der Meister nicht eine Hypothek, unkündbar auf Lebenszeit, gewünscht hätte. Er wollte sich auf alle Fälle sichern. Der Termin rückte immer näher heran -- er fand keine Be¬ friedigung seiner Wünsche. Schließlich dachte er daran, eine geringere Summe aufzunehmen, die überflüssigen Drehbänke, die Modelle und alle entbehrlichen Möbel zu verkaufen, um mit dem Erlös die nöthige Summe zu erzielen. In dieser peinlichen Situation war ihm Niemand mehr im Wege als Thomas Beyer. Er haßte ihn jetzt förmlich, er wußte nicht warum. Jedenfalls fand er es nicht für nöthig, den Gesellen Zeuge der neuesten Veränderung sein zu lassen. Wenn es schon so weit kam, daß wirklich alles Entbehrliche verkauft werden mußte, dann konnte das in aller Stille geschehen, in der Dunkelheit womöglich, und brauchte Niemand etwas davon zu wissen, außer ihm und seinem Gott! Das wäre ein Gaudium für seine Feinde gewesen, wenn sie erfahren hätten, wie es wirklich um ihn stand. Obendrein würde man ihm noch Mitleid entgegenbringen und er wollte es nicht, verlangte es nicht, und würde eher den Tod erlitten haben, ehe er es entgegen genommen hätte.
Sein ganzes Sinnen und Trachten ging nun darauf hin, dem Altgesellen für immer den Laufpaß zu geben. Er faßte diesen Gedanken mit Mitleid, aber es war eine Nothwendig¬ keit, die durchgeführt werden mußte. Nicht nur der Zwang trieb ihn dazu, sondern eine tiefe Sehnsucht nach gänzlicher Einsamkeit, wie sie Menschen zu überkommen pflegt, die mit dem Gefühl im Herzen den Haß gegen die Welt mit sich herumtragen und Gewohnheiten annehmen, die sie zu Sonder¬ lingen machen.
Am nächsten Sonnabend machte er den letzten Ver¬
der Meiſter nicht eine Hypothek, unkündbar auf Lebenszeit, gewünſcht hätte. Er wollte ſich auf alle Fälle ſichern. Der Termin rückte immer näher heran — er fand keine Be¬ friedigung ſeiner Wünſche. Schließlich dachte er daran, eine geringere Summe aufzunehmen, die überflüſſigen Drehbänke, die Modelle und alle entbehrlichen Möbel zu verkaufen, um mit dem Erlös die nöthige Summe zu erzielen. In dieſer peinlichen Situation war ihm Niemand mehr im Wege als Thomas Beyer. Er haßte ihn jetzt förmlich, er wußte nicht warum. Jedenfalls fand er es nicht für nöthig, den Geſellen Zeuge der neueſten Veränderung ſein zu laſſen. Wenn es ſchon ſo weit kam, daß wirklich alles Entbehrliche verkauft werden mußte, dann konnte das in aller Stille geſchehen, in der Dunkelheit womöglich, und brauchte Niemand etwas davon zu wiſſen, außer ihm und ſeinem Gott! Das wäre ein Gaudium für ſeine Feinde geweſen, wenn ſie erfahren hätten, wie es wirklich um ihn ſtand. Obendrein würde man ihm noch Mitleid entgegenbringen und er wollte es nicht, verlangte es nicht, und würde eher den Tod erlitten haben, ehe er es entgegen genommen hätte.
Sein ganzes Sinnen und Trachten ging nun darauf hin, dem Altgeſellen für immer den Laufpaß zu geben. Er faßte dieſen Gedanken mit Mitleid, aber es war eine Nothwendig¬ keit, die durchgeführt werden mußte. Nicht nur der Zwang trieb ihn dazu, ſondern eine tiefe Sehnſucht nach gänzlicher Einſamkeit, wie ſie Menſchen zu überkommen pflegt, die mit dem Gefühl im Herzen den Haß gegen die Welt mit ſich herumtragen und Gewohnheiten annehmen, die ſie zu Sonder¬ lingen machen.
