Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.Last legen, wenn eins ihrer Mitglieder aus der Art ge¬ Das Ehepaar hörte ein leises Schluchzen. Als sich "Was ist Ihnen, Fräulein? Sie weinen? Um Himmels Statt der Antwort wurde das Schluchzen stärker. Die Auch der Meister war nun bestürzt, trat auf sie zu und "Sie können es, Herr Timpe." Sie hatte sich plötzlich erhoben, war vor ihm auf die "Mag Franz nicht recht an Ihnen gehandelt haben, Laſt legen, wenn eins ihrer Mitglieder aus der Art ge¬ Das Ehepaar hörte ein leiſes Schluchzen. Als ſich „Was iſt Ihnen, Fräulein? Sie weinen? Um Himmels Statt der Antwort wurde das Schluchzen ſtärker. Die Auch der Meiſter war nun beſtürzt, trat auf ſie zu und „Sie können es, Herr Timpe.“ Sie hatte ſich plötzlich erhoben, war vor ihm auf die „Mag Franz nicht recht an Ihnen gehandelt haben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0228" n="216"/> Laſt legen, wenn eins ihrer Mitglieder aus der Art ge¬<lb/> ſchlagen iſt.“</p><lb/> <p>Das Ehepaar hörte ein leiſes Schluchzen. Als ſich<lb/> Beide umdrehten, ſahen ſie Emma, wie ſie auf das Sopha<lb/> niedergeſunken war und die Augen mit ihrem Taſchentuch<lb/> bedeckt hielt. Die Meiſterin eilte ſofort auf ſie zu, legte die<lb/> Arme liebevoll um ihre Schulter und fragte:</p><lb/> <p>„Was iſt Ihnen, Fräulein? Sie weinen? Um Himmels<lb/> willen!“</p><lb/> <p>Statt der Antwort wurde das Schluchzen ſtärker. Die<lb/> ganze Geſtalt war gepackt von der Erſchütterung, die über ſie<lb/> gekommen war. Endlich brachte ſie die Worte hervor: „O,<lb/> laſſen Sie mich weinen, es thut mir wohl.“</p><lb/> <p>Auch der Meiſter war nun beſtürzt, trat auf ſie zu und<lb/> ſagte ſo freundlich, als er es in dieſem Augenblick vermochte:<lb/> „Faſſen Sie ſich, gnädiges Fräulein. Wenn ich Sie durch<lb/> irgend etwas beleidigt haben ſollte, ſo bitte ich vielmals um<lb/> Entſchuldigung, vielmals . . . Aber ich bitte Rückſicht auf<lb/> den Vater zu nehmen, dem der Groll mit dem Herzen durch¬<lb/> geht. Nochmals: ich bitte vielmals um Verzeihung. Und<lb/> wenn ich meine letzten unſchicklichen Worte wieder gut machen<lb/> kann, ſo ſoll es geſchehen. Wohlverſtanden: ſoweit es in<lb/> meinen Kräften ſteht.“</p><lb/> <p>„Sie können es, Herr Timpe.“</p><lb/> <p>Sie hatte ſich plötzlich erhoben, war vor ihm auf die<lb/> Kniee gefallen und blickte mit von Thränen umſchleierten<lb/> Augen zu ihm empor. Und jedes Wort, daß ſie jetzt ſprach,<lb/> ſchien zugleich mit einem Schluchzen aus der Kehle zu<lb/> quellen.</p><lb/> <p>„Mag Franz nicht recht an Ihnen gehandelt haben,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0228]
Laſt legen, wenn eins ihrer Mitglieder aus der Art ge¬
ſchlagen iſt.“
Das Ehepaar hörte ein leiſes Schluchzen. Als ſich
Beide umdrehten, ſahen ſie Emma, wie ſie auf das Sopha
niedergeſunken war und die Augen mit ihrem Taſchentuch
bedeckt hielt. Die Meiſterin eilte ſofort auf ſie zu, legte die
Arme liebevoll um ihre Schulter und fragte:
„Was iſt Ihnen, Fräulein? Sie weinen? Um Himmels
willen!“
Statt der Antwort wurde das Schluchzen ſtärker. Die
ganze Geſtalt war gepackt von der Erſchütterung, die über ſie
gekommen war. Endlich brachte ſie die Worte hervor: „O,
laſſen Sie mich weinen, es thut mir wohl.“
Auch der Meiſter war nun beſtürzt, trat auf ſie zu und
ſagte ſo freundlich, als er es in dieſem Augenblick vermochte:
„Faſſen Sie ſich, gnädiges Fräulein. Wenn ich Sie durch
irgend etwas beleidigt haben ſollte, ſo bitte ich vielmals um
Entſchuldigung, vielmals . . . Aber ich bitte Rückſicht auf
den Vater zu nehmen, dem der Groll mit dem Herzen durch¬
geht. Nochmals: ich bitte vielmals um Verzeihung. Und
wenn ich meine letzten unſchicklichen Worte wieder gut machen
kann, ſo ſoll es geſchehen. Wohlverſtanden: ſoweit es in
meinen Kräften ſteht.“
„Sie können es, Herr Timpe.“
Sie hatte ſich plötzlich erhoben, war vor ihm auf die
Kniee gefallen und blickte mit von Thränen umſchleierten
Augen zu ihm empor. Und jedes Wort, daß ſie jetzt ſprach,
ſchien zugleich mit einem Schluchzen aus der Kehle zu
quellen.
„Mag Franz nicht recht an Ihnen gehandelt haben,
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