Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.cken, bis 11 Uhr sich angezogen, bis 2 Uhr gespeiset und bis 3 Uhr Mittagsruhe gehal- ten hat; So besucht er einen frommen und reichen Bürger, oder einen andern Vor- nehmen, der ein Cliente von ihm als seinem Beichtvater ist. Diese fragt er nach dem Zustande ihrer Seelen, und fährt mit sei- nen theologischen Reden so lange fort, bis der Coffee oder der Wein auf den Tisch kommt, oder bis sie mit ihm in einen Gar- ten fahren, oder das Abendessen anrichten. Bey diesen Gelegenheiten fallen zuweilen genug zeitvertreibende Discurse vor, oder die Gesellschaft ist auch an sich schon ange- nehm, zumahl wenn artiges Frauenzimmer darunter ist. Wann er nicht ausgeht, so hat er seine Concepte durchzusehen, welche er ietzund ins reine schreiben läßt, weil er alle seine Predigten heraus geben will. Muffel. Das wird eine brave Postille werden 3 Predigten über ieden Text! Es wird doch alles in der Welt leichter gemacht. Unsre Nachkommen werden schon besser predi- gen, als wir, denn sie bekommen grössere Postillen. Tempelst. Ueberdem von einem so gelehrten Manne, der schon 20 Jahr im Amte ist, und ein ganzes Zimmer voll Postillen hat. Muffel. Aber die Stadtprediger werden doch wohl nicht so von ihren Gemeinen beschenkt, als wir von den Bauern? Tempelst. C 2
cken, bis 11 Uhr ſich angezogen, bis 2 Uhr geſpeiſet und bis 3 Uhr Mittagsruhe gehal- ten hat; So beſucht er einen frommen und reichen Buͤrger, oder einen andern Vor- nehmen, der ein Cliente von ihm als ſeinem Beichtvater iſt. Dieſe fragt er nach dem Zuſtande ihrer Seelen, und faͤhrt mit ſei- nen theologiſchen Reden ſo lange fort, bis der Coffee oder der Wein auf den Tiſch kommt, oder bis ſie mit ihm in einen Gar- ten fahren, oder das Abendeſſen anrichten. Bey dieſen Gelegenheiten fallen zuweilen genug zeitvertreibende Diſcurſe vor, oder die Geſellſchaft iſt auch an ſich ſchon ange- nehm, zumahl wenn artiges Frauenzimmer darunter iſt. Wann er nicht ausgeht, ſo hat er ſeine Concepte durchzuſehen, welche er ietzund ins reine ſchreiben laͤßt, weil er alle ſeine Predigten heraus geben will. Muffel. Das wird eine brave Poſtille werden 3 Predigten uͤber ieden Text! Es wird doch alles in der Welt leichter gemacht. Unſre Nachkommen werden ſchon beſſer predi- gen, als wir, denn ſie bekommen groͤſſere Poſtillen. Tempelſt. Ueberdem von einem ſo gelehrten Manne, der ſchon 20 Jahr im Amte iſt, und ein ganzes Zimmer voll Poſtillen hat. Muffel. Aber die Stadtprediger werden doch wohl nicht ſo von ihren Gemeinen beſchenkt, als wir von den Bauern? Tempelſt. C 2
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reichen Buͤrger, oder einen andern Vor-
nehmen, der ein Cliente von ihm als ſeinem
Beichtvater iſt. Dieſe fragt er nach dem
Zuſtande ihrer Seelen, und faͤhrt mit ſei-
nen theologiſchen Reden ſo lange fort, bis
der Coffee oder der Wein auf den Tiſch
kommt, oder bis ſie mit ihm in einen Gar-
ten fahren, oder das Abendeſſen anrichten.
Bey dieſen Gelegenheiten fallen zuweilen
genug zeitvertreibende Diſcurſe vor, oder
die Geſellſchaft iſt auch an ſich ſchon ange-
nehm, zumahl wenn artiges Frauenzimmer
darunter iſt. Wann er nicht ausgeht, ſo
hat er ſeine Concepte durchzuſehen, welche
er ietzund ins reine ſchreiben laͤßt, weil er
alle ſeine Predigten heraus geben will.
Muffel. Das wird eine brave Poſtille werden
3 Predigten uͤber ieden Text! Es wird doch
alles in der Welt leichter gemacht. Unſre
Nachkommen werden ſchon beſſer predi-
gen, als wir, denn ſie bekommen groͤſſere
Poſtillen.
Tempelſt. Ueberdem von einem ſo gelehrten
Manne, der ſchon 20 Jahr im Amte iſt,
und ein ganzes Zimmer voll Poſtillen hat.
Muffel. Aber die Stadtprediger werden doch
wohl nicht ſo von ihren Gemeinen beſchenkt,
als wir von den Bauern?
Tempelſt.
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