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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Einzigen aus dem Munde des Mannes, der die guten Eigen¬
schaften Franzens am Besten erkannt haben mußte. So
schritt er denn bereitwillig dem großen Kaufmann voran und
öffnete ihm zuvorkommend die Werkstattthür -- wie ein Mann,
der einen ausgezeichneten Besuch empfangen hat, dem er die
größte Aufmerksamkeit erweisen muß.

Die Gesellen steckten die Köpfe zusammen und setzten
auf kurze Zeit die Drehwerkzeuge ab, um das betäubende
Geräusch zu vermindern; dann sahen sie sich an, als wollten
sie fragen: Was will denn der hier? Wiesel und Leitmann
erinnerten sich seiner sofort und nannten seinen Namen.

Der Chef des Hauses Ferdinand Friedrich Urban ent¬
wickelte ein sichtliches Interesse selbst für die kleinsten Dinge
-- gleich einem Fachmanne, der jede Gelegenheit wahrnehmen
möchte, um seine Kenntnisse zu bereichern. Sein Gesicht
neigte sich bald hier- bald dorthin, oder beugte sich tief auf
die Gegenstände; und die lange Nase, die sich wie ein Steuer
abwechselnd nach rechts und links wendete, blieb fortwährend
in Bewegung, als bildete sie ein nöthiges Bestandtheil zur
allgemeinen Prüfung. Er untersuchte Alles: die Drehbänke
die Werkzeuge, die angefangene Arbeit; stellte sechs Fragen
auf einmal, so daß Johannes Timpe Mühe hatte, die Neu¬
gierde seines Nachbarn zu befriedigen.

"Ja, Sie sind noch Einer, der zu beneiden ist! Ihnen
ist die Konkurrenz noch nicht über den Kopf gewachsen. So
sagte erst neulich der alte Heinicke -- Sie kennen ihn ja,
seine Firma ist eine der ältesten am Platze, -- daß Ihre
Horn- und Elfenbeinkrücken berühmt seien, und daß Niemand
es besser verstehe, solider zu arbeiten und eine schönere Zeich¬
nung zu erfinden, als Sie. Wer zu gleicher Zeit die Mo¬

Einzigen aus dem Munde des Mannes, der die guten Eigen¬
ſchaften Franzens am Beſten erkannt haben mußte. So
ſchritt er denn bereitwillig dem großen Kaufmann voran und
öffnete ihm zuvorkommend die Werkſtattthür — wie ein Mann,
der einen ausgezeichneten Beſuch empfangen hat, dem er die
größte Aufmerkſamkeit erweiſen muß.

Die Geſellen ſteckten die Köpfe zuſammen und ſetzten
auf kurze Zeit die Drehwerkzeuge ab, um das betäubende
Geräuſch zu vermindern; dann ſahen ſie ſich an, als wollten
ſie fragen: Was will denn der hier? Wieſel und Leitmann
erinnerten ſich ſeiner ſofort und nannten ſeinen Namen.

Der Chef des Hauſes Ferdinand Friedrich Urban ent¬
wickelte ein ſichtliches Intereſſe ſelbſt für die kleinſten Dinge
— gleich einem Fachmanne, der jede Gelegenheit wahrnehmen
möchte, um ſeine Kenntniſſe zu bereichern. Sein Geſicht
neigte ſich bald hier- bald dorthin, oder beugte ſich tief auf
die Gegenſtände; und die lange Naſe, die ſich wie ein Steuer
abwechſelnd nach rechts und links wendete, blieb fortwährend
in Bewegung, als bildete ſie ein nöthiges Beſtandtheil zur
allgemeinen Prüfung. Er unterſuchte Alles: die Drehbänke
die Werkzeuge, die angefangene Arbeit; ſtellte ſechs Fragen
auf einmal, ſo daß Johannes Timpe Mühe hatte, die Neu¬
gierde ſeines Nachbarn zu befriedigen.

„Ja, Sie ſind noch Einer, der zu beneiden iſt! Ihnen
iſt die Konkurrenz noch nicht über den Kopf gewachſen. So
ſagte erſt neulich der alte Heinicke — Sie kennen ihn ja,
ſeine Firma iſt eine der älteſten am Platze, — daß Ihre
Horn- und Elfenbeinkrücken berühmt ſeien, und daß Niemand
es beſſer verſtehe, ſolider zu arbeiten und eine ſchönere Zeich¬
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[45/0057] Einzigen aus dem Munde des Mannes, der die guten Eigen¬ ſchaften Franzens am Beſten erkannt haben mußte. So ſchritt er denn bereitwillig dem großen Kaufmann voran und öffnete ihm zuvorkommend die Werkſtattthür — wie ein Mann, der einen ausgezeichneten Beſuch empfangen hat, dem er die größte Aufmerkſamkeit erweiſen muß. Die Geſellen ſteckten die Köpfe zuſammen und ſetzten auf kurze Zeit die Drehwerkzeuge ab, um das betäubende Geräuſch zu vermindern; dann ſahen ſie ſich an, als wollten ſie fragen: Was will denn der hier? Wieſel und Leitmann erinnerten ſich ſeiner ſofort und nannten ſeinen Namen. Der Chef des Hauſes Ferdinand Friedrich Urban ent¬ wickelte ein ſichtliches Intereſſe ſelbſt für die kleinſten Dinge — gleich einem Fachmanne, der jede Gelegenheit wahrnehmen möchte, um ſeine Kenntniſſe zu bereichern. Sein Geſicht neigte ſich bald hier- bald dorthin, oder beugte ſich tief auf die Gegenſtände; und die lange Naſe, die ſich wie ein Steuer abwechſelnd nach rechts und links wendete, blieb fortwährend in Bewegung, als bildete ſie ein nöthiges Beſtandtheil zur allgemeinen Prüfung. Er unterſuchte Alles: die Drehbänke die Werkzeuge, die angefangene Arbeit; ſtellte ſechs Fragen auf einmal, ſo daß Johannes Timpe Mühe hatte, die Neu¬ gierde ſeines Nachbarn zu befriedigen. „Ja, Sie ſind noch Einer, der zu beneiden iſt! Ihnen iſt die Konkurrenz noch nicht über den Kopf gewachſen. So ſagte erſt neulich der alte Heinicke — Sie kennen ihn ja, ſeine Firma iſt eine der älteſten am Platze, — daß Ihre Horn- und Elfenbeinkrücken berühmt ſeien, und daß Niemand es beſſer verſtehe, ſolider zu arbeiten und eine ſchönere Zeich¬ nung zu erfinden, als Sie. Wer zu gleicher Zeit die Mo¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/57>, abgerufen am 21.11.2024.