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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Diese Uneigennützigkeit steigerte nur Timpe's gallsüchtige
Stimmung.

"Ihr ewiger Edelmuth! Sie wissen, daß ich mir ein¬
für allemal nichts schenken lasse. Sie thun wirklich so, als
wenn Sie hier Herr im Hause wären . . . Ich muß Ihnen
aber ein- für allemal sagen, daß ich in meiner Werkstatt
keinen Sozialdemokraten dulde."

Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das so plötzlich
hervorquoll, daß Timpe seinen Gang durch die Werkstatt ein¬
stellte und ihn groß anblickte.

"Das sagen Sie mir, Meister, Sie, der selbst jetzt
auf unsere Fahne schwört? Verzeihen Sie, wenn ich das
komisch finde. Sie haben sich versprochen, Meister, so ist's,
nicht wahr?"

Nun passirte etwas Merkwürdiges, was der Geselle nicht
erwartet hatte. Timpe fing nun seinerseits an zu lachen,
schlug seinen weiten Rock über den Bauch zusammen, ging
mit sehr lustiger Miene, als amüsire er sich ganz außer¬
ordentlich, einige Male in der Werkstatt auf und ab,
setzte sich dann, da er etwas erschöpft war, auf einen
Schemel vor dem Altgesellen nieder und begann folgender¬
maßen:

"Sie sind doch bei Verstande, Beyer, haben doch zwei
gesunde Ohren, he? . . . Ja? -- dann hören Sie mich ge¬
fälligst einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen
hier sagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz,
sage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals
Mumpitz, verstehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was
meine Wahl anbetrifft, so sage ich zum dritten Male: Mumpitz,
verstehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es ist ganz

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Dieſe Uneigennützigkeit ſteigerte nur Timpe's gallſüchtige
Stimmung.

„Ihr ewiger Edelmuth! Sie wiſſen, daß ich mir ein¬
für allemal nichts ſchenken laſſe. Sie thun wirklich ſo, als
wenn Sie hier Herr im Hauſe wären . . . Ich muß Ihnen
aber ein- für allemal ſagen, daß ich in meiner Werkſtatt
keinen Sozialdemokraten dulde.“

Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das ſo plötzlich
hervorquoll, daß Timpe ſeinen Gang durch die Werkſtatt ein¬
ſtellte und ihn groß anblickte.

„Das ſagen Sie mir, Meiſter, Sie, der ſelbſt jetzt
auf unſere Fahne ſchwört? Verzeihen Sie, wenn ich das
komiſch finde. Sie haben ſich verſprochen, Meiſter, ſo iſt's,
nicht wahr?“

Nun paſſirte etwas Merkwürdiges, was der Geſelle nicht
erwartet hatte. Timpe fing nun ſeinerſeits an zu lachen,
ſchlug ſeinen weiten Rock über den Bauch zuſammen, ging
mit ſehr luſtiger Miene, als amüſire er ſich ganz außer¬
ordentlich, einige Male in der Werkſtatt auf und ab,
ſetzte ſich dann, da er etwas erſchöpft war, auf einen
Schemel vor dem Altgeſellen nieder und begann folgender¬
maßen:

„Sie ſind doch bei Verſtande, Beyer, haben doch zwei
geſunde Ohren, he? . . . Ja? — dann hören Sie mich ge¬
fälligſt einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen
hier ſagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz,
ſage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals
Mumpitz, verſtehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was
meine Wahl anbetrifft, ſo ſage ich zum dritten Male: Mumpitz,
verſtehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es iſt ganz

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[307/0319] Dieſe Uneigennützigkeit ſteigerte nur Timpe's gallſüchtige Stimmung. „Ihr ewiger Edelmuth! Sie wiſſen, daß ich mir ein¬ für allemal nichts ſchenken laſſe. Sie thun wirklich ſo, als wenn Sie hier Herr im Hauſe wären . . . Ich muß Ihnen aber ein- für allemal ſagen, daß ich in meiner Werkſtatt keinen Sozialdemokraten dulde.“ Beyer brach in ein lautes Lachen aus, das ſo plötzlich hervorquoll, daß Timpe ſeinen Gang durch die Werkſtatt ein¬ ſtellte und ihn groß anblickte. „Das ſagen Sie mir, Meiſter, Sie, der ſelbſt jetzt auf unſere Fahne ſchwört? Verzeihen Sie, wenn ich das komiſch finde. Sie haben ſich verſprochen, Meiſter, ſo iſt's, nicht wahr?“ Nun paſſirte etwas Merkwürdiges, was der Geſelle nicht erwartet hatte. Timpe fing nun ſeinerſeits an zu lachen, ſchlug ſeinen weiten Rock über den Bauch zuſammen, ging mit ſehr luſtiger Miene, als amüſire er ſich ganz außer¬ ordentlich, einige Male in der Werkſtatt auf und ab, ſetzte ſich dann, da er etwas erſchöpft war, auf einen Schemel vor dem Altgeſellen nieder und begann folgender¬ maßen: „Sie ſind doch bei Verſtande, Beyer, haben doch zwei geſunde Ohren, he? . . . Ja? — dann hören Sie mich ge¬ fälligſt einmal an und erzählen Sie allen Leuten, was ich Ihnen hier ſagen werde. Ich Ihrer Partei angehören? Mumpitz, ſage ich, Mumpitz! Ich ein Sozialdemokrat? Nochmals Mumpitz, verſtehen Sie? Nochmals Mumpitz! Und was meine Wahl anbetrifft, ſo ſage ich zum dritten Male: Mumpitz, verſtehen Sie? Zum dritten Male Mumpitz! Es iſt ganz 20*

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/319>, abgerufen am 21.11.2024.