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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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erst recht verschlossen, wenn man nicht durch längeren Verkehr ihr Vertrauen gewonnen hat. So wurde aus der Katechese mehr eine Bibelstunde, in der ich Abschnitte aus den Evangelien auslegte. Die Leute waren aufmerksam, ebenso bei der Predigt. Hoffentlich haben einige einen Eindruck davongetragen; von etlichen wurde ich getäuscht, da sie nach ihrer Entlassung rasch zu leichtfertig-gottlosem Treiben sich wendeten.

Mein lieber Freund Helffenstein übertrug mir als Nebenamt fleissige Mitarbeit am "Evang. Kirchenboten für die Pfalz", dessen Redakteur er war, und ausserdem die Korrektur des Blattes, die recht lästig war.

Auch Privatstunden musste ich übernehmen, doch nur in beschränktem Masse. Einem Basler Patriziersohn ertheilte ich Konfirmandenunterricht und einem Neufchateler Theologiestudenten, der sich in Zweibrücken aufhielt, um Deutsch zu lernen, nahm Unterricht im Hebräischen bei mir und löste das vor Beginn des Unterrichts gegebene Versprechen so glänzend ein, dass er nach etwa 24 Stunden die Formenlehre sicher inne hatte, mit den Hauptregeln der Syntax bekannt war und auch eine schöne copia vocabularum besass, so dass er sich leicht weiterhelfen konnte. Ich habe diesem Schüler herzlich gedankt für die Freude, die er mir machte.

Trotz recht vieler Arbeit fand ich Zeit, den Weg von Zweibrücken nach Einöd fleissig zu gehen, nicht des Spazierganges wegen, denn ich war nie ein Spaziergänger der Luft und Bewegung wegen; auch zog mich die schöne Gegend nicht an, wohl aber ein Mann, den ich auf diesem Wege öfter traf, und der am Wege liegende Kaplaneihof, in welchem jener Mann mit 2 Töchtern und einem Sohne wohnte. Eine seiner Töchter hiess Amalie, mit der ich mich da und dort unterhalten hatte und die ich fleissig in der Kirche sah; der Mann hiess Erlenwein und ich wollte sein Schwiegersohn werden. Die Entscheidung kam mitten in der Absolutorialprüfung und der Revision des Unterrichts in sämtlichen Klassen. Für mich war es die erste Prüfung, die über mich als Gymnasialprofessor erging, also hätten Herzensangelegenheiten eigentlich ruhen sollen. Aber da gab sich nach einer Probe des Kirchenchores, dessen Mitglieder

erst recht verschlossen, wenn man nicht durch längeren Verkehr ihr Vertrauen gewonnen hat. So wurde aus der Katechese mehr eine Bibelstunde, in der ich Abschnitte aus den Evangelien auslegte. Die Leute waren aufmerksam, ebenso bei der Predigt. Hoffentlich haben einige einen Eindruck davongetragen; von etlichen wurde ich getäuscht, da sie nach ihrer Entlassung rasch zu leichtfertig-gottlosem Treiben sich wendeten.

Mein lieber Freund Helffenstein übertrug mir als Nebenamt fleissige Mitarbeit am ”Evang. Kirchenboten für die Pfalz“, dessen Redakteur er war, und ausserdem die Korrektur des Blattes, die recht lästig war.

Auch Privatstunden musste ich übernehmen, doch nur in beschränktem Masse. Einem Basler Patriziersohn ertheilte ich Konfirmandenunterricht und einem Neufchateler Theologiestudenten, der sich in Zweibrücken aufhielt, um Deutsch zu lernen, nahm Unterricht im Hebräischen bei mir und löste das vor Beginn des Unterrichts gegebene Versprechen so glänzend ein, dass er nach etwa 24 Stunden die Formenlehre sicher inne hatte, mit den Hauptregeln der Syntax bekannt war und auch eine schöne copia vocabularum besass, so dass er sich leicht weiterhelfen konnte. Ich habe diesem Schüler herzlich gedankt für die Freude, die er mir machte.

Trotz recht vieler Arbeit fand ich Zeit, den Weg von Zweibrücken nach Einöd fleissig zu gehen, nicht des Spazierganges wegen, denn ich war nie ein Spaziergänger der Luft und Bewegung wegen; auch zog mich die schöne Gegend nicht an, wohl aber ein Mann, den ich auf diesem Wege öfter traf, und der am Wege liegende Kaplaneihof, in welchem jener Mann mit 2 Töchtern und einem Sohne wohnte. Eine seiner Töchter hiess Amalie, mit der ich mich da und dort unterhalten hatte und die ich fleissig in der Kirche sah; der Mann hiess Erlenwein und ich wollte sein Schwiegersohn werden. Die Entscheidung kam mitten in der Absolutorialprüfung und der Revision des Unterrichts in sämtlichen Klassen. Für mich war es die erste Prüfung, die über mich als Gymnasialprofessor erging, also hätten Herzensangelegenheiten eigentlich ruhen sollen. Aber da gab sich nach einer Probe des Kirchenchores, dessen Mitglieder

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[65/0065] erst recht verschlossen, wenn man nicht durch längeren Verkehr ihr Vertrauen gewonnen hat. So wurde aus der Katechese mehr eine Bibelstunde, in der ich Abschnitte aus den Evangelien auslegte. Die Leute waren aufmerksam, ebenso bei der Predigt. Hoffentlich haben einige einen Eindruck davongetragen; von etlichen wurde ich getäuscht, da sie nach ihrer Entlassung rasch zu leichtfertig-gottlosem Treiben sich wendeten. Mein lieber Freund Helffenstein übertrug mir als Nebenamt fleissige Mitarbeit am ”Evang. Kirchenboten für die Pfalz“, dessen Redakteur er war, und ausserdem die Korrektur des Blattes, die recht lästig war. Auch Privatstunden musste ich übernehmen, doch nur in beschränktem Masse. Einem Basler Patriziersohn ertheilte ich Konfirmandenunterricht und einem Neufchateler Theologiestudenten, der sich in Zweibrücken aufhielt, um Deutsch zu lernen, nahm Unterricht im Hebräischen bei mir und löste das vor Beginn des Unterrichts gegebene Versprechen so glänzend ein, dass er nach etwa 24 Stunden die Formenlehre sicher inne hatte, mit den Hauptregeln der Syntax bekannt war und auch eine schöne copia vocabularum besass, so dass er sich leicht weiterhelfen konnte. Ich habe diesem Schüler herzlich gedankt für die Freude, die er mir machte. Trotz recht vieler Arbeit fand ich Zeit, den Weg von Zweibrücken nach Einöd fleissig zu gehen, nicht des Spazierganges wegen, denn ich war nie ein Spaziergänger der Luft und Bewegung wegen; auch zog mich die schöne Gegend nicht an, wohl aber ein Mann, den ich auf diesem Wege öfter traf, und der am Wege liegende Kaplaneihof, in welchem jener Mann mit 2 Töchtern und einem Sohne wohnte. Eine seiner Töchter hiess Amalie, mit der ich mich da und dort unterhalten hatte und die ich fleissig in der Kirche sah; der Mann hiess Erlenwein und ich wollte sein Schwiegersohn werden. Die Entscheidung kam mitten in der Absolutorialprüfung und der Revision des Unterrichts in sämtlichen Klassen. Für mich war es die erste Prüfung, die über mich als Gymnasialprofessor erging, also hätten Herzensangelegenheiten eigentlich ruhen sollen. Aber da gab sich nach einer Probe des Kirchenchores, dessen Mitglieder

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/65>, abgerufen am 28.11.2024.