und Franz, der zum Oktober des ver¬ gangenen Jahres ſeine Lehrzeit beendet hatte und ſeit dieſem Tage den würdigen Mann ſpielte, hatte noch extra im Namen ſeines Chefs der ſchriftlichen Einladung eine mündliche hinzu¬ gefügt. Wohlweislich verſchwieg er dabei, daß Johannes dieſe Auszeichnung eigentlich nur ſeiner Fürſprache zu verdanken hatte, denn Urban hatte ziemlich deutlich zu verſtehen gegeben, daß ihm ſeit der eingetretenen Zwiſtigkeit an der Anweſenheit des Nachbars nicht viel liege. „Sage Deinem Chef, daß ich mich ſehr geehrt fühle, aber leider dankend ablehnen müßte,“ gab Timpe kurz zur Antwort, und bereitete damit Niemandem mehr Freude als ſeinem Sohne. Wenn Franz daran dachte, was für eine Rolle ſeine Eltern mit ihrer beſchränkten Anſchauungs¬ weiſe inmitten der lebensluſtigen Geſellſchaft ſpielen würden! Am meiſten ſeine Mutter, mit ihrer Sucht, bei derartigen Gelegenheiten ſich mit dem unmodern¬ ſten Seidenkleide zu ſchmücken! „Du verlierſt auch nicht viel, Vater, weil Du die meiſten Menſchen nicht kennſt“, ſagte er zur Beruhigung. Trotzdem wunderte er ſich über die plötzliche Umwandlung des Alten. Wenn Timpe aber jetzt nur zu offen ſeine Antipathie gegen Urban bekannte, ſo ſollte ſein Sohn doch nach wie vor nie¬ mals darunter leiden. So ſetzte er denn ſeinen erſteren Worten ſofort die weiteren hinzu:

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/142>, abgerufen am 21.11.2024.