Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.er ihn doch als gutgesinnten Patrioten, dessen Sohn zu den "Die Schornsteine müssen gestürzt werden, denn sie ver¬ Er kam nicht weiter. Der Polizeilieutenant setzte den Zu gleicher Zeit erhoben tausend Gestalten sich, tausend -- -- -- -- -- -- --
"Nicht fürchten wir den Feind, Nicht die Gefahren all'; Kühn gehen wir die Bahn, Die uns geführt Lassalle." er ihn doch als gutgeſinnten Patrioten, deſſen Sohn zu den „Die Schornſteine müſſen geſtürzt werden, denn ſie ver¬ Er kam nicht weiter. Der Polizeilieutenant ſetzte den Zu gleicher Zeit erhoben tauſend Geſtalten ſich, tauſend — — — — — — —
„Nicht fürchten wir den Feind, Nicht die Gefahren all'; Kühn gehen wir die Bahn, Die uns geführt Laſſalle.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0310" n="298"/> er ihn doch als gutgeſinnten Patrioten, deſſen Sohn zu den<lb/> Fabrikbeſitzern gehörte. Schon als er Timpes merkwürdigen<lb/> Aufzug ſah, hielt er ihn für etwas ſchwach im Kopfe; ſchlie߬<lb/> lich begann er wirklich an ſeinem Verſtande zu zweifeln. Jetzt<lb/> erhob er ſich zum zweiten Male und gab dem Vorſitzenden<lb/> einen wohlmeinenden Wink. Dieſer ſtand ebenfalls auf, ſtieß<lb/> Johannes an und bat ihn abzubrechen. Timpe aber hörte nicht<lb/> darauf. Er machte eine Pauſe, um Athem zu ſchöpfen und<lb/> ſuchte dann nach Worten um ſeinem höchſten Grimm Luft zu<lb/> machen; aber er fand ſie nicht. Es ſchien, als hätte ihn<lb/> plötzlich die Sprache verlaſſen. Minuten lang ſchwieg er.<lb/> Die Zuhörer wurden unruhig. Da fiel ihm ein, was der Gro߬<lb/> vater ſo oft geſagt hatte. Die elementare Wuth eines Menſchen,<lb/> der Jahre lang ſchweigen mußte, packte ihn, und ſeiner Sinne<lb/> nicht mehr mächtig, ſchrie er in die Menge hinein:</p><lb/> <p>„Die Schornſteine müſſen geſtürzt werden, denn ſie ver¬<lb/> peſten die Luft . . . <hi rendition="#g">Schleift die Fabriken</hi> . . .<lb/><hi rendition="#g">zerbrecht die Maſchinen</hi>“ . . .</p><lb/> <p>Er kam nicht weiter. Der Polizeilieutenant ſetzte den<lb/> Helm auf und erklärte die Verſammlung für aufgelöſt.</p><lb/> <p>Zu gleicher Zeit erhoben tauſend Geſtalten ſich, tauſend<lb/> Arme ſchwenkten Hüte und Mützen und eine ungeheure Bei¬<lb/> fallsſalve durchbrauſte gleich einem entfeſſelten Sturm den<lb/> Saal. Hochrufe auf Timpe und die Sozialdemokratie er¬<lb/> ſchallten; dann ertönte aus hundert Kehlen der Geſang der<lb/> Arbeitermarſeillaiſe:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>— — — — — — —</l><lb/> <l>„Nicht fürchten wir den Feind,</l><lb/> <l>Nicht die Gefahren all';</l><lb/> <l>Kühn gehen wir die Bahn,</l><lb/> <l>Die uns geführt Laſſalle.“</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [298/0310]
er ihn doch als gutgeſinnten Patrioten, deſſen Sohn zu den
Fabrikbeſitzern gehörte. Schon als er Timpes merkwürdigen
Aufzug ſah, hielt er ihn für etwas ſchwach im Kopfe; ſchlie߬
lich begann er wirklich an ſeinem Verſtande zu zweifeln. Jetzt
erhob er ſich zum zweiten Male und gab dem Vorſitzenden
einen wohlmeinenden Wink. Dieſer ſtand ebenfalls auf, ſtieß
Johannes an und bat ihn abzubrechen. Timpe aber hörte nicht
darauf. Er machte eine Pauſe, um Athem zu ſchöpfen und
ſuchte dann nach Worten um ſeinem höchſten Grimm Luft zu
machen; aber er fand ſie nicht. Es ſchien, als hätte ihn
plötzlich die Sprache verlaſſen. Minuten lang ſchwieg er.
Die Zuhörer wurden unruhig. Da fiel ihm ein, was der Gro߬
vater ſo oft geſagt hatte. Die elementare Wuth eines Menſchen,
der Jahre lang ſchweigen mußte, packte ihn, und ſeiner Sinne
nicht mehr mächtig, ſchrie er in die Menge hinein:
„Die Schornſteine müſſen geſtürzt werden, denn ſie ver¬
peſten die Luft . . . Schleift die Fabriken . . .
zerbrecht die Maſchinen“ . . .
Er kam nicht weiter. Der Polizeilieutenant ſetzte den
Helm auf und erklärte die Verſammlung für aufgelöſt.
Zu gleicher Zeit erhoben tauſend Geſtalten ſich, tauſend
Arme ſchwenkten Hüte und Mützen und eine ungeheure Bei¬
fallsſalve durchbrauſte gleich einem entfeſſelten Sturm den
Saal. Hochrufe auf Timpe und die Sozialdemokratie er¬
ſchallten; dann ertönte aus hundert Kehlen der Geſang der
Arbeitermarſeillaiſe:
— — — — — — —
„Nicht fürchten wir den Feind,
Nicht die Gefahren all';
Kühn gehen wir die Bahn,
Die uns geführt Laſſalle.“
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