Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.wenn ich meine Liebe verschweigen müste? Würden sie nicht bey sich selbst sagen, er ist mein Lehrer gewesen, eine gewisse Art der Schamhaftigkeit verbindet ihn, behut- sam mit mir, als seiner Schülerin, zu verfahren? Gestehen sie nicht, Schönste, daß sie eben den Augenblick, da sie mit mir zürnen wollten, Mitleiden mit mir haben müsten? Wilhelmine. Ja ich habe Mitleiden mit ihnen. Wahrmund. Erklären sie sich deutlicher, lie- benswürdigste Wilhelmine; auf den Knien werde ich die schönen Worte erwarten, daß sie mich lieben. - - Habe ich fehlen, und ihnen meine Liebe entdecken müssen, so folgen sie mir in diesem angenehmen, und uns beyden nothwendigen Fehler. Setzen sie die Ehrfurcht an die Seite, und lassen sie ihr Herz reden. Wilhelmine. Ja ich liebe sie. Wahrmund. Diese Worte machen mich le- bendig. Jch bewundre dabey unser Schick- sal, welches uns an einem so verdrießlichen Orte auf unsre ganze Lebenszeit glücklich und vergnügt macht. Doch, ich bedencke vor Freuden nicht, wie viel wir noch an unserm Glücke zu arbeiten haben. Das erste soll seyn, daß ich alle Kräfte anwenden will, ihrer Frau Mama die Vorurtheile für Tempelstolzen zu benehmen. - -. Wilhelmine. O! diese sind gar zu tief bey ihr eingewurzelt; sie würden daher in dieser Bemü-
wenn ich meine Liebe verſchweigen muͤſte? Wuͤrden ſie nicht bey ſich ſelbſt ſagen, er iſt mein Lehrer geweſen, eine gewiſſe Art der Schamhaftigkeit verbindet ihn, behut- ſam mit mir, als ſeiner Schuͤlerin, zu verfahren? Geſtehen ſie nicht, Schoͤnſte, daß ſie eben den Augenblick, da ſie mit mir zuͤrnen wollten, Mitleiden mit mir haben muͤſten? Wilhelmine. Ja ich habe Mitleiden mit ihnen. Wahrmund. Erklaͤren ſie ſich deutlicher, lie- benswuͤrdigſte Wilhelmine; auf den Knien werde ich die ſchoͤnen Worte erwarten, daß ſie mich lieben. ‒ ‒ Habe ich fehlen, und ihnen meine Liebe entdecken muͤſſen, ſo folgen ſie mir in dieſem angenehmen, und uns beyden nothwendigen Fehler. Setzen ſie die Ehrfurcht an die Seite, und laſſen ſie ihr Herz reden. Wilhelmine. Ja ich liebe ſie. Wahrmund. Dieſe Worte machen mich le- bendig. Jch bewundre dabey unſer Schick- ſal, welches uns an einem ſo verdrießlichen Orte auf unſre ganze Lebenszeit gluͤcklich und vergnuͤgt macht. Doch, ich bedencke vor Freuden nicht, wie viel wir noch an unſerm Gluͤcke zu arbeiten haben. Das erſte ſoll ſeyn, daß ich alle Kraͤfte anwenden will, ihrer Frau Mama die Vorurtheile fuͤr Tempelſtolzen zu benehmen. ‒ ‒. Wilhelmine. O! dieſe ſind gar zu tief bey ihr eingewurzelt; ſie wuͤrden daher in dieſer Bemuͤ-
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wenn ich meine Liebe verſchweigen muͤſte?
Wuͤrden ſie nicht bey ſich ſelbſt ſagen, er
iſt mein Lehrer geweſen, eine gewiſſe Art
der Schamhaftigkeit verbindet ihn, behut-
ſam mit mir, als ſeiner Schuͤlerin, zu
verfahren? Geſtehen ſie nicht, Schoͤnſte,
daß ſie eben den Augenblick, da ſie mit
mir zuͤrnen wollten, Mitleiden mit mir
haben muͤſten?
Wilhelmine. Ja ich habe Mitleiden mit ihnen.
Wahrmund. Erklaͤren ſie ſich deutlicher, lie-
benswuͤrdigſte Wilhelmine; auf den Knien
werde ich die ſchoͤnen Worte erwarten,
daß ſie mich lieben. ‒ ‒ Habe ich fehlen,
und ihnen meine Liebe entdecken muͤſſen,
ſo folgen ſie mir in dieſem angenehmen,
und uns beyden nothwendigen Fehler.
Setzen ſie die Ehrfurcht an die Seite, und
laſſen ſie ihr Herz reden.
Wilhelmine. Ja ich liebe ſie.
Wahrmund. Dieſe Worte machen mich le-
bendig. Jch bewundre dabey unſer Schick-
ſal, welches uns an einem ſo verdrießlichen
Orte auf unſre ganze Lebenszeit gluͤcklich
und vergnuͤgt macht. Doch, ich bedencke
vor Freuden nicht, wie viel wir noch an
unſerm Gluͤcke zu arbeiten haben. Das
erſte ſoll ſeyn, daß ich alle Kraͤfte anwenden
will, ihrer Frau Mama die Vorurtheile fuͤr
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eingewurzelt; ſie wuͤrden daher in dieſer
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