Am nächſten Sonnabend machte er den letzten Ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0276"n="264"/>
der Meiſter nicht eine Hypothek, unkündbar auf Lebenszeit,<lb/>
gewünſcht hätte. Er wollte ſich auf alle Fälle ſichern. Der<lb/>
Termin rückte immer näher heran — er fand keine Be¬<lb/>
friedigung ſeiner Wünſche. Schließlich dachte er daran, eine<lb/>
geringere Summe aufzunehmen, die überflüſſigen Drehbänke,<lb/>
die Modelle und alle entbehrlichen Möbel zu verkaufen, um<lb/>
mit dem Erlös die nöthige Summe zu erzielen. In dieſer<lb/>
peinlichen Situation war ihm Niemand mehr im Wege als<lb/>
Thomas Beyer. Er haßte ihn jetzt förmlich, er wußte nicht<lb/>
warum. Jedenfalls fand er es nicht für nöthig, den Geſellen<lb/>
Zeuge der neueſten Veränderung ſein zu laſſen. Wenn es<lb/>ſchon ſo weit kam, daß wirklich alles Entbehrliche verkauft<lb/>
werden mußte, dann konnte das in aller Stille geſchehen, in<lb/>
der Dunkelheit womöglich, und brauchte Niemand etwas davon<lb/>
zu wiſſen, außer ihm und ſeinem Gott! Das wäre ein<lb/>
Gaudium für ſeine Feinde geweſen, wenn ſie erfahren hätten,<lb/>
wie es wirklich um ihn ſtand. Obendrein würde man ihm<lb/>
noch Mitleid entgegenbringen und er wollte es nicht, verlangte<lb/>
es nicht, und würde eher den Tod erlitten haben, ehe er es<lb/>
entgegen genommen hätte.</p><lb/><p>Sein ganzes Sinnen und Trachten ging nun darauf hin,<lb/>
dem Altgeſellen für immer den Laufpaß zu geben. Er faßte<lb/>
dieſen Gedanken mit Mitleid, aber es war eine Nothwendig¬<lb/>
keit, die durchgeführt werden mußte. Nicht nur der Zwang<lb/>
trieb ihn dazu, ſondern eine tiefe Sehnſucht nach gänzlicher<lb/>
Einſamkeit, wie ſie Menſchen zu überkommen pflegt, die mit<lb/>
dem Gefühl im Herzen den Haß gegen die Welt mit ſich<lb/>
herumtragen und Gewohnheiten annehmen, die ſie zu Sonder¬<lb/>
lingen machen.</p><lb/><p>Am nächſten Sonnabend machte er den letzten Ver¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[264/0276]
der Meiſter nicht eine Hypothek, unkündbar auf Lebenszeit,
gewünſcht hätte. Er wollte ſich auf alle Fälle ſichern. Der
Termin rückte immer näher heran — er fand keine Be¬
friedigung ſeiner Wünſche. Schließlich dachte er daran, eine
geringere Summe aufzunehmen, die überflüſſigen Drehbänke,
die Modelle und alle entbehrlichen Möbel zu verkaufen, um
mit dem Erlös die nöthige Summe zu erzielen. In dieſer
peinlichen Situation war ihm Niemand mehr im Wege als
Thomas Beyer. Er haßte ihn jetzt förmlich, er wußte nicht
warum. Jedenfalls fand er es nicht für nöthig, den Geſellen
Zeuge der neueſten Veränderung ſein zu laſſen. Wenn es
ſchon ſo weit kam, daß wirklich alles Entbehrliche verkauft
werden mußte, dann konnte das in aller Stille geſchehen, in
der Dunkelheit womöglich, und brauchte Niemand etwas davon
zu wiſſen, außer ihm und ſeinem Gott! Das wäre ein
Gaudium für ſeine Feinde geweſen, wenn ſie erfahren hätten,
wie es wirklich um ihn ſtand. Obendrein würde man ihm
noch Mitleid entgegenbringen und er wollte es nicht, verlangte
es nicht, und würde eher den Tod erlitten haben, ehe er es
entgegen genommen hätte.
Sein ganzes Sinnen und Trachten ging nun darauf hin,
dem Altgeſellen für immer den Laufpaß zu geben. Er faßte
dieſen Gedanken mit Mitleid, aber es war eine Nothwendig¬
keit, die durchgeführt werden mußte. Nicht nur der Zwang
trieb ihn dazu, ſondern eine tiefe Sehnſucht nach gänzlicher
Einſamkeit, wie ſie Menſchen zu überkommen pflegt, die mit
dem Gefühl im Herzen den Haß gegen die Welt mit ſich
herumtragen und Gewohnheiten annehmen, die ſie zu Sonder¬
lingen machen.
Am nächſten Sonnabend machte er den letzten Ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.