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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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was seine Seele bedrückte. Er schloß die Hausthüre auf,
öffnete die Läden, blickte nach der Straße mit einer Sehn¬
sucht und Erwartung, als müsse jeden Augenblick die Gestalt
Beyer's vor ihm auftauchen und ihn laut begrüßen. Aber Beyer
kam nicht; nur einige Leute blieben stehen und blickten ihn
sehr erstaunt an; ein kleines Mädchen lief erschreckt über den
Damm und an den Fenstern der gegenüberliegenden Häuser
zeigten sich neugierige Gesichter, die zu ihm hinüberglotzten,
als könnten sie die plötzliche Veränderung in der Physiogno¬
mie des Hauses nicht begreifen.

Endlich nahm er sich vor, Beyer selbst aufzusuchen. Als
er aber vor der Hausthür eine Gruppe Neugieriger erblickte,
verschloß er wieder Laden und Hausthür und vergrub sich
auf's Neue in seiner Burg.

An diesem Tage fand er noch einmal Gelegenheit, seine
Aufmerksamkeit der Außenwelt zuzuwenden. Ein Geräusch
von vielen Stimmen hatte ihn nach einer der Giebelstuben hin¬
aufgelockt. Die ganze Straße war schwarz von einer wogenden
Menschenschaar, in deren Mitte die Helme der Schutzleute auf¬
tauchten. Es war an einem Montag. In der zehnten Stunde
hatten plötzlich zweihundert Arbeiter der Urban'schen Fabrik
ihre Beschäftigung niedergelegt. Es handelte sich um eine
Lohnreduktion, die man sich nicht bieten lassen wollte. In
einer anderen Knopffabrik, die in einer der Nebenstraßen lag,
war in der vergangenen Woche bereits ein Strike ausgebrochen.
Wie der Blitz hatte sich bei diesen arbeitslosen Gesellen der
Vorgang in der Urban'schen Fabrik verbreitet; sie kamen in
hellen Haufen herbeigezogen, um zum Aushalten aufzumuntern,
oder ihrem Unmuthe Luft zu machen. Zum großen Verdruß
Urbans legte auch gegen Mittag ein Theil der Elfenbein¬

was ſeine Seele bedrückte. Er ſchloß die Hausthüre auf,
öffnete die Läden, blickte nach der Straße mit einer Sehn¬
ſucht und Erwartung, als müſſe jeden Augenblick die Geſtalt
Beyer's vor ihm auftauchen und ihn laut begrüßen. Aber Beyer
kam nicht; nur einige Leute blieben ſtehen und blickten ihn
ſehr erſtaunt an; ein kleines Mädchen lief erſchreckt über den
Damm und an den Fenſtern der gegenüberliegenden Häuſer
zeigten ſich neugierige Geſichter, die zu ihm hinüberglotzten,
als könnten ſie die plötzliche Veränderung in der Phyſiogno¬
mie des Hauſes nicht begreifen.

Endlich nahm er ſich vor, Beyer ſelbſt aufzuſuchen. Als
er aber vor der Hausthür eine Gruppe Neugieriger erblickte,
verſchloß er wieder Laden und Hausthür und vergrub ſich
auf's Neue in ſeiner Burg.

An dieſem Tage fand er noch einmal Gelegenheit, ſeine
Aufmerkſamkeit der Außenwelt zuzuwenden. Ein Geräuſch
von vielen Stimmen hatte ihn nach einer der Giebelſtuben hin¬
aufgelockt. Die ganze Straße war ſchwarz von einer wogenden
Menſchenſchaar, in deren Mitte die Helme der Schutzleute auf¬
tauchten. Es war an einem Montag. In der zehnten Stunde
hatten plötzlich zweihundert Arbeiter der Urban'ſchen Fabrik
ihre Beſchäftigung niedergelegt. Es handelte ſich um eine
Lohnreduktion, die man ſich nicht bieten laſſen wollte. In
einer anderen Knopffabrik, die in einer der Nebenſtraßen lag,
war in der vergangenen Woche bereits ein Strike ausgebrochen.
Wie der Blitz hatte ſich bei dieſen arbeitsloſen Geſellen der
Vorgang in der Urban'ſchen Fabrik verbreitet; ſie kamen in
hellen Haufen herbeigezogen, um zum Aushalten aufzumuntern,
oder ihrem Unmuthe Luft zu machen. Zum großen Verdruß
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[276/0288] was ſeine Seele bedrückte. Er ſchloß die Hausthüre auf, öffnete die Läden, blickte nach der Straße mit einer Sehn¬ ſucht und Erwartung, als müſſe jeden Augenblick die Geſtalt Beyer's vor ihm auftauchen und ihn laut begrüßen. Aber Beyer kam nicht; nur einige Leute blieben ſtehen und blickten ihn ſehr erſtaunt an; ein kleines Mädchen lief erſchreckt über den Damm und an den Fenſtern der gegenüberliegenden Häuſer zeigten ſich neugierige Geſichter, die zu ihm hinüberglotzten, als könnten ſie die plötzliche Veränderung in der Phyſiogno¬ mie des Hauſes nicht begreifen. Endlich nahm er ſich vor, Beyer ſelbſt aufzuſuchen. Als er aber vor der Hausthür eine Gruppe Neugieriger erblickte, verſchloß er wieder Laden und Hausthür und vergrub ſich auf's Neue in ſeiner Burg. An dieſem Tage fand er noch einmal Gelegenheit, ſeine Aufmerkſamkeit der Außenwelt zuzuwenden. Ein Geräuſch von vielen Stimmen hatte ihn nach einer der Giebelſtuben hin¬ aufgelockt. Die ganze Straße war ſchwarz von einer wogenden Menſchenſchaar, in deren Mitte die Helme der Schutzleute auf¬ tauchten. Es war an einem Montag. In der zehnten Stunde hatten plötzlich zweihundert Arbeiter der Urban'ſchen Fabrik ihre Beſchäftigung niedergelegt. Es handelte ſich um eine Lohnreduktion, die man ſich nicht bieten laſſen wollte. In einer anderen Knopffabrik, die in einer der Nebenſtraßen lag, war in der vergangenen Woche bereits ein Strike ausgebrochen. Wie der Blitz hatte ſich bei dieſen arbeitsloſen Geſellen der Vorgang in der Urban'ſchen Fabrik verbreitet; ſie kamen in hellen Haufen herbeigezogen, um zum Aushalten aufzumuntern, oder ihrem Unmuthe Luft zu machen. Zum großen Verdruß Urbans legte auch gegen Mittag ein Theil der Elfenbein¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/288>, abgerufen am 22.11.2024.