Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.

Bild:
<< vorherige Seite


Wahrm. Erlauben sie mir, daß ich den Schluß
noch daran hänge. Jch weiß aber noch ei-
nen andern und vernünftigen Besitzer des-
selben Buches, welchem ich die heiligste
Freundschaft und verbindlichste Hochach-
tung schuldig bin. Er würde mir solches auf
die erste Bitte schon gewähren, jä ich glau-
be gar, daß er es gern in meine Hände
wünschte, weil er es selbst nicht nutzen kan,
und bey mir für wohl aufgehoben hält. Jch
weiß aber nicht, ob mich mein Eigensinn,
oder die Kostbarkeit des ersten, dahin verlei-
tet, daß ich dafür lieber mit allen Schwie-
rigkeiten kämpfen will, als das andre für
die erste Bitte, und zwar aus der Hand ei-
nes so werthen Freundes, annehmen. Jch
habe schon zu verwegen von ihnen gebeten,
darum lassen sie mich zeigen, wie weit eine
gehemte Begierde in ihren Wünschen, in
ihren Forderungen und in ihrer Verwe-
genheit gehet. Sie würden mich von einer
empfindlichen Bekümmerniß heilen, waun
sie mich bey diesem Freunde vertreten und
ihn versichern wollten, daß ich sein Ge-
schenke nach meiner Schuldigkeit hochachte,
und daß ich es nicht ausschlagen würde,
wenn nur mein Herz, welches sich in diesem
Falle nicht überreden liesse, jenes Buch
nicht so köstbar und so liebenswürdig fände.
Hr. von Ros. (lächelnd) Wer ist denn der wun-
derliche Besitzer des ersten Buches, Herr
Wahrmund?
Wahrm.


