Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.vielen aufgeweckten Discursen kamen wir auch auf einen Geistlichen zu reden, wel- cher uns Gelegenheit gab, über seinen frucht- losen Eyfer für das äusserliche des Gottes- dienstes zu lachen. Ein gewisses Frauenzim- mer, welche in der Gesellschaft am helle- sten gelacht hatte, wurde ganz schamroth und bestürzt, da sie hernachmals erfuhr, daß wir über ihren Beichtvater gelacht hatten. Nein, Schönste, sie urtheilen beherzter und beständiger, als jene. Wilhelmine. Daß müssen ja blöde Augen seyn, welche sich durch die schwarze Farbe der Geistlichen so leicht verblenden lassen. Jch werde das Laster bey einem Prediger nie- mals Tugend nennen, weil ihm von einem andern vielleicht eben so lasterhaften die Hände unter einer andächtigen Verstellung auf das Haupt geleget worden, oder weil man ihn darum, daß er 2 Jahr in Halle gewesen ist, mit uralten, hergebrachten Ge- bräuchen zum Priester eingesegnet hat. Jch fälle das Urtheil, daß diese Ceremonien so wenig im Stande sind, aus einem Tauge- nichts einen tugendhaften und gelehrten Mann zu machen, als die alberne Possen jenes lustigen Wirthes dem Don Quixott die wahre Tapferkeit eingeflößt haben. Wahrmund. Jch sage nicht zu viel, schönstes Fräulein, wenn ich behaupte, daß sie den Vorzug erlangt haben, von den geheime- sten Vorurtheilen befreyet zu seyn. Hätte mich
vielen aufgeweckten Diſcurſen kamen wir auch auf einen Geiſtlichen zu reden, wel- cher uns Gelegenheit gab, uͤber ſeinen frucht- loſen Eyfer fuͤr das aͤuſſerliche des Gottes- dienſtes zu lachen. Ein gewiſſes Frauenzim- mer, welche in der Geſellſchaft am helle- ſten gelacht hatte, wurde ganz ſchamroth und beſtuͤrzt, da ſie hernachmals erfuhr, daß wir uͤber ihren Beichtvater gelacht hatten. Nein, Schoͤnſte, ſie urtheilen beherzter und beſtaͤndiger, als jene. Wilhelmine. Daß muͤſſen ja bloͤde Augen ſeyn, welche ſich durch die ſchwarze Farbe der Geiſtlichen ſo leicht verblenden laſſen. Jch werde das Laſter bey einem Prediger nie- mals Tugend nennen, weil ihm von einem andern vielleicht eben ſo laſterhaften die Haͤnde unter einer andaͤchtigen Verſtellung auf das Haupt geleget worden, oder weil man ihn darum, daß er 2 Jahr in Halle geweſen iſt, mit uralten, hergebrachten Ge- braͤuchen zum Prieſter eingeſegnet hat. Jch faͤlle das Urtheil, daß dieſe Ceremonien ſo wenig im Stande ſind, aus einem Tauge- nichts einen tugendhaften und gelehrten Mann zu machen, als die alberne Poſſen jenes luſtigen Wirthes dem Don Quixott die wahre Tapferkeit eingefloͤßt haben. Wahrmund. Jch ſage nicht zu viel, ſchoͤnſtes Fraͤulein, wenn ich behaupte, daß ſie den Vorzug erlangt haben, von den geheime- ſten Vorurtheilen befreyet zu ſeyn. Haͤtte mich
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vielen aufgeweckten Diſcurſen kamen wir
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loſen Eyfer fuͤr das aͤuſſerliche des Gottes-
dienſtes zu lachen. Ein gewiſſes Frauenzim-
mer, welche in der Geſellſchaft am helle-
ſten gelacht hatte, wurde ganz ſchamroth
und beſtuͤrzt, da ſie hernachmals erfuhr, daß
wir uͤber ihren Beichtvater gelacht hatten.
Nein, Schoͤnſte, ſie urtheilen beherzter und
beſtaͤndiger, als jene.
Wilhelmine. Daß muͤſſen ja bloͤde Augen ſeyn,
welche ſich durch die ſchwarze Farbe der
Geiſtlichen ſo leicht verblenden laſſen. Jch
werde das Laſter bey einem Prediger nie-
mals Tugend nennen, weil ihm von einem
andern vielleicht eben ſo laſterhaften die
Haͤnde unter einer andaͤchtigen Verſtellung
auf das Haupt geleget worden, oder weil
man ihn darum, daß er 2 Jahr in Halle
geweſen iſt, mit uralten, hergebrachten Ge-
braͤuchen zum Prieſter eingeſegnet hat. Jch
faͤlle das Urtheil, daß dieſe Ceremonien ſo
wenig im Stande ſind, aus einem Tauge-
nichts einen tugendhaften und gelehrten
Mann zu machen, als die alberne Poſſen
jenes luſtigen Wirthes dem Don Quixott
die wahre Tapferkeit eingefloͤßt haben.
Wahrmund. Jch ſage nicht zu viel, ſchoͤnſtes
Fraͤulein, wenn ich behaupte, daß ſie den
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