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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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schwinden des Fiebers war ein Anflung von Gallsucht bei ihm
eingezogen, der ihn bei dem kleinsten Anlaß zum Aerger in
eine unausstehliche Stimmung versetzte. Sein ganzes Sinnen
und Trachten ging nun auf's Neue dahin, den Altgesellen und
seine Schwester auf geschickte Art los zu werden, um sich der
früheren Einsamkeit erfreuen zu können.

Als er zum erstenmale die Werkstatt wieder betrat und Beyer
bei voller Thätigkeit sah, glaubte er sofort Anlaß zum Grollen
zu haben.

"Was machen Sie denn da?" fragte er ganz erstaunt.

"Sie sehen es ja, Meister -- ich drechsle", bekam er zur
Antwort.

"Wer hat Ihnen denn die Erlaubniß dazu gegeben?"

"Ich mir selbst."

"So, so, das wird ja immer feierlicher! Ich nahm an,
nur Ihre Schwester sei hier und Sie besuchten sie hin und
wieder. Ich werde die Dienste von Fräulein Marie ver¬
gelten; Sie aber habe ich hier nicht angestellt. Es thut mir
leid, daß Sie sich so lange Zeit umsonst gequält haben."

Der Altgeselle antwortete nicht gleich. Er pfiff wie ge¬
wöhnlich den Dessauer Marsch vor sich hin, arbeitete eine
Weile ruhig weiter und sagte dann:

"Meister, Sie sind noch nicht ganz gesund und obendrein
bei übler Laune; daher muß man Rücksicht nehmen. Ich
wollte Ihnen gerade sagen, wie ich mich über Ihre Genesung
freue, da theilen Sie mir auch schon die schönsten Grobheiten
aus! ... Wenn ich gearbeitet habe, so ist es nur für Sie
geschehen, nicht für mich. Ich habe mir nur soviel abgezogen
um mich satt zu essen. Hier ist die letzte Abrechnung."

ſchwinden des Fiebers war ein Anflung von Gallſucht bei ihm
eingezogen, der ihn bei dem kleinſten Anlaß zum Aerger in
eine unausſtehliche Stimmung verſetzte. Sein ganzes Sinnen
und Trachten ging nun auf's Neue dahin, den Altgeſellen und
ſeine Schweſter auf geſchickte Art los zu werden, um ſich der
früheren Einſamkeit erfreuen zu können.

Als er zum erſtenmale die Werkſtatt wieder betrat und Beyer
bei voller Thätigkeit ſah, glaubte er ſofort Anlaß zum Grollen
zu haben.

„Was machen Sie denn da?“ fragte er ganz erſtaunt.

„Sie ſehen es ja, Meiſter — ich drechsle“, bekam er zur
Antwort.

„Wer hat Ihnen denn die Erlaubniß dazu gegeben?“

„Ich mir ſelbſt.“

„So, ſo, das wird ja immer feierlicher! Ich nahm an,
nur Ihre Schweſter ſei hier und Sie beſuchten ſie hin und
wieder. Ich werde die Dienſte von Fräulein Marie ver¬
gelten; Sie aber habe ich hier nicht angeſtellt. Es thut mir
leid, daß Sie ſich ſo lange Zeit umſonſt gequält haben.“

Der Altgeſelle antwortete nicht gleich. Er pfiff wie ge¬
wöhnlich den Deſſauer Marſch vor ſich hin, arbeitete eine
Weile ruhig weiter und ſagte dann:

„Meiſter, Sie ſind noch nicht ganz geſund und obendrein
bei übler Laune; daher muß man Rückſicht nehmen. Ich
wollte Ihnen gerade ſagen, wie ich mich über Ihre Geneſung
freue, da theilen Sie mir auch ſchon die ſchönſten Grobheiten
aus! ... Wenn ich gearbeitet habe, ſo iſt es nur für Sie
geſchehen, nicht für mich. Ich habe mir nur ſoviel abgezogen
um mich ſatt zu eſſen. Hier iſt die letzte Abrechnung.“

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[306/0318] ſchwinden des Fiebers war ein Anflung von Gallſucht bei ihm eingezogen, der ihn bei dem kleinſten Anlaß zum Aerger in eine unausſtehliche Stimmung verſetzte. Sein ganzes Sinnen und Trachten ging nun auf's Neue dahin, den Altgeſellen und ſeine Schweſter auf geſchickte Art los zu werden, um ſich der früheren Einſamkeit erfreuen zu können. Als er zum erſtenmale die Werkſtatt wieder betrat und Beyer bei voller Thätigkeit ſah, glaubte er ſofort Anlaß zum Grollen zu haben. „Was machen Sie denn da?“ fragte er ganz erſtaunt. „Sie ſehen es ja, Meiſter — ich drechsle“, bekam er zur Antwort. „Wer hat Ihnen denn die Erlaubniß dazu gegeben?“ „Ich mir ſelbſt.“ „So, ſo, das wird ja immer feierlicher! Ich nahm an, nur Ihre Schweſter ſei hier und Sie beſuchten ſie hin und wieder. Ich werde die Dienſte von Fräulein Marie ver¬ gelten; Sie aber habe ich hier nicht angeſtellt. Es thut mir leid, daß Sie ſich ſo lange Zeit umſonſt gequält haben.“ Der Altgeſelle antwortete nicht gleich. Er pfiff wie ge¬ wöhnlich den Deſſauer Marſch vor ſich hin, arbeitete eine Weile ruhig weiter und ſagte dann: „Meiſter, Sie ſind noch nicht ganz geſund und obendrein bei übler Laune; daher muß man Rückſicht nehmen. Ich wollte Ihnen gerade ſagen, wie ich mich über Ihre Geneſung freue, da theilen Sie mir auch ſchon die ſchönſten Grobheiten aus! ... Wenn ich gearbeitet habe, ſo iſt es nur für Sie geſchehen, nicht für mich. Ich habe mir nur ſoviel abgezogen um mich ſatt zu eſſen. Hier iſt die letzte Abrechnung.“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/318>, abgerufen am 21.11.2024.