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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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arbeiter, deren Nachkommen dasselbe werden. So entsteht
das ungeheure Heer der Proletarier, das die Welt über¬
schwemmt und nur zweierlei Dinge kennt: den Kampf ums
Dasein und den Haß gegen die Reichen . . . . Was soll
daraus werden, wenn das so weiter geht? Daran denkt
Niemand!"

Der Wahrheit seiner Worte konnte sich Niemand ent¬
ziehen. Seine Schilderung war nur zu sehr aus dem Leben
gegriffen.

Fast Jeder kannte mindestens Einen, der vor seinen
Augen von der Höhe des Wohlstandes in die Tiefe des
Elends gefallen war. Es entstand eine längere Pause.
Wipperlich belegte die Zuchthausarbeit und Abzahlungs¬
geschäfte mit derben Bezeichnungen, der kleine Deppler
sagte mehrmals: "Schrecklich, schrecklich, aber nicht zu
ändern," und der Schornsteinfegermeister äußerte seine
Freude darüber, daß man Gott sei Dank die Kehrbesen
noch nicht mit Dampfkraft in die Schlote senken könne. Herr
Brümmer aber erhob sich, denn seine Stunde hatte geschlagen
und sagte abermals: "Lassen Sie die Dinge gehen wie sie
wollen . . . Gute Nacht."

Es war spät geworden, als Timpe das Lokal verließ.
Die meisten Gäste waren bereits vor ihm gegangen, nur
Wipperlich und Baldrun stritten sich noch um den Bart des
Kaisers von Rußland und über den "kranken Mann" fern
in der Türkei, wobei der Eine dem Anderen nach jeder Be¬
hauptung vollständige Unkenntniß vorwarf. Man wollte den
Meister noch zurückhalten, er aber hatte Sehnsucht nach der
frischen Luft, denn sein Kopf war ihm schwer geworden. Auf
der Straße wehte ihm ein scharfer Wind entgegen, der den

arbeiter, deren Nachkommen daſſelbe werden. So entſteht
das ungeheure Heer der Proletarier, das die Welt über¬
ſchwemmt und nur zweierlei Dinge kennt: den Kampf ums
Daſein und den Haß gegen die Reichen . . . . Was ſoll
daraus werden, wenn das ſo weiter geht? Daran denkt
Niemand!“

Der Wahrheit ſeiner Worte konnte ſich Niemand ent¬
ziehen. Seine Schilderung war nur zu ſehr aus dem Leben
gegriffen.

Faſt Jeder kannte mindeſtens Einen, der vor ſeinen
Augen von der Höhe des Wohlſtandes in die Tiefe des
Elends gefallen war. Es entſtand eine längere Pauſe.
Wipperlich belegte die Zuchthausarbeit und Abzahlungs¬
geſchäfte mit derben Bezeichnungen, der kleine Deppler
ſagte mehrmals: „Schrecklich, ſchrecklich, aber nicht zu
ändern,“ und der Schornſteinfegermeiſter äußerte ſeine
Freude darüber, daß man Gott ſei Dank die Kehrbeſen
noch nicht mit Dampfkraft in die Schlote ſenken könne. Herr
Brümmer aber erhob ſich, denn ſeine Stunde hatte geſchlagen
und ſagte abermals: „Laſſen Sie die Dinge gehen wie ſie
wollen . . . Gute Nacht.“

Es war ſpät geworden, als Timpe das Lokal verließ.
Die meiſten Gäſte waren bereits vor ihm gegangen, nur
Wipperlich und Baldrun ſtritten ſich noch um den Bart des
Kaiſers von Rußland und über den „kranken Mann“ fern
in der Türkei, wobei der Eine dem Anderen nach jeder Be¬
hauptung vollſtändige Unkenntniß vorwarf. Man wollte den
Meiſter noch zurückhalten, er aber hatte Sehnſucht nach der
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[146/0158] arbeiter, deren Nachkommen daſſelbe werden. So entſteht das ungeheure Heer der Proletarier, das die Welt über¬ ſchwemmt und nur zweierlei Dinge kennt: den Kampf ums Daſein und den Haß gegen die Reichen . . . . Was ſoll daraus werden, wenn das ſo weiter geht? Daran denkt Niemand!“ Der Wahrheit ſeiner Worte konnte ſich Niemand ent¬ ziehen. Seine Schilderung war nur zu ſehr aus dem Leben gegriffen. Faſt Jeder kannte mindeſtens Einen, der vor ſeinen Augen von der Höhe des Wohlſtandes in die Tiefe des Elends gefallen war. Es entſtand eine längere Pauſe. Wipperlich belegte die Zuchthausarbeit und Abzahlungs¬ geſchäfte mit derben Bezeichnungen, der kleine Deppler ſagte mehrmals: „Schrecklich, ſchrecklich, aber nicht zu ändern,“ und der Schornſteinfegermeiſter äußerte ſeine Freude darüber, daß man Gott ſei Dank die Kehrbeſen noch nicht mit Dampfkraft in die Schlote ſenken könne. Herr Brümmer aber erhob ſich, denn ſeine Stunde hatte geſchlagen und ſagte abermals: „Laſſen Sie die Dinge gehen wie ſie wollen . . . Gute Nacht.“ Es war ſpät geworden, als Timpe das Lokal verließ. Die meiſten Gäſte waren bereits vor ihm gegangen, nur Wipperlich und Baldrun ſtritten ſich noch um den Bart des Kaiſers von Rußland und über den „kranken Mann“ fern in der Türkei, wobei der Eine dem Anderen nach jeder Be¬ hauptung vollſtändige Unkenntniß vorwarf. Man wollte den Meiſter noch zurückhalten, er aber hatte Sehnſucht nach der friſchen Luft, denn ſein Kopf war ihm ſchwer geworden. Auf der Straße wehte ihm ein ſcharfer Wind entgegen, der den

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/158>, abgerufen am 24.11.2024.