Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.Aber sage mir, glaubst du denn im Ernste, daß die Prediger Geheimnisse haben, welche sie für sich behalten? Peter. Freylich glaub ichs, und ich glaub es darum, weil unter zehn Worten, die unser Herr sagt, sehr oft neune sind, aus welchen kein Mensch klug werden kan. Cathrine. Du hast Recht, Peter. Die mei- sten Prediger wollen Geheimnisse haben; in der That aber haben sie nur ein einziges, welches darin bestehet, daß sie gar nichts wissen. Dies ist ein Geheimniß, welches sie für sich behalten; denn zu andern Leuten sa- gen sie, daß sie sehr viel wissen, und dies su- chen sie durch hohe und leere Worte wahr- scheinlich zu machen. Wir arme Leute, die wir unsern gantzen Verstand dem Kü- ster zu danken haben, welcher sich auch schon mit unter die Geheimnißvolle Dorfgeistlich- keit rechnet, wir müssen ihnen wohl glau- ben. Doch klügere Leute sehen die Unwis- senheit und Tyranney unserer Seelsorger besser ein. Peter. Still! da kommt unser Herr aus dem Garten: Wann er uns hier allein beysam- men fände, so solte er wohl gar meinen, daß wir schon Verlöbniß hielten, und da würde er uns gewiß eine verdrießliche Pre- digt von der Keuschheit halten. (Peter läust eilend ab.) Zwey- A 5
Aber ſage mir, glaubſt du denn im Ernſte, daß die Prediger Geheimniſſe haben, welche ſie fuͤr ſich behalten? Peter. Freylich glaub ichs, und ich glaub es darum, weil unter zehn Worten, die unſer Herr ſagt, ſehr oft neune ſind, aus welchen kein Menſch klug werden kan. Cathrine. Du haſt Recht, Peter. Die mei- ſten Prediger wollen Geheimniſſe haben; in der That aber haben ſie nur ein einziges, welches darin beſtehet, daß ſie gar nichts wiſſen. Dies iſt ein Geheimniß, welches ſie fuͤr ſich behalten; denn zu andern Leuten ſa- gen ſie, daß ſie ſehr viel wiſſen, und dies ſu- chen ſie durch hohe und leere Worte wahr- ſcheinlich zu machen. Wir arme Leute, die wir unſern gantzen Verſtand dem Kuͤ- ſter zu danken haben, welcher ſich auch ſchon mit unter die Geheimnißvolle Dorfgeiſtlich- keit rechnet, wir muͤſſen ihnen wohl glau- ben. Doch kluͤgere Leute ſehen die Unwiſ- ſenheit und Tyranney unſerer Seelſorger beſſer ein. Peter. Still! da kommt unſer Herr aus dem Garten: Wann er uns hier allein beyſam- men faͤnde, ſo ſolte er wohl gar meinen, daß wir ſchon Verloͤbniß hielten, und da wuͤrde er uns gewiß eine verdrießliche Pre- digt von der Keuſchheit halten. (Peter laͤuſt eilend ab.) Zwey- A 5
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Aber ſage mir, glaubſt du denn im Ernſte,
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Peter. Freylich glaub ichs, und ich glaub es
darum, weil unter zehn Worten, die unſer
Herr ſagt, ſehr oft neune ſind, aus welchen
kein Menſch klug werden kan.
Cathrine. Du haſt Recht, Peter. Die mei-
ſten Prediger wollen Geheimniſſe haben;
in der That aber haben ſie nur ein einziges,
welches darin beſtehet, daß ſie gar nichts
wiſſen. Dies iſt ein Geheimniß, welches ſie
fuͤr ſich behalten; denn zu andern Leuten ſa-
gen ſie, daß ſie ſehr viel wiſſen, und dies ſu-
chen ſie durch hohe und leere Worte wahr-
ſcheinlich zu machen. Wir arme Leute,
die wir unſern gantzen Verſtand dem Kuͤ-
ſter zu danken haben, welcher ſich auch ſchon
mit unter die Geheimnißvolle Dorfgeiſtlich-
keit rechnet, wir muͤſſen ihnen wohl glau-
ben. Doch kluͤgere Leute ſehen die Unwiſ-
ſenheit und Tyranney unſerer Seelſorger
beſſer ein.
Peter. Still! da kommt unſer Herr aus dem
Garten: Wann er uns hier allein beyſam-
men faͤnde, ſo ſolte er wohl gar meinen,
daß wir ſchon Verloͤbniß hielten, und da
wuͤrde er uns gewiß eine verdrießliche Pre-
digt von der Keuſchheit halten.
(Peter laͤuſt eilend ab.)
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