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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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und Horndrechsler ihre Drehwerkzeuge nieder und zog von
dannen. Was man den Knopfarbeitern abzuziehen gedachte,
das verlangten sie als Erhöhung ihres Lohnes. Das
hatte man nicht erwartet, denn eine große Bestellung
für's Ausland war eingegangen und sollte schleunigst aus¬
geführt werden. Aber Urban ließ auch sie gehen, ohne ihnen
irgend welche Zugeständnisse zu machen.

Etwa sechshundert Arbeiter belagerten das Fabrikthor und
schritten vor demselben in langen Zügen auf und ab. Trotzdem
herrschte eine musterhafte Ruhe; nur ein dumpfes Murmeln, wie
das Grollen eines leicht bewegten Meeres, durchhallte die Luft.
Hin und wieder ertönte ein lauter Zuruf oder ein greller Pfiff,
der an anderer Stelle beantwortet wurde. Das Murmeln
erhob sich dann zu einem lauten Stimmgewirr, ein dichter
Menschenknäul entstand und die Schutzleute brachen sich
Bahn, um ihn zu zertheilen und zum Auseinandergehen auf¬
zufordern. Dann wogte die dunkle Lawine wieder die
Straße entlang. Zeitweilig trat ein unheimliches Schweigen
ein, das angesichts der Menschenmenge etwas Beklemmendes,
Furchterregendes barg. Einen Gegensatz zu diesen heraus¬
fordernden Gestalten bildeten die hellleuchtenden Gesichter der
Frauen, Mädchen und Kinder, die in den geöffneten Fenstern
lagen und bis in das Dach hinauf eine lebende Garnitur an
den Häusern bildeten.

Timpe hatte eine aufrichtige Freude an diesem Anblick.

"Dacht' ich's mir doch, daß es eines Tages so kommen
würde", sagte er mit einem vergnügten Lächeln vor sich hin;
"wenn nur die ganze Fabrik zum Teufel ginge, das wäre
ein wahrer Segen."

Am liebsten wäre er sofort hinuntergegangen und mitten

und Horndrechsler ihre Drehwerkzeuge nieder und zog von
dannen. Was man den Knopfarbeitern abzuziehen gedachte,
das verlangten ſie als Erhöhung ihres Lohnes. Das
hatte man nicht erwartet, denn eine große Beſtellung
für's Ausland war eingegangen und ſollte ſchleunigſt aus¬
geführt werden. Aber Urban ließ auch ſie gehen, ohne ihnen
irgend welche Zugeſtändniſſe zu machen.

Etwa ſechshundert Arbeiter belagerten das Fabrikthor und
ſchritten vor demſelben in langen Zügen auf und ab. Trotzdem
herrſchte eine muſterhafte Ruhe; nur ein dumpfes Murmeln, wie
das Grollen eines leicht bewegten Meeres, durchhallte die Luft.
Hin und wieder ertönte ein lauter Zuruf oder ein greller Pfiff,
der an anderer Stelle beantwortet wurde. Das Murmeln
erhob ſich dann zu einem lauten Stimmgewirr, ein dichter
Menſchenknäul entſtand und die Schutzleute brachen ſich
Bahn, um ihn zu zertheilen und zum Auseinandergehen auf¬
zufordern. Dann wogte die dunkle Lawine wieder die
Straße entlang. Zeitweilig trat ein unheimliches Schweigen
ein, das angeſichts der Menſchenmenge etwas Beklemmendes,
Furchterregendes barg. Einen Gegenſatz zu dieſen heraus¬
fordernden Geſtalten bildeten die hellleuchtenden Geſichter der
Frauen, Mädchen und Kinder, die in den geöffneten Fenſtern
lagen und bis in das Dach hinauf eine lebende Garnitur an
den Häuſern bildeten.

Timpe hatte eine aufrichtige Freude an dieſem Anblick.

„Dacht' ich's mir doch, daß es eines Tages ſo kommen
würde“, ſagte er mit einem vergnügten Lächeln vor ſich hin;
„wenn nur die ganze Fabrik zum Teufel ginge, das wäre
ein wahrer Segen.“

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[277/0289] und Horndrechsler ihre Drehwerkzeuge nieder und zog von dannen. Was man den Knopfarbeitern abzuziehen gedachte, das verlangten ſie als Erhöhung ihres Lohnes. Das hatte man nicht erwartet, denn eine große Beſtellung für's Ausland war eingegangen und ſollte ſchleunigſt aus¬ geführt werden. Aber Urban ließ auch ſie gehen, ohne ihnen irgend welche Zugeſtändniſſe zu machen. Etwa ſechshundert Arbeiter belagerten das Fabrikthor und ſchritten vor demſelben in langen Zügen auf und ab. Trotzdem herrſchte eine muſterhafte Ruhe; nur ein dumpfes Murmeln, wie das Grollen eines leicht bewegten Meeres, durchhallte die Luft. Hin und wieder ertönte ein lauter Zuruf oder ein greller Pfiff, der an anderer Stelle beantwortet wurde. Das Murmeln erhob ſich dann zu einem lauten Stimmgewirr, ein dichter Menſchenknäul entſtand und die Schutzleute brachen ſich Bahn, um ihn zu zertheilen und zum Auseinandergehen auf¬ zufordern. Dann wogte die dunkle Lawine wieder die Straße entlang. Zeitweilig trat ein unheimliches Schweigen ein, das angeſichts der Menſchenmenge etwas Beklemmendes, Furchterregendes barg. Einen Gegenſatz zu dieſen heraus¬ fordernden Geſtalten bildeten die hellleuchtenden Geſichter der Frauen, Mädchen und Kinder, die in den geöffneten Fenſtern lagen und bis in das Dach hinauf eine lebende Garnitur an den Häuſern bildeten. Timpe hatte eine aufrichtige Freude an dieſem Anblick. „Dacht' ich's mir doch, daß es eines Tages ſo kommen würde“, ſagte er mit einem vergnügten Lächeln vor ſich hin; „wenn nur die ganze Fabrik zum Teufel ginge, das wäre ein wahrer Segen.“ Am liebſten wäre er ſofort hinuntergegangen und mitten

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/289>, abgerufen am 22.11.2024.