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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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daß sie niemals ihren Stiefvater als solchen anerkennen werde
und sich vorgenommen habe, allen Ernstes barmherzige
Schwester zu werden, falls Herr Urban es jemals wagen
sollte, irgend welche väterlichen Rechte über sie ausüben zu
wollen. Und zum Schluß brach sich der ganze Jammer ihrer
Mädchenseele über die Verwüstung im Parke Bahn.

"Ich werde es Mama'n niemals verzeihen können, daß
sie den Namen meines Vaters einem Vandalen geopfert hat,
der keinen Respekt vor dem Allerheiligsten und keinen Sinn
für Natur hat. Alle Menschen haben uns um diesen
schönen Garten inmitten der Stadt beneidet, Mama hat oft
betheuert, sie werde ihn niemals veräußern, und nun soll hier
alles wie Kraut und Rüben ausgerissen werden. Es ist ein¬
fach schändlich!"

Sie ballte die Hände, die Lippen zuckten und ihre
Augen wurden feucht, so daß Therese ganz ergriffen wurde,
ihren Arm um Emmas Taille legte und Neigung zeigte, sich
aus alter Anhänglichkeit demselben Schmerze hinzugeben. Um
ihr Mitgefühl zu beweisen, drückte sie das Taschentuch mehr¬
mals gegen das Antlitz.

Franzen's Sinn für Romantik war niemals bedeutend ausge¬
prägt gewesen. Seitdem er sich dem Kaufmannsstande
widmete, suchte er eine gewisse Force darin, über Alles
äußerst nüchtern und praktisch zu denken und bei jeder Ge¬
legenheit seinen Cynismus hervorzukehren. Er fand daher
das Gebahren der beiden Mädchen äußerst komisch, lachte und
sagte sehr altklug:

"Das verstehen Sie Beide nicht, meine Damen."

Er machte eine Pause der Ueberlegenheit, beschäftigte sich
einige Augenblicke mit den Spitzen seiner ersten Mannes¬

daß ſie niemals ihren Stiefvater als ſolchen anerkennen werde
und ſich vorgenommen habe, allen Ernſtes barmherzige
Schweſter zu werden, falls Herr Urban es jemals wagen
ſollte, irgend welche väterlichen Rechte über ſie ausüben zu
wollen. Und zum Schluß brach ſich der ganze Jammer ihrer
Mädchenſeele über die Verwüſtung im Parke Bahn.

„Ich werde es Mama'n niemals verzeihen können, daß
ſie den Namen meines Vaters einem Vandalen geopfert hat,
der keinen Reſpekt vor dem Allerheiligſten und keinen Sinn
für Natur hat. Alle Menſchen haben uns um dieſen
ſchönen Garten inmitten der Stadt beneidet, Mama hat oft
betheuert, ſie werde ihn niemals veräußern, und nun ſoll hier
alles wie Kraut und Rüben ausgeriſſen werden. Es iſt ein¬
fach ſchändlich!“

Sie ballte die Hände, die Lippen zuckten und ihre
Augen wurden feucht, ſo daß Thereſe ganz ergriffen wurde,
ihren Arm um Emmas Taille legte und Neigung zeigte, ſich
aus alter Anhänglichkeit demſelben Schmerze hinzugeben. Um
ihr Mitgefühl zu beweiſen, drückte ſie das Taſchentuch mehr¬
mals gegen das Antlitz.

Franzen's Sinn für Romantik war niemals bedeutend ausge¬
prägt geweſen. Seitdem er ſich dem Kaufmannsſtande
widmete, ſuchte er eine gewiſſe Force darin, über Alles
äußerſt nüchtern und praktiſch zu denken und bei jeder Ge¬
legenheit ſeinen Cynismus hervorzukehren. Er fand daher
das Gebahren der beiden Mädchen äußerſt komiſch, lachte und
ſagte ſehr altklug:

„Das verſtehen Sie Beide nicht, meine Damen.“

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einige Augenblicke mit den Spitzen ſeiner erſten Mannes¬

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[55/0067] daß ſie niemals ihren Stiefvater als ſolchen anerkennen werde und ſich vorgenommen habe, allen Ernſtes barmherzige Schweſter zu werden, falls Herr Urban es jemals wagen ſollte, irgend welche väterlichen Rechte über ſie ausüben zu wollen. Und zum Schluß brach ſich der ganze Jammer ihrer Mädchenſeele über die Verwüſtung im Parke Bahn. „Ich werde es Mama'n niemals verzeihen können, daß ſie den Namen meines Vaters einem Vandalen geopfert hat, der keinen Reſpekt vor dem Allerheiligſten und keinen Sinn für Natur hat. Alle Menſchen haben uns um dieſen ſchönen Garten inmitten der Stadt beneidet, Mama hat oft betheuert, ſie werde ihn niemals veräußern, und nun ſoll hier alles wie Kraut und Rüben ausgeriſſen werden. Es iſt ein¬ fach ſchändlich!“ Sie ballte die Hände, die Lippen zuckten und ihre Augen wurden feucht, ſo daß Thereſe ganz ergriffen wurde, ihren Arm um Emmas Taille legte und Neigung zeigte, ſich aus alter Anhänglichkeit demſelben Schmerze hinzugeben. Um ihr Mitgefühl zu beweiſen, drückte ſie das Taſchentuch mehr¬ mals gegen das Antlitz. Franzen's Sinn für Romantik war niemals bedeutend ausge¬ prägt geweſen. Seitdem er ſich dem Kaufmannsſtande widmete, ſuchte er eine gewiſſe Force darin, über Alles äußerſt nüchtern und praktiſch zu denken und bei jeder Ge¬ legenheit ſeinen Cynismus hervorzukehren. Er fand daher das Gebahren der beiden Mädchen äußerſt komiſch, lachte und ſagte ſehr altklug: „Das verſtehen Sie Beide nicht, meine Damen.“ Er machte eine Pauſe der Ueberlegenheit, beſchäftigte ſich einige Augenblicke mit den Spitzen ſeiner erſten Mannes¬

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/67>, abgerufen am 24.11.2024.