Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er hin und wieder ein halblautes "So, So!" vernehmen
ließ, das man aber mehr als Ausdruck seiner Ueberraschung
denn einer Zustimmung betrachten konnte. Endlich sagte er
überzeugungsvoll:

"Die Geschichte wird gehen, aber wenn ich Ihnen einen
Rath geben dürfte, so wäre es der: Seien Sie vorsichtig,
ehe Sie Ihr Geld verpulvern. Wem nicht viele Mittel zur
Verfügung stehen, der sollte hübsch seinen alten Weg gehen,
ehe er einen neuen betritt. . . . In meinem Geschäft stecken
bereits Hunderttausende, und doch habe ich noch Tag und
Nacht zu arbeiten, um mich über Wasser zu halten. Einer
macht den Anderen todt. Wer es am längsten aushalten kann,
der bleibt Sieger. . . . Mit dem Geldhineinstecken ist's bald gethan,
bekomme es Einer nur erst wieder heraus! Thäte man nicht besser,
sein Geld zu einem soliden Zinsfuß anzulegen? Aber leicht
gesagt bei einem Kaufmann! Hat er einmal angefangen mit
dem Hineinstecken, dann muß er seinen Geldsack immer auf's
Neue bluten lassen. Er muß, verstehen Sie, er muß! --
sonst verschlingt ihn das große Thier Nimmersatt, das man
Konkurrenz nennt. . . . Aber die Geschichte wird eines
Tages gehen, sage ich mir, darum werde ich noch einmal mit
den Hunderttausenden anfangen."

Er machte eine Kunstpause, dann sagte er wieder:

"Sie sollten Ihr Grundstück doch verkaufen, und zwar
an mich. Ich zahle Ihnen den doppelten Preis des Werthes.
Sehen Sie, ich kann diese Ecke hier gebrauchen; sie würde
sich vortrefflich zu meinem Kontorgebäude eignen. Ich
könnte dasselbe dann direkt an die Straßenfront bauen. Ihre
Nachbarn zur Rechten und Linken sind mir bereits entgegen¬
gekommen. Die Geschichte wird gehen, wie?"

daß er hin und wieder ein halblautes „So, So!“ vernehmen
ließ, das man aber mehr als Ausdruck ſeiner Ueberraſchung
denn einer Zuſtimmung betrachten konnte. Endlich ſagte er
überzeugungsvoll:

„Die Geſchichte wird gehen, aber wenn ich Ihnen einen
Rath geben dürfte, ſo wäre es der: Seien Sie vorſichtig,
ehe Sie Ihr Geld verpulvern. Wem nicht viele Mittel zur
Verfügung ſtehen, der ſollte hübſch ſeinen alten Weg gehen,
ehe er einen neuen betritt. . . . In meinem Geſchäft ſtecken
bereits Hunderttauſende, und doch habe ich noch Tag und
Nacht zu arbeiten, um mich über Waſſer zu halten. Einer
macht den Anderen todt. Wer es am längſten aushalten kann,
der bleibt Sieger. . . . Mit dem Geldhineinſtecken iſt's bald gethan,
bekomme es Einer nur erſt wieder heraus! Thäte man nicht beſſer,
ſein Geld zu einem ſoliden Zinsfuß anzulegen? Aber leicht
geſagt bei einem Kaufmann! Hat er einmal angefangen mit
dem Hineinſtecken, dann muß er ſeinen Geldſack immer auf's
Neue bluten laſſen. Er muß, verſtehen Sie, er muß! —
ſonſt verſchlingt ihn das große Thier Nimmerſatt, das man
Konkurrenz nennt. . . . Aber die Geſchichte wird eines
Tages gehen, ſage ich mir, darum werde ich noch einmal mit
den Hunderttauſenden anfangen.“

Er machte eine Kunſtpauſe, dann ſagte er wieder:

