Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen beschieden; man kann sich mit ihm vortrefflich zu
trösten versuchen."

Emmas Stimmung hätte wohl nicht so schnell gewechselt,
wenn sie nicht die Vertraulichkeit, mit welcher ihr Stiefvater
mit Franz verkehrte, bemerkt haben würde. Das erweckte
eine gewisse Befriedigung in ihr, denn sie konnte sich nicht
verhehlen, daß ihr einstiger Jugendfreund trotz seiner prosaischen
Anschauungen und seines stutzerhaften Auftretens, dessen
Komik ihr nicht entging, ein hübscher, junger Mann von
Manieren geworden sei, der, was das Aeußerliche betraf,
einen sehr günstigen Eindruck auf sie gemacht hatte. Da sie
auf ihrem Landaufenthalt nur mit einigen jungen Leuten zu¬
sammengekommen war, Söhnen von Lehrern, Pächtern und
Pastoren, die zum Theil sehr blöde und beschränkt thaten und
jede Keckheit vermissen ließen, so hatte Franzen's furchtloses,
elegantes Auftreten sofort ihre Anerkennung errungen. Da¬
durch wurde ihre günstige Meinung von ihm nur noch be¬
stärkt; und nicht minder durch den freundlichen Ton, mit
welchem er hier empfangen worden war.

Im Laufe des Gespräches mußte sie ihrer Mutter
beichten, wie und wo sie die Bekanntschaft des jungen Mannes
erneuert hatte. Bei dieser Gelegenheit hielt sie sich für verpflichtet,
auf den kleinen Streit zwischen ihr und Franz zurückzukommen
und die Lobeshymne desselben auf ihren Stiefvater zu er¬
wähnen.

"Siehst Du", sagte Frau Urban, "da hast Du gleich
Einen, der anderer Meinung über Deinen neuen Papa ist.
Daß die Bäume fallen müssen, thut mir ebenso leid wie
Dir, aber wir haben Ersatz dafür: Urban besitzt in Steglitz
eine sehr schöne Villa, zu der ein prächtiger Garten ge¬

Menſchen beſchieden; man kann ſich mit ihm vortrefflich zu
tröſten verſuchen.“

Emmas Stimmung hätte wohl nicht ſo ſchnell gewechſelt,
wenn ſie nicht die Vertraulichkeit, mit welcher ihr Stiefvater
mit Franz verkehrte, bemerkt haben würde. Das erweckte
eine gewiſſe Befriedigung in ihr, denn ſie konnte ſich nicht
verhehlen, daß ihr einſtiger Jugendfreund trotz ſeiner proſaiſchen
Anſchauungen und ſeines ſtutzerhaften Auftretens, deſſen
Komik ihr nicht entging, ein hübſcher, junger Mann von
Manieren geworden ſei, der, was das Aeußerliche betraf,
einen ſehr günſtigen Eindruck auf ſie gemacht hatte. Da ſie
auf ihrem Landaufenthalt nur mit einigen jungen Leuten zu¬
ſammengekommen war, Söhnen von Lehrern, Pächtern und
Paſtoren, die zum Theil ſehr blöde und beſchränkt thaten und
jede Keckheit vermiſſen ließen, ſo hatte Franzen's furchtloſes,
elegantes Auftreten ſofort ihre Anerkennung errungen. Da¬
durch wurde ihre günſtige Meinung von ihm nur noch be¬
ſtärkt; und nicht minder durch den freundlichen Ton, mit
welchem er hier empfangen worden war.

Im Laufe des Geſpräches mußte ſie ihrer Mutter
beichten, wie und wo ſie die Bekanntſchaft des jungen Mannes
erneuert hatte. Bei dieſer Gelegenheit hielt ſie ſich für verpflichtet,
auf den kleinen Streit zwiſchen ihr und Franz zurückzukommen
und die Lobeshymne deſſelben auf ihren Stiefvater zu er¬
wähnen.

