Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde angetroffen werden. Die Vorstellung, so man im gan-zen Lande hat, daß sich die Arche niedergelassen, nebst der grossen Verehrung, welche alle Armenier diesem Berg erzeigen; indem sie die Erde küssen, so bald sie denselben erblicken, und gewisse Gebethe wiederholen, nachdem sie das Zeichen des Creuzes gemacht, hat vielen die Einbil- dung beygebracht, daß derselbe mit Einsiedlern angefüllt seyn müsse; und Struyß ist nicht der einige, der die Le- ser so berichtet. Indessen versicherte man uns, daß es unten bey der Tiefe ein verlassenes Kloster gebe; daß auf dem ganzen Berge keine eigentliche Quelle anzutreffen sey, den zusammengeflossenen Strom der Tiefe ausgenommen, dem wir nicht eher beykommen könnten zum trinken, als nahe bey gedachtem Kloster; und daß wir in einem ganzen Tage nicht bis an den Schnee und wieder zurück an den Grund der Tiefe kommen könnten; daß sich die Hirten mit ihren Heerden sehr oft verirreten; daß wir endlich ur- theilen könnten, was es vor ein elender Ort seyn müsse, da dieselben genöthiget seyn, von Zeit zu Zeit in die Er- de zu graben, um eine Quelle für sich und ihre Heerden zu finden; ja daß es vergeblich seyn werde, der Pflanzen und Kräuter halber höher zu steigen, weil wir nichts als steile Felsen übereinander gehäuft und über unsern Kopf hängend antreffen würden. Wir fiengen hierauf an auf die erste Reihe von Felsen loszugehen mit einer Flasche Wasser. Ohnerachtet wir uns nun selbst dick getrunken, so war nach zwey Stunden alles ausgetrocknet; geschüt- telt Wasser aus einer Flasche aber ist ein unangenehmer Trank. Unsere einige Hofnung war daher bald zum Schnee zu kommen, und davon etwas zu essen zur Stil- lung unser Durstes. Wir müssen aber hier bekennen, daß das Augenmaas gar sehr trüge, wenn man am Fuß eines Berges stehet, und die Höhe desselben errathen will, sonderlich wenn er durch so beschwerlichen Sand erstiegen werden muß, als in denen africanischen Wüsten seyn mag.
Geſchichte der Erde angetroffen werden. Die Vorſtellung, ſo man im gan-zen Lande hat, daß ſich die Arche niedergelaſſen, nebſt der groſſen Verehrung, welche alle Armenier dieſem Berg erzeigen; indem ſie die Erde kuͤſſen, ſo bald ſie denſelben erblicken, und gewiſſe Gebethe wiederholen, nachdem ſie das Zeichen des Creuzes gemacht, hat vielen die Einbil- dung beygebracht, daß derſelbe mit Einſiedlern angefuͤllt ſeyn muͤſſe; und Struyß iſt nicht der einige, der die Le- ſer ſo berichtet. Indeſſen verſicherte man uns, daß es unten bey der Tiefe ein verlaſſenes Kloſter gebe; daß auf dem ganzen Berge keine eigentliche Quelle anzutreffen ſey, den zuſammengefloſſenen Strom der Tiefe ausgenommen, dem wir nicht eher beykommen koͤnnten zum trinken, als nahe bey gedachtem Kloſter; und daß wir in einem ganzen Tage nicht bis an den Schnee und wieder zuruͤck an den Grund der Tiefe kommen koͤnnten; daß ſich die Hirten mit ihren Heerden ſehr oft verirreten; daß wir endlich ur- theilen koͤnnten, was es vor ein elender Ort ſeyn muͤſſe, da dieſelben genoͤthiget ſeyn, von Zeit zu Zeit in die Er- de zu graben, um eine Quelle fuͤr ſich und ihre Heerden zu finden; ja daß es vergeblich ſeyn werde, der Pflanzen und Kraͤuter halber hoͤher zu ſteigen, weil wir nichts als ſteile Felſen uͤbereinander gehaͤuft und uͤber unſern Kopf haͤngend antreffen wuͤrden. Wir fiengen hierauf an auf die erſte Reihe von Felſen loszugehen mit einer Flaſche Waſſer. Ohnerachtet wir uns nun ſelbſt dick getrunken, ſo war nach zwey Stunden alles ausgetrocknet; geſchuͤt- telt Waſſer aus einer Flaſche aber iſt ein unangenehmer Trank. Unſere einige Hofnung war daher bald zum Schnee zu kommen, und davon etwas zu eſſen zur Stil- lung unſer Durſtes. Wir muͤſſen aber hier bekennen, daß das Augenmaas gar ſehr truͤge, wenn man am Fuß eines Berges ſtehet, und die Hoͤhe deſſelben errathen will, ſonderlich wenn er durch ſo beſchwerlichen Sand erſtiegen werden muß, als in denen africaniſchen Wuͤſten ſeyn mag.
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Geſchichte der Erde
angetroffen werden. Die Vorſtellung, ſo man im gan-
zen Lande hat, daß ſich die Arche niedergelaſſen, nebſt der
groſſen Verehrung, welche alle Armenier dieſem Berg
erzeigen; indem ſie die Erde kuͤſſen, ſo bald ſie denſelben
erblicken, und gewiſſe Gebethe wiederholen, nachdem ſie
das Zeichen des Creuzes gemacht, hat vielen die Einbil-
dung beygebracht, daß derſelbe mit Einſiedlern angefuͤllt
ſeyn muͤſſe; und Struyß iſt nicht der einige, der die Le-
ſer ſo berichtet. Indeſſen verſicherte man uns, daß es
unten bey der Tiefe ein verlaſſenes Kloſter gebe; daß auf
dem ganzen Berge keine eigentliche Quelle anzutreffen ſey,
den zuſammengefloſſenen Strom der Tiefe ausgenommen,
dem wir nicht eher beykommen koͤnnten zum trinken, als
nahe bey gedachtem Kloſter; und daß wir in einem ganzen
Tage nicht bis an den Schnee und wieder zuruͤck an den
Grund der Tiefe kommen koͤnnten; daß ſich die Hirten
mit ihren Heerden ſehr oft verirreten; daß wir endlich ur-
theilen koͤnnten, was es vor ein elender Ort ſeyn muͤſſe,
da dieſelben genoͤthiget ſeyn, von Zeit zu Zeit in die Er-
de zu graben, um eine Quelle fuͤr ſich und ihre Heerden
zu finden; ja daß es vergeblich ſeyn werde, der Pflanzen
und Kraͤuter halber hoͤher zu ſteigen, weil wir nichts als
ſteile Felſen uͤbereinander gehaͤuft und uͤber unſern Kopf
haͤngend antreffen wuͤrden. Wir fiengen hierauf an auf
die erſte Reihe von Felſen loszugehen mit einer Flaſche
Waſſer. Ohnerachtet wir uns nun ſelbſt dick getrunken,
ſo war nach zwey Stunden alles ausgetrocknet; geſchuͤt-
telt Waſſer aus einer Flaſche aber iſt ein unangenehmer
Trank. Unſere einige Hofnung war daher bald zum
Schnee zu kommen, und davon etwas zu eſſen zur Stil-
lung unſer Durſtes. Wir muͤſſen aber hier bekennen,
daß das Augenmaas gar ſehr truͤge, wenn man am Fuß
eines Berges ſtehet, und die Hoͤhe deſſelben errathen will,
ſonderlich wenn er durch ſo beſchwerlichen Sand erſtiegen
werden muß, als in denen africaniſchen Wuͤſten ſeyn
mag.
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