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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Urban saß. Franzen's Antlitz hatte fahle Blässe überzogen.
Er glaubte zu träumen, wollte sich erheben, um schleunigst
den Saal zu verlassen, aber wie Blei lag es ihm in den
Füßen. Es wäre auch schwer gewesen, ohne aufzufallen, durch
die Menge zu schreiten. Die Furcht hatte ihn so entsetzlich
gepackt, daß er zitterte und den Versuch machte, sich hinter seinem
Gesellschafter zu verbergen. Dann wieder war es die Neu¬
gierde, die ihn auf seinen Platz bannte -- jene unerklärliche
Neugierde, die dem Menschen angesichts einer Gefahr über¬
kommt, der er nicht mehr zu entrinnen vermag.

Da Johannes sich noch immer nicht sehen ließ, so glaubte
[verlorenes Material - 3 Zeichen fehlen] Vorsitzende, man habe ihn schlecht verstanden. So wieder¬
[verlorenes Material - Zeichen fehlt] er denn laut und vernehmbar:

[verlorenes Material - Zeichen fehlt]"Herr Drechslermeister Timpe hat das Wort."
[verlorenes Material - Zeichen fehlt]Jetzt hatte man ihn verstanden. Wer kannte auch
Meister Timpe nicht! Wie Viele von ihnen hatten nicht von
[verlorenes Material - Zeichen fehlt]er Werkstatt gehört, von der Gemüthlichkeit, die bei ihm
[verlorenes Material - Zeichen fehlt]rsche, von der Menschenfreundlichkeit, mit der er seine
[verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt]esellen zu behandeln pflege. Nur ein Bruchtheil der An¬
[verlorenes Material - 1 Zeichen fehlt]esenden ahnte, daß er der Vater des "stillen Sozius" von
Urban sei. Und die es wußten, hatten nur von ihm als von
einem wohlhabenden Manne gehört.

Jetzt schritt er an ihnen vorüber der Tribüne zu, mit
niedergeschlagenen Augen, zögernd und unsicher, wie ein Mann,
der in seinem Leben zum ersten Male sprechen soll und im
Geiste tausend Blicke auf sich gerichtet sieht. Nach zwei
Minuten hatte er mühsam das Podium erklettert. Er ver¬
beugte sich vor dem Lieutenant, der ihn kannte und stellte sich
dann Allen sichtbar neben den Tisch des Vorstandes.

Mein Gott, wie sah er aus! Wie er so dastand, konnte

Urban ſaß. Franzen's Antlitz hatte fahle Bläſſe überzogen.
Er glaubte zu träumen, wollte ſich erheben, um ſchleunigſt
den Saal zu verlaſſen, aber wie Blei lag es ihm in den
Füßen. Es wäre auch ſchwer geweſen, ohne aufzufallen, durch
die Menge zu ſchreiten. Die Furcht hatte ihn ſo entſetzlich
gepackt, daß er zitterte und den Verſuch machte, ſich hinter ſeinem
Geſellſchafter zu verbergen. Dann wieder war es die Neu¬
gierde, die ihn auf ſeinen Platz bannte — jene unerklärliche
Neugierde, die dem Menſchen angeſichts einer Gefahr über¬
kommt, der er nicht mehr zu entrinnen vermag.

Da Johannes ſich noch immer nicht ſehen ließ, ſo glaubte
[verlorenes Material – 3 Zeichen fehlen] Vorſitzende, man habe ihn ſchlecht verſtanden. So wieder¬
[verlorenes Material – Zeichen fehlt] er denn laut und vernehmbar:

[verlorenes Material – Zeichen fehlt]„Herr Drechslermeiſter Timpe hat das Wort.“
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Meiſter Timpe nicht! Wie Viele von ihnen hatten nicht von
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Urban ſei. Und die es wußten, hatten nur von ihm als von
einem wohlhabenden Manne gehört.

Jetzt ſchritt er an ihnen vorüber der Tribüne zu, mit
niedergeſchlagenen Augen, zögernd und unſicher, wie ein Mann,
der in ſeinem Leben zum erſten Male ſprechen ſoll und im
Geiſte tauſend Blicke auf ſich gerichtet ſieht. Nach zwei
Minuten hatte er mühſam das Podium erklettert. Er ver¬
beugte ſich vor dem Lieutenant, der ihn kannte und ſtellte ſich
dann Allen ſichtbar neben den Tiſch des Vorſtandes.

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[293/0305] Urban ſaß. Franzen's Antlitz hatte fahle Bläſſe überzogen. Er glaubte zu träumen, wollte ſich erheben, um ſchleunigſt den Saal zu verlaſſen, aber wie Blei lag es ihm in den Füßen. Es wäre auch ſchwer geweſen, ohne aufzufallen, durch die Menge zu ſchreiten. Die Furcht hatte ihn ſo entſetzlich gepackt, daß er zitterte und den Verſuch machte, ſich hinter ſeinem Geſellſchafter zu verbergen. Dann wieder war es die Neu¬ gierde, die ihn auf ſeinen Platz bannte — jene unerklärliche Neugierde, die dem Menſchen angeſichts einer Gefahr über¬ kommt, der er nicht mehr zu entrinnen vermag. Da Johannes ſich noch immer nicht ſehen ließ, ſo glaubte ___ Vorſitzende, man habe ihn ſchlecht verſtanden. So wieder¬ _ er denn laut und vernehmbar: _ „Herr Drechslermeiſter Timpe hat das Wort.“ _ Jetzt hatte man ihn verſtanden. Wer kannte auch Meiſter Timpe nicht! Wie Viele von ihnen hatten nicht von _ er Werkſtatt gehört, von der Gemüthlichkeit, die bei ihm _ rſche, von der Menſchenfreundlichkeit, mit der er ſeine _eſellen zu behandeln pflege. Nur ein Bruchtheil der An¬ _eſenden ahnte, daß er der Vater des „ſtillen Sozius“ von Urban ſei. Und die es wußten, hatten nur von ihm als von einem wohlhabenden Manne gehört. Jetzt ſchritt er an ihnen vorüber der Tribüne zu, mit niedergeſchlagenen Augen, zögernd und unſicher, wie ein Mann, der in ſeinem Leben zum erſten Male ſprechen ſoll und im Geiſte tauſend Blicke auf ſich gerichtet ſieht. Nach zwei Minuten hatte er mühſam das Podium erklettert. Er ver¬ beugte ſich vor dem Lieutenant, der ihn kannte und ſtellte ſich dann Allen ſichtbar neben den Tiſch des Vorſtandes. Mein Gott, wie ſah er aus! Wie er ſo daſtand, konnte

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/305>, abgerufen am 21.11.2024.