Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Muffel. Ja die Demuth! die Demuth! die ist eine grosse Tugend! Herr v. R. Bestehet es denn mit ihrer Demuth, Herr Muffel, wann sie sich eine Gewalt über ein Herz anmassen, über welches sie doch keine haben, welches frey ist, und zu keiner Gegenliebe gezwungen werden kan? Muffel. Ja - - Nein - - Ja es bestehet - - Nein, wollt ich sagen, es bestehet nicht mit derselben. Herr v. R. Wann es nicht damit bestehet, so werden sie vermuthlich auch einsehen, daß sie unrecht thun, wenn sie sich über das Herz der Fräulein Wilhelmine eine Gewalt an- massen, weil sie keine über dasselbe haben. Sie wollen es zur Gegenliebe zwingen, aber wissen sie nicht, daß sie es schon verschenkt hat, und daß Herr Wahrmund der recht- mäßige Besitzer davon ist? Muffel. Behüte mich mein Gott, daß ich ihr Herz verlangen sollte. Nein, das begehre ich nicht, das muß allein am Himmlischen hän- gen. Jch will sie nur zur Frau haben. Lie- ben aber soll sie mich nicht, denn ich bin irr- disch, und sie muß nichts Jrrdisches lieben. Herr v. R. Sie wollen, daß sie sie nicht liebe, und doch ihre Frau sey? Muffel. Ja das will ich, und ich will sie auch nicht lieben, denn sie ist auch nichts anders als Staub, Erde und Asche. Herr v. R. Was für eine Verwirrung der Be- griffe ist das? Wahrm.
Muffel. Ja die Demuth! die Demuth! die iſt eine groſſe Tugend! Herr v. R. Beſtehet es denn mit ihrer Demuth, Herr Muffel, wann ſie ſich eine Gewalt uͤber ein Herz anmaſſen, uͤber welches ſie doch keine haben, welches frey iſt, und zu keiner Gegenliebe gezwungen werden kan? Muffel. Ja ‒ ‒ Nein ‒ ‒ Ja es beſtehet ‒ ‒ Nein, wollt ich ſagen, es beſtehet nicht mit derſelben. Herr v. R. Wann es nicht damit beſtehet, ſo werden ſie vermuthlich auch einſehen, daß ſie unrecht thun, wenn ſie ſich uͤber das Herz der Fraͤulein Wilhelmine eine Gewalt an- maſſen, weil ſie keine uͤber daſſelbe haben. Sie wollen es zur Gegenliebe zwingen, aber wiſſen ſie nicht, daß ſie es ſchon verſchenkt hat, und daß Herr Wahrmund der recht- maͤßige Beſitzer davon iſt? Muffel. Behuͤte mich mein Gott, daß ich ihr Herz verlangen ſollte. Nein, das begehre ich nicht, das muß allein am Himmliſchen haͤn- gen. Jch will ſie nur zur Frau haben. Lie- ben aber ſoll ſie mich nicht, denn ich bin irr- diſch, und ſie muß nichts Jrrdiſches lieben. Herr v. R. Sie wollen, daß ſie ſie nicht liebe, und doch ihre Frau ſey? Muffel. Ja das will ich, und ich will ſie auch nicht lieben, denn ſie iſt auch nichts anders als Staub, Erde und Aſche. Herr v. R. Was fuͤr eine Verwirrung der Be- griffe iſt das? Wahrm.
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Muffel. Ja die Demuth! die Demuth! die iſt
eine groſſe Tugend!
Herr v. R. Beſtehet es denn mit ihrer Demuth,
Herr Muffel, wann ſie ſich eine Gewalt
uͤber ein Herz anmaſſen, uͤber welches ſie
doch keine haben, welches frey iſt, und zu
keiner Gegenliebe gezwungen werden kan?
Muffel. Ja ‒ ‒ Nein ‒ ‒ Ja es beſtehet ‒ ‒
Nein, wollt ich ſagen, es beſtehet nicht mit
derſelben.
Herr v. R. Wann es nicht damit beſtehet, ſo
werden ſie vermuthlich auch einſehen, daß
ſie unrecht thun, wenn ſie ſich uͤber das Herz
der Fraͤulein Wilhelmine eine Gewalt an-
maſſen, weil ſie keine uͤber daſſelbe haben.
Sie wollen es zur Gegenliebe zwingen, aber
wiſſen ſie nicht, daß ſie es ſchon verſchenkt
hat, und daß Herr Wahrmund der recht-
maͤßige Beſitzer davon iſt?
Muffel. Behuͤte mich mein Gott, daß ich ihr
Herz verlangen ſollte. Nein, das begehre ich
nicht, das muß allein am Himmliſchen haͤn-
gen. Jch will ſie nur zur Frau haben. Lie-
ben aber ſoll ſie mich nicht, denn ich bin irr-
diſch, und ſie muß nichts Jrrdiſches lieben.
Herr v. R. Sie wollen, daß ſie ſie nicht liebe,
und doch ihre Frau ſey?
Muffel. Ja das will ich, und ich will ſie auch
nicht lieben, denn ſie iſt auch nichts anders
als Staub, Erde und Aſche.
Herr v. R. Was fuͤr eine Verwirrung der Be-
griffe iſt das?
Wahrm.
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