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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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eines einzigen Geschäftsbuches, in dem die Ausgaben und
Einnahmen gewissenhaft verzeichnet wurden; bescheiden und
anspruchslos lebend, nur darauf bedacht, ohne jede Speku¬
lation zu einem soliden Wohlstande zu gelangen.

Großvater, Vater und Sohn bildeten in ihren An¬
schauungen den Typus dreier Generationen. Der dreiund¬
achtzigjährige Greis vertrat eine längst vergangene Epoche:
jene Zeit nach den Befreiungskriegen, wo nach langer Schmach
das Handwerk wieder zu Ehren gekommen war und die
deutsche Sitte auf's Neue zu herrschen begann. Er lebte
ewig in der Erinnerung an jene glorreiche Zeit, die nach
Jahren voller Schrecken und Demüthigung den deutschen
Bürger zu einem bescheidenen Menschen gemacht hatte.

Johannes Timpe hatte in den Märztagen Barrikaden
bauen helfen. Er war gleichsam das revoltirende Element,
das den Bürger als vornehmste Stütze des Staates direkt
hinter den Thron stellte und die Privilegien des Handwerks
gewahrt wissen wollte.

Und sein Sohn vertrat die neue Generation der
beginnenden Gründerjahre, welche nur darnach trachtete, auf
leichte Art Geld zu erwerben und die Gewohnheiten des
schlichten Bürgerthums dem Moloch des Genusses zu opfern.

Der Greis stellte die Vergangenheit vor, der Mann die
Gegenwart und der Jüngling die Zukunft. Der Erste
verkörperte die Naivität, der Zweite die biderbe Geradheit
des Handwerkmannes, der sich seiner Unwissenheit nicht schämt,
sich seines Werthes bewußt ist; und der Dritte die große
Lüge unserer Zeit, welche die Geistesbildung über die Herzens¬
bildung und den Schein über das Sein stellt.


eines einzigen Geſchäftsbuches, in dem die Ausgaben und
Einnahmen gewiſſenhaft verzeichnet wurden; beſcheiden und
anſpruchslos lebend, nur darauf bedacht, ohne jede Speku¬
lation zu einem ſoliden Wohlſtande zu gelangen.

Großvater, Vater und Sohn bildeten in ihren An¬
ſchauungen den Typus dreier Generationen. Der dreiund¬
achtzigjährige Greis vertrat eine längſt vergangene Epoche:
jene Zeit nach den Befreiungskriegen, wo nach langer Schmach
das Handwerk wieder zu Ehren gekommen war und die
deutſche Sitte auf's Neue zu herrſchen begann. Er lebte
ewig in der Erinnerung an jene glorreiche Zeit, die nach
Jahren voller Schrecken und Demüthigung den deutſchen
Bürger zu einem beſcheidenen Menſchen gemacht hatte.

Johannes Timpe hatte in den Märztagen Barrikaden
bauen helfen. Er war gleichſam das revoltirende Element,
das den Bürger als vornehmſte Stütze des Staates direkt
hinter den Thron ſtellte und die Privilegien des Handwerks
gewahrt wiſſen wollte.

Und ſein Sohn vertrat die neue Generation der
beginnenden Gründerjahre, welche nur darnach trachtete, auf
leichte Art Geld zu erwerben und die Gewohnheiten des
ſchlichten Bürgerthums dem Moloch des Genuſſes zu opfern.

Der Greis ſtellte die Vergangenheit vor, der Mann die
Gegenwart und der Jüngling die Zukunft. Der Erſte
verkörperte die Naivität, der Zweite die biderbe Geradheit
des Handwerkmannes, der ſich ſeiner Unwiſſenheit nicht ſchämt,
ſich ſeines Werthes bewußt iſt; und der Dritte die große
Lüge unſerer Zeit, welche die Geiſtesbildung über die Herzens¬
bildung und den Schein über das Sein ſtellt.


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[21/0033] eines einzigen Geſchäftsbuches, in dem die Ausgaben und Einnahmen gewiſſenhaft verzeichnet wurden; beſcheiden und anſpruchslos lebend, nur darauf bedacht, ohne jede Speku¬ lation zu einem ſoliden Wohlſtande zu gelangen. Großvater, Vater und Sohn bildeten in ihren An¬ ſchauungen den Typus dreier Generationen. Der dreiund¬ achtzigjährige Greis vertrat eine längſt vergangene Epoche: jene Zeit nach den Befreiungskriegen, wo nach langer Schmach das Handwerk wieder zu Ehren gekommen war und die deutſche Sitte auf's Neue zu herrſchen begann. Er lebte ewig in der Erinnerung an jene glorreiche Zeit, die nach Jahren voller Schrecken und Demüthigung den deutſchen Bürger zu einem beſcheidenen Menſchen gemacht hatte. Johannes Timpe hatte in den Märztagen Barrikaden bauen helfen. Er war gleichſam das revoltirende Element, das den Bürger als vornehmſte Stütze des Staates direkt hinter den Thron ſtellte und die Privilegien des Handwerks gewahrt wiſſen wollte. Und ſein Sohn vertrat die neue Generation der beginnenden Gründerjahre, welche nur darnach trachtete, auf leichte Art Geld zu erwerben und die Gewohnheiten des ſchlichten Bürgerthums dem Moloch des Genuſſes zu opfern. Der Greis ſtellte die Vergangenheit vor, der Mann die Gegenwart und der Jüngling die Zukunft. Der Erſte verkörperte die Naivität, der Zweite die biderbe Geradheit des Handwerkmannes, der ſich ſeiner Unwiſſenheit nicht ſchämt, ſich ſeines Werthes bewußt iſt; und der Dritte die große Lüge unſerer Zeit, welche die Geiſtesbildung über die Herzens¬ bildung und den Schein über das Sein ſtellt.

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/33>, abgerufen am 21.11.2024.