„Sie ſollten Ihr Grundſtück doch verkaufen, und zwar
an mich. Ich zahle Ihnen den doppelten Preis des Werthes.
Sehen Sie, ich kann dieſe Ecke hier gebrauchen; ſie würde
ſich vortrefflich zu meinem Kontorgebäude eignen. Ich
könnte daſſelbe dann direkt an die Straßenfront bauen. Ihre
Nachbarn zur Rechten und Linken ſind mir bereits entgegen¬
gekommen. Die Geſchichte wird gehen, wie?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="42"/>
daß er hin und wieder ein halblautes &#x201E;So, So!&#x201C; vernehmen<lb/>
ließ, das man aber mehr als Ausdruck &#x017F;einer Ueberra&#x017F;chung<lb/>
denn einer Zu&#x017F;timmung betrachten konnte. Endlich &#x017F;agte er<lb/>
überzeugungsvoll:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Ge&#x017F;chichte wird gehen, aber wenn ich Ihnen einen<lb/>
Rath geben dürfte, &#x017F;o wäre es der: Seien Sie vor&#x017F;ichtig,<lb/>
ehe Sie Ihr Geld verpulvern. Wem nicht viele Mittel zur<lb/><choice><sic>Verfüguug</sic><corr>Verfügung</corr></choice> &#x017F;tehen, der &#x017F;ollte hüb&#x017F;ch &#x017F;einen alten Weg gehen,<lb/>
ehe er einen neuen betritt. . . . In meinem Ge&#x017F;chäft &#x017F;tecken<lb/>
bereits Hunderttau&#x017F;ende, und doch habe ich noch Tag und<lb/>
Nacht zu arbeiten, um mich über Wa&#x017F;&#x017F;er zu halten. Einer<lb/>
macht den Anderen todt. Wer es am läng&#x017F;ten aushalten kann,<lb/>
der bleibt Sieger. . . . Mit dem Geldhinein&#x017F;tecken i&#x017F;t's bald gethan,<lb/>
bekomme es Einer nur er&#x017F;t wieder heraus! Thäte man nicht be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
&#x017F;ein Geld zu einem &#x017F;oliden Zinsfuß anzulegen? Aber leicht<lb/>
ge&#x017F;agt bei einem Kaufmann! Hat er einmal angefangen mit<lb/>
dem Hinein&#x017F;tecken, dann muß er &#x017F;einen Geld&#x017F;ack immer auf's<lb/>
Neue bluten la&#x017F;&#x017F;en. Er <hi rendition="#g">muß</hi>, ver&#x017F;tehen Sie, er <hi rendition="#g">muß</hi>! &#x2014;<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t ver&#x017F;chlingt ihn das große Thier Nimmer&#x017F;att, das man<lb/>
Konkurrenz nennt. . . . Aber die Ge&#x017F;chichte wird eines<lb/>
Tages gehen, &#x017F;age ich mir, darum werde ich noch einmal mit<lb/>
den Hunderttau&#x017F;enden anfangen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er machte eine Kun&#x017F;tpau&#x017F;e, dann &#x017F;agte er wieder:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ollten Ihr Grund&#x017F;tück doch verkaufen, und zwar<lb/>
an mich. Ich zahle Ihnen den doppelten Preis des Werthes.<lb/>
Sehen Sie, ich kann die&#x017F;e Ecke hier gebrauchen; &#x017F;ie würde<lb/>
&#x017F;ich vortrefflich zu meinem Kontorgebäude eignen. Ich<lb/>
könnte da&#x017F;&#x017F;elbe dann direkt an die Straßenfront bauen. Ihre<lb/>
Nachbarn zur Rechten und Linken &#x017F;ind mir bereits entgegen¬<lb/>
gekommen. Die Ge&#x017F;chichte wird gehen, wie?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0054] daß er hin und wieder ein halblautes „So, So!“ vernehmen ließ, das man aber mehr als Ausdruck ſeiner Ueberraſchung denn einer Zuſtimmung betrachten konnte. Endlich ſagte er überzeugungsvoll: „Die Geſchichte wird gehen, aber wenn ich Ihnen einen Rath geben dürfte, ſo wäre es der: Seien Sie vorſichtig, ehe Sie Ihr Geld verpulvern. Wem nicht viele Mittel zur Verfügung ſtehen, der ſollte hübſch ſeinen alten Weg gehen, ehe er einen neuen betritt. . . . In meinem Geſchäft ſtecken bereits Hunderttauſende, und doch habe ich noch Tag und Nacht zu arbeiten, um mich über Waſſer zu halten. Einer macht den Anderen todt. Wer es am längſten aushalten kann, der bleibt Sieger. . . . Mit dem Geldhineinſtecken iſt's bald gethan, bekomme es Einer nur erſt wieder heraus! Thäte man nicht beſſer, ſein Geld zu einem ſoliden Zinsfuß anzulegen? Aber leicht geſagt bei einem Kaufmann! Hat er einmal angefangen mit dem Hineinſtecken, dann muß er ſeinen Geldſack immer auf's Neue bluten laſſen. Er muß, verſtehen Sie, er muß! — ſonſt verſchlingt ihn das große Thier Nimmerſatt, das man Konkurrenz nennt. . . . Aber die Geſchichte wird eines Tages gehen, ſage ich mir, darum werde ich noch einmal mit den Hunderttauſenden anfangen.“ Er machte eine Kunſtpauſe, dann ſagte er wieder: „Sie ſollten Ihr Grundſtück doch verkaufen, und zwar an mich. Ich zahle Ihnen den doppelten Preis des Werthes. Sehen Sie, ich kann dieſe Ecke hier gebrauchen; ſie würde ſich vortrefflich zu meinem Kontorgebäude eignen. Ich könnte daſſelbe dann direkt an die Straßenfront bauen. Ihre Nachbarn zur Rechten und Linken ſind mir bereits entgegen¬ gekommen. Die Geſchichte wird gehen, wie?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/54
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/54>, abgerufen am 21.11.2024.