Wahrm. Erlauben ſie mir, daß ich den Schluß
noch daran haͤnge. Jch weiß aber noch ei-
nen andern und vernuͤnftigen Beſitzer deſ-
ſelben Buches, welchem ich die heiligſte
Freundſchaft und verbindlichſte Hochach-
tung ſchuldig bin. Er wuͤrde mir ſolches auf
die erſte Bitte ſchon gewaͤhren, jaͤ ich glau-
be gar, daß er es gern in meine Haͤnde
wuͤnſchte, weil er es ſelbſt nicht nutzen kan,
und bey mir fuͤr wohl aufgehoben haͤlt. Jch
weiß aber nicht, ob mich mein Eigenſinn,
oder die Koſtbarkeit des erſten, dahin verlei-
tet, daß ich dafuͤr lieber mit allen Schwie-
rigkeiten kaͤmpfen will, als das andre fuͤr
die erſte Bitte, und zwar aus der Hand ei-
nes ſo werthen Freundes, annehmen. Jch
habe ſchon zu verwegen von ihnen gebeten,
darum laſſen ſie mich zeigen, wie weit eine
gehemte Begierde in ihren Wuͤnſchen, in
ihren Forderungen und in ihrer Verwe-
genheit gehet. Sie wuͤrden mich von einer
empfindlichen Bekuͤmmerniß heilen, waun
ſie mich bey dieſem Freunde vertreten und
ihn verſichern wollten, daß ich ſein Ge-
ſchenke nach meiner Schuldigkeit hochachte,
und daß ich es nicht ausſchlagen wuͤrde,
wenn nur mein Herz, welches ſich in dieſem
Falle nicht uͤberreden lieſſe, jenes Buch
nicht ſo koͤſtbar und ſo liebenswuͤrdig faͤnde.
Hr. von Roſ. (laͤchelnd) Wer iſt denn der wun-
derliche Beſitzer des erſten Buches, Herr
Wahrmund?
Wahrm.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0060" n="56"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <sp who="#WAH">
            <speaker>Wahrm.</speaker>
            <p>Erlauben &#x017F;ie mir, daß ich den Schluß<lb/>
noch daran ha&#x0364;nge. Jch weiß aber noch ei-<lb/>
nen andern und <choice><sic>venu&#x0364;nftigen</sic><corr>vernu&#x0364;nftigen</corr></choice> Be&#x017F;itzer de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben Buches, welchem ich die heilig&#x017F;te<lb/>
Freund&#x017F;chaft und verbindlich&#x017F;te Hochach-<lb/>
tung &#x017F;chuldig bin. Er wu&#x0364;rde mir &#x017F;olches auf<lb/>
die er&#x017F;te Bitte &#x017F;chon gewa&#x0364;hren, ja&#x0364; ich glau-<lb/>
be gar, daß er es gern in meine Ha&#x0364;nde<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, weil er es &#x017F;elb&#x017F;t nicht nutzen kan,<lb/>
und bey mir fu&#x0364;r wohl aufgehoben ha&#x0364;lt. Jch<lb/>
weiß aber nicht, ob mich mein Eigen&#x017F;inn,<lb/>
oder die Ko&#x017F;tbarkeit des er&#x017F;ten, dahin verlei-<lb/>
tet, daß ich dafu&#x0364;r lieber mit allen Schwie-<lb/>
rigkeiten ka&#x0364;mpfen will, als das andre fu&#x0364;r<lb/>
die er&#x017F;te Bitte, und zwar aus der Hand ei-<lb/>
nes &#x017F;o werthen Freundes, annehmen. Jch<lb/>
habe &#x017F;chon zu verwegen von ihnen gebeten,<lb/>
darum la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mich zeigen, wie weit eine<lb/>
gehemte Begierde in ihren Wu&#x0364;n&#x017F;chen, in<lb/>
ihren Forderungen und in ihrer Verwe-<lb/>
genheit gehet. Sie wu&#x0364;rden mich von einer<lb/>
empfindlichen Beku&#x0364;mmerniß heilen, waun<lb/>
&#x017F;ie mich bey die&#x017F;em Freunde vertreten und<lb/>
ihn ver&#x017F;ichern wollten, daß ich &#x017F;ein Ge-<lb/>
&#x017F;chenke nach meiner Schuldigkeit hochachte,<lb/>
und daß ich es nicht aus&#x017F;chlagen wu&#x0364;rde,<lb/>
wenn nur mein Herz, welches &#x017F;ich in die&#x017F;em<lb/>
Falle nicht u&#x0364;berreden lie&#x017F;&#x017F;e, jenes Buch<lb/>
nicht &#x017F;o ko&#x0364;&#x017F;tbar und &#x017F;o liebenswu&#x0364;rdig fa&#x0364;nde.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HVR">
            <speaker>Hr. von Ro&#x017F;.</speaker>
            <stage>(la&#x0364;chelnd)</stage>
            <p>Wer i&#x017F;t denn der wun-<lb/>
derliche Be&#x017F;itzer des er&#x017F;ten Buches, Herr<lb/>
Wahrmund?</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Wahrm.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0060] Wahrm. Erlauben ſie mir, daß ich den Schluß noch daran haͤnge. Jch weiß aber noch ei- nen andern und vernuͤnftigen Beſitzer deſ- ſelben Buches, welchem ich die heiligſte Freundſchaft und verbindlichſte Hochach- tung ſchuldig bin. Er wuͤrde mir ſolches auf die erſte Bitte ſchon gewaͤhren, jaͤ ich glau- be gar, daß er es gern in meine Haͤnde wuͤnſchte, weil er es ſelbſt nicht nutzen kan, und bey mir fuͤr wohl aufgehoben haͤlt. Jch weiß aber nicht, ob mich mein Eigenſinn, oder die Koſtbarkeit des erſten, dahin verlei- tet, daß ich dafuͤr lieber mit allen Schwie- rigkeiten kaͤmpfen will, als das andre fuͤr die erſte Bitte, und zwar aus der Hand ei- nes ſo werthen Freundes, annehmen. Jch habe ſchon zu verwegen von ihnen gebeten, darum laſſen ſie mich zeigen, wie weit eine gehemte Begierde in ihren Wuͤnſchen, in ihren Forderungen und in ihrer Verwe- genheit gehet. Sie wuͤrden mich von einer empfindlichen Bekuͤmmerniß heilen, waun ſie mich bey dieſem Freunde vertreten und ihn verſichern wollten, daß ich ſein Ge- ſchenke nach meiner Schuldigkeit hochachte, und daß ich es nicht ausſchlagen wuͤrde, wenn nur mein Herz, welches ſich in dieſem Falle nicht uͤberreden lieſſe, jenes Buch nicht ſo koͤſtbar und ſo liebenswuͤrdig faͤnde. Hr. von Roſ. (laͤchelnd) Wer iſt denn der wun- derliche Beſitzer des erſten Buches, Herr Wahrmund? Wahrm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/60
Zitationshilfe: Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/60>, abgerufen am 24.11.2024.