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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch
ist dieser Artikel noch viel zu theuer. Neue Maschinenerfin¬
dungen werden auch hier noch eine große Rolle spielen
müssen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?"

Meister Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick
glitt prüfend über den Fabrikanten, der anscheinend gleich¬
gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zusah. Ein gewisses
Mißtrauen stieg in ihm auf, aber es verschwand auch ebenso
schnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieser
Mann, der in einem vortrefflichen Renommee stand, um sein
Vertrauen bat, so würde er dasselbe jedenfalls auch zu achten
verstehen. Und dann: man stiehlt nicht gleich mit den Augen,
man prägt sich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren
Herstellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch
längerer Zeit bedurfte.

So sagte er denn höflich: "Wollen Sie die Güte
haben --?" und führte den reichen Kaufmann in das
Allerheiligste seines Hauses: in seine Arbeitsstube, die ihm
zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier stand
seine Drehbank, pflegte er allein zu sinnen und zu schaffen.
Selbst die Gesellen hatten hier keinen Zutritt; sie mußten
vorher anklopfen, wollten sie den Meister sprechen. Wenn
mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, so geschah
es nur, weil dessen Treue und Ehrlichkeit seit langer Zeit er¬
probt waren.

Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die
Wände entlang, wo an Bindfaden befestigt und mit Nummern
versehen, unzählige Holzgegenstände hingen, die in alen
Formen und Gestalten aus Meister Timpes kunstgeübter
Hand hervorgegangen waren.

delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch
iſt dieſer Artikel noch viel zu theuer. Neue Maſchinenerfin¬
dungen werden auch hier noch eine große Rolle ſpielen
müſſen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?“

Meiſter Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick
glitt prüfend über den Fabrikanten, der anſcheinend gleich¬
gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zuſah. Ein gewiſſes
Mißtrauen ſtieg in ihm auf, aber es verſchwand auch ebenſo
ſchnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieſer
Mann, der in einem vortrefflichen Renommee ſtand, um ſein
Vertrauen bat, ſo würde er daſſelbe jedenfalls auch zu achten
verſtehen. Und dann: man ſtiehlt nicht gleich mit den Augen,
man prägt ſich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren
Herſtellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch
längerer Zeit bedurfte.

So ſagte er denn höflich: „Wollen Sie die Güte
haben —?“ und führte den reichen Kaufmann in das
Allerheiligſte ſeines Hauſes: in ſeine Arbeitsſtube, die ihm
zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier ſtand
ſeine Drehbank, pflegte er allein zu ſinnen und zu ſchaffen.
Selbſt die Geſellen hatten hier keinen Zutritt; ſie mußten
vorher anklopfen, wollten ſie den Meiſter ſprechen. Wenn
mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, ſo geſchah
es nur, weil deſſen Treue und Ehrlichkeit ſeit langer Zeit er¬
probt waren.

Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die
Wände entlang, wo an Bindfaden befeſtigt und mit Nummern
verſehen, unzählige Holzgegenſtände hingen, die in alen
Formen und Geſtalten aus Meiſter Timpes kunſtgeübter
Hand hervorgegangen waren.

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[46/0058] delle macht, der hat eben den größten Vortheil. Und doch iſt dieſer Artikel noch viel zu theuer. Neue Maſchinenerfin¬ dungen werden auch hier noch eine große Rolle ſpielen müſſen. . . . Wollen Sie mir nicht einmal Ihre Modelle zeigen?“ Meiſter Timpe zögerte einen Augenblick. Sein Blick glitt prüfend über den Fabrikanten, der anſcheinend gleich¬ gültig den Arbeiten Thomas Beyer's zuſah. Ein gewiſſes Mißtrauen ſtieg in ihm auf, aber es verſchwand auch ebenſo ſchnell. Lächerlich das, woran er eben dachte! Wenn dieſer Mann, der in einem vortrefflichen Renommee ſtand, um ſein Vertrauen bat, ſo würde er daſſelbe jedenfalls auch zu achten verſtehen. Und dann: man ſtiehlt nicht gleich mit den Augen, man prägt ſich in wenigen Minuten nicht Dinge ein, deren Herſtellung manchen harten Tages, deren Erfindung noch längerer Zeit bedurfte. So ſagte er denn höflich: „Wollen Sie die Güte haben —?“ und führte den reichen Kaufmann in das Allerheiligſte ſeines Hauſes: in ſeine Arbeitsſtube, die ihm zugleich zur Aufbewahrung der Modelle diente. Hier ſtand ſeine Drehbank, pflegte er allein zu ſinnen und zu ſchaffen. Selbſt die Geſellen hatten hier keinen Zutritt; ſie mußten vorher anklopfen, wollten ſie den Meiſter ſprechen. Wenn mit Thomas Beyer eine Ausnahme gemacht wurde, ſo geſchah es nur, weil deſſen Treue und Ehrlichkeit ſeit langer Zeit er¬ probt waren. Urbans Blick glitt voll unverkennbaren Entzückens die Wände entlang, wo an Bindfaden befeſtigt und mit Nummern verſehen, unzählige Holzgegenſtände hingen, die in alen Formen und Geſtalten aus Meiſter Timpes kunſtgeübter Hand hervorgegangen waren.

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/58>, abgerufen am 21.11.2024.