Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.so ist es ein Zeichen, daß ich sie allein würdig schätze, in mein Herz zu sehen. Wie kan sich aber mein Geliebter seines bürgerlichen Standes vor mir schämen? er kennt mein Herz bereits so gut, als ich es selbst kenne, er weiß, daß ich die Tugenden des Adels auch an einem Bürger ehre, und daß er alles Liebenswürdige hat, was ich liebens- würdig zu nennen pflege. Die Liebe ist nicht leicht ohne Argwohn, und ich muth- masse, daß er meine Liebe zwar merke, aber sie seiner Gegenliebe gar nicht würdig achte. Wahrmund. Jch weiß selbst nicht, was ich für einen geheimen Trieb fühle, für den be- glückten Liebhaber das Wort zu führen. Vielleicht liebt er sie auf das allerzärtlichste, denn dazu verbinden ihn die Vollkommen- heiten seiner Geliebten. Vielleicht schreibt ihm aber ein wichtiger Umstand das harte Gesetz vor: nur geheim zu lieben. Jch will es ihnen in einem Exempel deutlicher machen. Erlauben sie mir, allerschönstes Fräulein, daß ich mich an seine Stelle setze. Gesetzt, sie liebten mich - - ach! wenn sie mich liebten, - - so würde ich sie auf alle Weise wieder lieben, wie nur ein zärtlicher Liebhaber liebet, dessen Liebe auf den schönsten, auf den würdigsten Voll- kommenheiten beruhet - - - ja von dieser Art ist meine Liebe - - würden sie vor Mitleiden wohl mit mir zürnen können, wenn
ſo iſt es ein Zeichen, daß ich ſie allein wuͤrdig ſchaͤtze, in mein Herz zu ſehen. Wie kan ſich aber mein Geliebter ſeines buͤrgerlichen Standes vor mir ſchaͤmen? er kennt mein Herz bereits ſo gut, als ich es ſelbſt kenne, er weiß, daß ich die Tugenden des Adels auch an einem Buͤrger ehre, und daß er alles Liebenswuͤrdige hat, was ich liebens- wuͤrdig zu nennen pflege. Die Liebe iſt nicht leicht ohne Argwohn, und ich muth- maſſe, daß er meine Liebe zwar merke, aber ſie ſeiner Gegenliebe gar nicht wuͤrdig achte. Wahrmund. Jch weiß ſelbſt nicht, was ich fuͤr einen geheimen Trieb fuͤhle, fuͤr den be- gluͤckten Liebhaber das Wort zu fuͤhren. Vielleicht liebt er ſie auf das allerzaͤrtlichſte, denn dazu verbinden ihn die Vollkommen- heiten ſeiner Geliebten. Vielleicht ſchreibt ihm aber ein wichtiger Umſtand das harte Geſetz vor: nur geheim zu lieben. Jch will es ihnen in einem Exempel deutlicher machen. Erlauben ſie mir, allerſchoͤnſtes Fraͤulein, daß ich mich an ſeine Stelle ſetze. Geſetzt, ſie liebten mich ‒ ‒ ach! wenn ſie mich liebten, ‒ ‒ ſo wuͤrde ich ſie auf alle Weiſe wieder lieben, wie nur ein zaͤrtlicher Liebhaber liebet, deſſen Liebe auf den ſchoͤnſten, auf den wuͤrdigſten Voll- kommenheiten beruhet ‒ ‒ ‒ ja von dieſer Art iſt meine Liebe ‒ ‒ wuͤrden ſie vor Mitleiden wohl mit mir zuͤrnen koͤnnen, wenn
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Standes vor mir ſchaͤmen? er kennt mein
Herz bereits ſo gut, als ich es ſelbſt kenne,
er weiß, daß ich die Tugenden des Adels
auch an einem Buͤrger ehre, und daß er
alles Liebenswuͤrdige hat, was ich liebens-
wuͤrdig zu nennen pflege. Die Liebe iſt
nicht leicht ohne Argwohn, und ich muth-
maſſe, daß er meine Liebe zwar merke,
aber ſie ſeiner Gegenliebe gar nicht wuͤrdig
achte.
Wahrmund. Jch weiß ſelbſt nicht, was ich
fuͤr einen geheimen Trieb fuͤhle, fuͤr den be-
gluͤckten Liebhaber das Wort zu fuͤhren.
Vielleicht liebt er ſie auf das allerzaͤrtlichſte,
denn dazu verbinden ihn die Vollkommen-
heiten ſeiner Geliebten. Vielleicht ſchreibt
ihm aber ein wichtiger Umſtand das harte
Geſetz vor: nur geheim zu lieben. Jch
will es ihnen in einem Exempel deutlicher
machen. Erlauben ſie mir, allerſchoͤnſtes
Fraͤulein, daß ich mich an ſeine Stelle
ſetze. Geſetzt, ſie liebten mich ‒ ‒ ach!
wenn ſie mich liebten, ‒ ‒ ſo wuͤrde ich ſie
auf alle Weiſe wieder lieben, wie nur ein
zaͤrtlicher Liebhaber liebet, deſſen Liebe auf
den ſchoͤnſten, auf den wuͤrdigſten Voll-
kommenheiten beruhet ‒ ‒ ‒ ja von dieſer
Art iſt meine Liebe ‒ ‒ wuͤrden ſie vor
Mitleiden wohl mit mir zuͤrnen koͤnnen,
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