„Siehſt Du“, ſagte Frau Urban, „da haſt Du gleich
Einen, der anderer Meinung über Deinen neuen Papa iſt.
Daß die Bäume fallen müſſen, thut mir ebenſo leid wie
Dir, aber wir haben Erſatz dafür: Urban beſitzt in Steglitz
eine ſehr ſchöne Villa, zu der ein prächtiger Garten ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="64"/>
Men&#x017F;chen be&#x017F;chieden; man kann &#x017F;ich mit ihm vortrefflich zu<lb/>
trö&#x017F;ten ver&#x017F;uchen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Emmas Stimmung hätte wohl nicht &#x017F;o &#x017F;chnell gewech&#x017F;elt,<lb/>
wenn &#x017F;ie nicht die Vertraulichkeit, mit welcher ihr Stiefvater<lb/>
mit Franz verkehrte, bemerkt haben würde. Das erweckte<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Befriedigung in ihr, denn &#x017F;ie konnte &#x017F;ich nicht<lb/>
verhehlen, daß ihr ein&#x017F;tiger Jugendfreund trotz &#x017F;einer pro&#x017F;ai&#x017F;chen<lb/>
An&#x017F;chauungen und &#x017F;eines &#x017F;tutzerhaften Auftretens, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Komik ihr nicht entging, ein hüb&#x017F;cher, junger Mann von<lb/>
Manieren geworden &#x017F;ei, der, was das Aeußerliche betraf,<lb/>
einen &#x017F;ehr gün&#x017F;tigen Eindruck auf &#x017F;ie gemacht hatte. Da &#x017F;ie<lb/>
auf ihrem Landaufenthalt nur mit einigen jungen Leuten zu¬<lb/>
&#x017F;ammengekommen war, Söhnen von Lehrern, Pächtern und<lb/>
Pa&#x017F;toren, die zum Theil &#x017F;ehr blöde und be&#x017F;chränkt thaten und<lb/>
jede Keckheit vermi&#x017F;&#x017F;en ließen, &#x017F;o hatte Franzen's furchtlo&#x017F;es,<lb/>
elegantes Auftreten &#x017F;ofort ihre Anerkennung errungen. Da¬<lb/>
durch wurde ihre gün&#x017F;tige Meinung von ihm nur noch be¬<lb/>
&#x017F;tärkt; und nicht minder durch den freundlichen Ton, mit<lb/>
welchem er hier empfangen worden war.</p><lb/>
        <p>Im Laufe des Ge&#x017F;präches mußte &#x017F;ie ihrer Mutter<lb/>
beichten, wie und wo &#x017F;ie die Bekannt&#x017F;chaft des jungen Mannes<lb/>
erneuert hatte. Bei die&#x017F;er Gelegenheit hielt &#x017F;ie &#x017F;ich für verpflichtet,<lb/>
auf den kleinen Streit zwi&#x017F;chen ihr und Franz zurückzukommen<lb/>
und die Lobeshymne de&#x017F;&#x017F;elben auf ihren Stiefvater zu er¬<lb/>
wähnen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sieh&#x017F;t Du&#x201C;, &#x017F;agte Frau Urban, &#x201E;da ha&#x017F;t Du gleich<lb/>
Einen, der anderer Meinung über Deinen neuen Papa i&#x017F;t.<lb/>
Daß die Bäume fallen mü&#x017F;&#x017F;en, thut mir eben&#x017F;o leid wie<lb/>
Dir, aber wir haben Er&#x017F;atz dafür: Urban be&#x017F;itzt in Steglitz<lb/>
eine &#x017F;ehr &#x017F;chöne Villa, zu der ein prächtiger Garten ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0076] Menſchen beſchieden; man kann ſich mit ihm vortrefflich zu tröſten verſuchen.“ Emmas Stimmung hätte wohl nicht ſo ſchnell gewechſelt, wenn ſie nicht die Vertraulichkeit, mit welcher ihr Stiefvater mit Franz verkehrte, bemerkt haben würde. Das erweckte eine gewiſſe Befriedigung in ihr, denn ſie konnte ſich nicht verhehlen, daß ihr einſtiger Jugendfreund trotz ſeiner proſaiſchen Anſchauungen und ſeines ſtutzerhaften Auftretens, deſſen Komik ihr nicht entging, ein hübſcher, junger Mann von Manieren geworden ſei, der, was das Aeußerliche betraf, einen ſehr günſtigen Eindruck auf ſie gemacht hatte. Da ſie auf ihrem Landaufenthalt nur mit einigen jungen Leuten zu¬ ſammengekommen war, Söhnen von Lehrern, Pächtern und Paſtoren, die zum Theil ſehr blöde und beſchränkt thaten und jede Keckheit vermiſſen ließen, ſo hatte Franzen's furchtloſes, elegantes Auftreten ſofort ihre Anerkennung errungen. Da¬ durch wurde ihre günſtige Meinung von ihm nur noch be¬ ſtärkt; und nicht minder durch den freundlichen Ton, mit welchem er hier empfangen worden war. Im Laufe des Geſpräches mußte ſie ihrer Mutter beichten, wie und wo ſie die Bekanntſchaft des jungen Mannes erneuert hatte. Bei dieſer Gelegenheit hielt ſie ſich für verpflichtet, auf den kleinen Streit zwiſchen ihr und Franz zurückzukommen und die Lobeshymne deſſelben auf ihren Stiefvater zu er¬ wähnen. „Siehſt Du“, ſagte Frau Urban, „da haſt Du gleich Einen, der anderer Meinung über Deinen neuen Papa iſt. Daß die Bäume fallen müſſen, thut mir ebenſo leid wie Dir, aber wir haben Erſatz dafür: Urban beſitzt in Steglitz eine ſehr ſchöne Villa, zu der ein prächtiger Garten ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/76
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/76>, abgerufen am 21.11.2024.