Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.Wann ich mich nun keiner andern Ver- dienste wegen den Nahmen eines Ge- lehrten anmassen kan, so habe ich doch wenigstens diesen Fehler von ihnen er- erbet, daß ich oft alles dahingebe, wann ich nur ein gutes Buch dafür bekomme. Jch kenne einen Besitzer eines Schatzes, welcher so kostbar ist, daß ich seiner Vor- treflichkeit wegen auch den Nahmen bey mir behalte. Dieser Freund aber, der ihn in Händen hat, und ihn selbst nicht zu gebrauchen weiß, denkt ihn recht eigen zu bewahren, und sich einen höhern Rang im Himmel dadurch zu verdienen, wann er ihn einem Geistlichen verehret. Mei- nen Händen vertrauet er ihn aber gar nicht, und dieserwegen bleibt er in seinem Vor- satze beständig, und gegen mich unerbittlich. Am meisten aber reitzet mich dieses, daß ich schon zum voraus sehe, wie verächtlich der Geistliche mit dem Buche umgehen wird. Einige Stunden wird er nachläßig darin hin und her blättern, und sodann wird er es in einen schmutzigen Winkel eines wurmfreßigen Schrankes stellen, und von Staub und Würmern verzehren lassen. Sie sind ein naher Freund von dem Besiz- zer dieses Schatzes, ihr Vorspruch würde vielleicht mehr bey ihm gelten, als all mein Bitten gegolten hat. Hr. v. Ros. Jst diese ganze Rede nicht ein Rä- tzel, Hr. Wahrmund? Wahrm. D 4
Wann ich mich nun keiner andern Ver- dienſte wegen den Nahmen eines Ge- lehrten anmaſſen kan, ſo habe ich doch wenigſtens dieſen Fehler von ihnen er- erbet, daß ich oft alles dahingebe, wann ich nur ein gutes Buch dafuͤr bekomme. Jch kenne einen Beſitzer eines Schatzes, welcher ſo koſtbar iſt, daß ich ſeiner Vor- treflichkeit wegen auch den Nahmen bey mir behalte. Dieſer Freund aber, der ihn in Haͤnden hat, und ihn ſelbſt nicht zu gebrauchen weiß, denkt ihn recht eigen zu bewahren, und ſich einen hoͤhern Rang im Himmel dadurch zu verdienen, wann er ihn einem Geiſtlichen verehret. Mei- nen Haͤnden vertrauet er ihn aber gar nicht, und dieſerwegen bleibt er in ſeinem Vor- ſatze beſtaͤndig, und gegen mich unerbittlich. Am meiſten aber reitzet mich dieſes, daß ich ſchon zum voraus ſehe, wie veraͤchtlich der Geiſtliche mit dem Buche umgehen wird. Einige Stunden wird er nachlaͤßig darin hin und her blaͤttern, und ſodann wird er es in einen ſchmutzigen Winkel eines wurmfreßigen Schrankes ſtellen, und von Staub und Wuͤrmern verzehren laſſen. Sie ſind ein naher Freund von dem Beſiz- zer dieſes Schatzes, ihr Vorſpruch wuͤrde vielleicht mehr bey ihm gelten, als all mein Bitten gegolten hat. Hr. v. Roſ. Jſt dieſe ganze Rede nicht ein Raͤ- tzel, Hr. Wahrmund? Wahrm. D 4
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Wann ich mich nun keiner andern Ver-
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wenigſtens dieſen Fehler von ihnen er-
erbet, daß ich oft alles dahingebe, wann
ich nur ein gutes Buch dafuͤr bekomme.
Jch kenne einen Beſitzer eines Schatzes,
welcher ſo koſtbar iſt, daß ich ſeiner Vor-
treflichkeit wegen auch den Nahmen bey
mir behalte. Dieſer Freund aber, der
ihn in Haͤnden hat, und ihn ſelbſt nicht
zu gebrauchen weiß, denkt ihn recht eigen
zu bewahren, und ſich einen hoͤhern Rang
im Himmel dadurch zu verdienen, wann
er ihn einem Geiſtlichen verehret. Mei-
nen Haͤnden vertrauet er ihn aber gar nicht,
und dieſerwegen bleibt er in ſeinem Vor-
ſatze beſtaͤndig, und gegen mich unerbittlich.
Am meiſten aber reitzet mich dieſes, daß
ich ſchon zum voraus ſehe, wie veraͤchtlich
der Geiſtliche mit dem Buche umgehen wird.
Einige Stunden wird er nachlaͤßig darin
hin und her blaͤttern, und ſodann wird er
es in einen ſchmutzigen Winkel eines
wurmfreßigen Schrankes ſtellen, und von
Staub und Wuͤrmern verzehren laſſen.
Sie ſind ein naher Freund von dem Beſiz-
zer dieſes Schatzes, ihr Vorſpruch wuͤrde
vielleicht mehr bey ihm gelten, als all mein
Bitten gegolten hat.
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