Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888."Niemals, Mama! Ich werde mich nie daran ge¬ Frau Urban zog ihre Tochter an sich, legte den Arm "Es giebt gewisse Dinge im Leben, die man durchaus so Einen Augenblick drohten bei Emma die Thränen hervor¬ "Mama, ich habe Dich von Herzen lieb! Ich will es "Sie sind eben vernünftige Mädchen," warf Frau "Also dann bin ich unvernünftig! Es scheint sich hier Ihre Mutter brach in ein lautes Lachen aus, das ihrer „Niemals, Mama! Ich werde mich nie daran ge¬ Frau Urban zog ihre Tochter an ſich, legte den Arm „Es giebt gewiſſe Dinge im Leben, die man durchaus ſo Einen Augenblick drohten bei Emma die Thränen hervor¬ „Mama, ich habe Dich von Herzen lieb! Ich will es „Sie ſind eben vernünftige Mädchen,“ warf Frau „Alſo dann bin ich unvernünftig! Es ſcheint ſich hier Ihre Mutter brach in ein lautes Lachen aus, das ihrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0075" n="63"/> <p>„Niemals, Mama! Ich werde mich nie daran ge¬<lb/> wöhnen können. Ich kann ihn nun einmal nicht leiden. Wie<lb/> gut war dagegen unſer wirklicher Papa — Du weißt, ich war<lb/> ſechs Jahr alt, als er ſtarb, und kann mich ſeiner noch ſehr<lb/> gut erinnern.“</p><lb/> <p>Frau Urban zog ihre Tochter an ſich, legte den Arm<lb/> um ihre Schulter und ſagte ſanft:</p><lb/> <p>„Es giebt gewiſſe Dinge im Leben, die man durchaus ſo<lb/> nehmen muß, wie ſie ſind, will man ſich nicht ſelbſt das Da¬<lb/> ſein erſchweren. ... Mir zu Liebe wirſt Du es thun, Kind¬<lb/> chen, nicht wahr?“</p><lb/> <p>Einen Augenblick drohten bei Emma die Thränen hervor¬<lb/> zubrechen; ſie unterdrückte dieſelben aber, weil ihr Stiefvater<lb/> ſie nicht weinen ſehen ſollte. Dann ſagte ſie, indem ſie ihre<lb/> Mutter plötzlich mit beiden Armen umſchlang:</p><lb/> <p>„Mama, ich habe Dich von Herzen lieb! Ich will es<lb/> thun, weil Du es wünſcheſt. Aber nie und nimmer werde<lb/> ich dieſe Liebe auf Herrn Urban ausdehnen können. Ich ver¬<lb/> ſtehe garnicht, wie Alwine und Bertha ſo gleichgiltig darüber<lb/> denken können.“</p><lb/> <p>„Sie ſind eben vernünftige Mädchen,“ warf Frau<lb/> Urban ein.</p><lb/> <p>„Alſo dann bin ich unvernünftig! Es ſcheint ſich hier<lb/> viel geändert zu haben, ſeitdem ich nicht mehr unter Euch<lb/> weilte und nicht nach dem Rechten ſehen konnte.“</p><lb/> <p>Ihre Mutter brach in ein lautes Lachen aus, das ihrer<lb/> ſonſtigen Ruhe ganz widerſprach. „Siehſt Du, ſo gefällſt Du<lb/> mir wieder“, ſagte ſie dann; „daran erkenne ich meine luſtige<lb/> Plaudertaſche. Du beſitzeſt Humor und der iſt nicht jedem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0075]
„Niemals, Mama! Ich werde mich nie daran ge¬
wöhnen können. Ich kann ihn nun einmal nicht leiden. Wie
gut war dagegen unſer wirklicher Papa — Du weißt, ich war
ſechs Jahr alt, als er ſtarb, und kann mich ſeiner noch ſehr
gut erinnern.“
Frau Urban zog ihre Tochter an ſich, legte den Arm
um ihre Schulter und ſagte ſanft:
„Es giebt gewiſſe Dinge im Leben, die man durchaus ſo
nehmen muß, wie ſie ſind, will man ſich nicht ſelbſt das Da¬
ſein erſchweren. ... Mir zu Liebe wirſt Du es thun, Kind¬
chen, nicht wahr?“
Einen Augenblick drohten bei Emma die Thränen hervor¬
zubrechen; ſie unterdrückte dieſelben aber, weil ihr Stiefvater
ſie nicht weinen ſehen ſollte. Dann ſagte ſie, indem ſie ihre
Mutter plötzlich mit beiden Armen umſchlang:
„Mama, ich habe Dich von Herzen lieb! Ich will es
thun, weil Du es wünſcheſt. Aber nie und nimmer werde
ich dieſe Liebe auf Herrn Urban ausdehnen können. Ich ver¬
ſtehe garnicht, wie Alwine und Bertha ſo gleichgiltig darüber
denken können.“
„Sie ſind eben vernünftige Mädchen,“ warf Frau
Urban ein.
„Alſo dann bin ich unvernünftig! Es ſcheint ſich hier
viel geändert zu haben, ſeitdem ich nicht mehr unter Euch
weilte und nicht nach dem Rechten ſehen konnte.“
Ihre Mutter brach in ein lautes Lachen aus, das ihrer
ſonſtigen Ruhe ganz widerſprach. „Siehſt Du, ſo gefällſt Du
mir wieder“, ſagte ſie dann; „daran erkenne ich meine luſtige
Plaudertaſche. Du beſitzeſt Humor und der iſt nicht jedem
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