Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.dem alten Herrn Hieronymus abgestattet; der Mann ist in seinem Amte recht fett ge- worden. Er bleibt noch immer bey seinem Jahrgange. Nun ist er bey nahe 30 Jahr im Amte. Jn den 3 ersten Jahren hat er alle seine Predigten von Wort zu Wort studiret, in den folgenden Jahren aber nur besser auswendig gelernt; er hat also iede Predigt schon 10 mahl hergesagt. Davon ist er ihrer so geläuftig geworden, daß er ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonn- abends das Concept hervor suchen, des Sonntags Morgens einmahl durchlesen, und dann um 9 Uhr dasselbe seiner Gemeine noch einmahl vorbeten, was er ihr schon vor 30 Jahren, und seitdem schon zehnmahl, in eben dem Thone vorgesagt hat. Jch werde ihm nach seinem Beyspiele folgen. Drey Jahre werden mir sauer werden, da werd ich viel auszuschreiben und auswendig zu lernen haben; doch, dafür kan ich auch 20 oder 30 Jahre lang faullenzen. Muffel. Auf diese Weise muß ja dem Herrn Hieronymus die Zeit erschrecklich lang wer- den, weil er die gantze Woche hindurch nichts zu thun hat. Oder schreibt er viel- leicht Bücher? Tempelst. Er ist zwar ein grundgelehrter Mann, aber mit dem Bücherschreiben giebet er sich nicht ab. Er kan seine Zeit besser und geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr aufgestanden ist, bis 10 Uhr Thee getrun- cken
dem alten Herrn Hieronymus abgeſtattet; der Mann iſt in ſeinem Amte recht fett ge- worden. Er bleibt noch immer bey ſeinem Jahrgange. Nun iſt er bey nahe 30 Jahr im Amte. Jn den 3 erſten Jahren hat er alle ſeine Predigten von Wort zu Wort ſtudiret, in den folgenden Jahren aber nur beſſer auswendig gelernt; er hat alſo iede Predigt ſchon 10 mahl hergeſagt. Davon iſt er ihrer ſo gelaͤuftig geworden, daß er ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonn- abends das Concept hervor ſuchen, des Sonntags Morgens einmahl durchleſen, und dann um 9 Uhr daſſelbe ſeiner Gemeine noch einmahl vorbeten, was er ihr ſchon vor 30 Jahren, und ſeitdem ſchon zehnmahl, in eben dem Thone vorgeſagt hat. Jch werde ihm nach ſeinem Beyſpiele folgen. Drey Jahre werden mir ſauer werden, da werd ich viel auszuſchreiben und auswendig zu lernen haben; doch, dafuͤr kan ich auch 20 oder 30 Jahre lang faullenzen. Muffel. Auf dieſe Weiſe muß ja dem Herrn Hieronymus die Zeit erſchrecklich lang wer- den, weil er die gantze Woche hindurch nichts zu thun hat. Oder ſchreibt er viel- leicht Buͤcher? Tempelſt. Er iſt zwar ein grundgelehrter Mann, aber mit dem Buͤcherſchreiben giebet er ſich nicht ab. Er kan ſeine Zeit beſſer und geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr aufgeſtanden iſt, bis 10 Uhr Thee getrun- cken
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#TEM"> <p><pb facs="#f0038" n="34"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> dem alten Herrn Hieronymus abgeſtattet;<lb/> der Mann iſt in ſeinem Amte recht fett ge-<lb/> worden. Er bleibt noch immer bey ſeinem<lb/> Jahrgange. Nun iſt er bey nahe 30 Jahr<lb/> im Amte. Jn den 3 erſten Jahren hat er<lb/> alle ſeine Predigten von Wort zu Wort<lb/> ſtudiret, in den folgenden Jahren aber nur<lb/> beſſer auswendig gelernt; er hat alſo iede<lb/> Predigt ſchon 10 mahl hergeſagt. Davon<lb/> iſt er ihrer ſo gelaͤuftig geworden, daß er<lb/> ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonn-<lb/> abends das Concept hervor ſuchen, des<lb/> Sonntags Morgens einmahl durchleſen,<lb/> und dann um 9 Uhr daſſelbe ſeiner Gemeine<lb/> noch einmahl vorbeten, was er ihr ſchon<lb/> vor 30 Jahren, und ſeitdem ſchon zehnmahl,<lb/> in eben dem Thone vorgeſagt hat. Jch<lb/> werde ihm nach ſeinem Beyſpiele folgen.<lb/> Drey Jahre werden mir ſauer werden, da<lb/> werd ich viel auszuſchreiben und auswendig<lb/> zu lernen haben; doch, dafuͤr kan ich auch<lb/> 20 oder 30 Jahre lang faullenzen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MUF"> <speaker>Muffel.</speaker> <p>Auf dieſe Weiſe muß ja dem Herrn<lb/> Hieronymus die Zeit erſchrecklich lang wer-<lb/> den, weil er die gantze Woche hindurch<lb/> nichts zu thun hat. Oder ſchreibt er viel-<lb/> leicht Buͤcher?</p> </sp><lb/> <sp who="#TEM"> <speaker>Tempelſt.</speaker> <p>Er iſt zwar ein grundgelehrter Mann,<lb/> aber mit dem Buͤcherſchreiben giebet er ſich<lb/> nicht ab. Er kan ſeine Zeit beſſer und<lb/> geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr<lb/> aufgeſtanden iſt, bis 10 Uhr Thee getrun-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">cken</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0038]
dem alten Herrn Hieronymus abgeſtattet;
der Mann iſt in ſeinem Amte recht fett ge-
worden. Er bleibt noch immer bey ſeinem
Jahrgange. Nun iſt er bey nahe 30 Jahr
im Amte. Jn den 3 erſten Jahren hat er
alle ſeine Predigten von Wort zu Wort
ſtudiret, in den folgenden Jahren aber nur
beſſer auswendig gelernt; er hat alſo iede
Predigt ſchon 10 mahl hergeſagt. Davon
iſt er ihrer ſo gelaͤuftig geworden, daß er
ietzo weiter nichts thun darf, als des Sonn-
abends das Concept hervor ſuchen, des
Sonntags Morgens einmahl durchleſen,
und dann um 9 Uhr daſſelbe ſeiner Gemeine
noch einmahl vorbeten, was er ihr ſchon
vor 30 Jahren, und ſeitdem ſchon zehnmahl,
in eben dem Thone vorgeſagt hat. Jch
werde ihm nach ſeinem Beyſpiele folgen.
Drey Jahre werden mir ſauer werden, da
werd ich viel auszuſchreiben und auswendig
zu lernen haben; doch, dafuͤr kan ich auch
20 oder 30 Jahre lang faullenzen.
Muffel. Auf dieſe Weiſe muß ja dem Herrn
Hieronymus die Zeit erſchrecklich lang wer-
den, weil er die gantze Woche hindurch
nichts zu thun hat. Oder ſchreibt er viel-
leicht Buͤcher?
Tempelſt. Er iſt zwar ein grundgelehrter Mann,
aber mit dem Buͤcherſchreiben giebet er ſich
nicht ab. Er kan ſeine Zeit beſſer und
geruhiger hinbringen. Wann er um 9 Uhr
aufgeſtanden iſt, bis 10 Uhr Thee getrun-
cken
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |