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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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sozialen Revolutionäre? Im Augenblick erschien ihm schon
der bloße Gedanke an diese Möglichkeit wie ein Verbrechen.
Er dachte an die patriotische Gesinnung Gottfried Timpes
und wie oft ihm dieser von Franz David Timpe
erzählt hatte, als von einem Manne, der zwei
Königen treu gedient hatte. Ganze Generationen seines
Stammes hatten Gott und den Herrscher gefürchtet und ge¬
liebt, und nun sollte er -- -- ? Er vollendete den Ge¬
dankensatz nicht, denn sein Entschluß stand fest trotz Schicksals¬
schlägen, beginnendem Ruin und dem Körnchen Wahrheit, das
in Beyer's Worten lag.

"Niemals, niemals!" sprach er mit der Stimme der
Ueberzeugung und wandte seinem Gesellen den Rücken.

Thomas Beyer aber begann aufs Neue auf ihn einzu¬
reden -- mit der Zähigkeit eines Agitators, der alle Gründe
ins Gefecht führt, um zu siegen und zu triumphiren. Immer
röther färbte sich sein Gesicht, immer heller leuchteten die
Augen, immer beredter wurden die Lippen.

"Meister, jeder Mensch ist das Produkt seiner Verhält¬
nisse. Die moderne Gesellschaft mit ihrem Produktionsschwindel
hat Sie auf dem Gewissen ... Die Leute, die Sie zu
Grunde richten, sind Ihre natürlichen Feinde, gegen welche
Sie sich aufbäumen müssen, um wieder zu Ihrem Rechte zu
gelangen. Gehen Sie, wohin Sie wollen -- nur bei uns
wird man Ihnen die Hand reichen, denn wir sind Ihre
einzigen wahren Freunde. Die Armuth kann niemals heucheln,
sie giebt sich immer wie sie ist. Meister, Meister, kommen
Sie zu uns und beten Sie den neuen Heiland an."

Timpe war das zu viel. Man sollte ihn nicht für schwach
halten. Außerdem war er hier noch Herr im Hause, der bei

Kretzer, Meister Timpe. 14

ſozialen Revolutionäre? Im Augenblick erſchien ihm ſchon
der bloße Gedanke an dieſe Möglichkeit wie ein Verbrechen.
Er dachte an die patriotiſche Geſinnung Gottfried Timpes
und wie oft ihm dieſer von Franz David Timpe
erzählt hatte, als von einem Manne, der zwei
Königen treu gedient hatte. Ganze Generationen ſeines
Stammes hatten Gott und den Herrſcher gefürchtet und ge¬
liebt, und nun ſollte er — — ? Er vollendete den Ge¬
dankenſatz nicht, denn ſein Entſchluß ſtand feſt trotz Schickſals¬
ſchlägen, beginnendem Ruin und dem Körnchen Wahrheit, das
in Beyer's Worten lag.

„Niemals, niemals!“ ſprach er mit der Stimme der
Ueberzeugung und wandte ſeinem Geſellen den Rücken.

Thomas Beyer aber begann aufs Neue auf ihn einzu¬
reden — mit der Zähigkeit eines Agitators, der alle Gründe
ins Gefecht führt, um zu ſiegen und zu triumphiren. Immer
röther färbte ſich ſein Geſicht, immer heller leuchteten die
Augen, immer beredter wurden die Lippen.

„Meiſter, jeder Menſch iſt das Produkt ſeiner Verhält¬
niſſe. Die moderne Geſellſchaft mit ihrem Produktionsſchwindel
hat Sie auf dem Gewiſſen ... Die Leute, die Sie zu
Grunde richten, ſind Ihre natürlichen Feinde, gegen welche
Sie ſich aufbäumen müſſen, um wieder zu Ihrem Rechte zu
gelangen. Gehen Sie, wohin Sie wollen — nur bei uns
wird man Ihnen die Hand reichen, denn wir ſind Ihre
einzigen wahren Freunde. Die Armuth kann niemals heucheln,
ſie giebt ſich immer wie ſie iſt. Meiſter, Meiſter, kommen
Sie zu uns und beten Sie den neuen Heiland an.“

Timpe war das zu viel. Man ſollte ihn nicht für ſchwach
halten. Außerdem war er hier noch Herr im Hauſe, der bei

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[209/0221] ſozialen Revolutionäre? Im Augenblick erſchien ihm ſchon der bloße Gedanke an dieſe Möglichkeit wie ein Verbrechen. Er dachte an die patriotiſche Geſinnung Gottfried Timpes und wie oft ihm dieſer von Franz David Timpe erzählt hatte, als von einem Manne, der zwei Königen treu gedient hatte. Ganze Generationen ſeines Stammes hatten Gott und den Herrſcher gefürchtet und ge¬ liebt, und nun ſollte er — — ? Er vollendete den Ge¬ dankenſatz nicht, denn ſein Entſchluß ſtand feſt trotz Schickſals¬ ſchlägen, beginnendem Ruin und dem Körnchen Wahrheit, das in Beyer's Worten lag. „Niemals, niemals!“ ſprach er mit der Stimme der Ueberzeugung und wandte ſeinem Geſellen den Rücken. Thomas Beyer aber begann aufs Neue auf ihn einzu¬ reden — mit der Zähigkeit eines Agitators, der alle Gründe ins Gefecht führt, um zu ſiegen und zu triumphiren. Immer röther färbte ſich ſein Geſicht, immer heller leuchteten die Augen, immer beredter wurden die Lippen. „Meiſter, jeder Menſch iſt das Produkt ſeiner Verhält¬ niſſe. Die moderne Geſellſchaft mit ihrem Produktionsſchwindel hat Sie auf dem Gewiſſen ... Die Leute, die Sie zu Grunde richten, ſind Ihre natürlichen Feinde, gegen welche Sie ſich aufbäumen müſſen, um wieder zu Ihrem Rechte zu gelangen. Gehen Sie, wohin Sie wollen — nur bei uns wird man Ihnen die Hand reichen, denn wir ſind Ihre einzigen wahren Freunde. Die Armuth kann niemals heucheln, ſie giebt ſich immer wie ſie iſt. Meiſter, Meiſter, kommen Sie zu uns und beten Sie den neuen Heiland an.“ Timpe war das zu viel. Man ſollte ihn nicht für ſchwach halten. Außerdem war er hier noch Herr im Hauſe, der bei Kretzer, Meiſter Timpe. 14

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/221>, abgerufen am 24.11.2024.