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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
jeglicher unter uns aß mehr oder weniger davon, nachdem
er Lust hatte, und es ward einmüthiglich beschlossen, nicht
weiter zu gehen. Dieser Schnee war über vier Schuh
dick, und hart gefroren, daher wir ein groß Stück dessel-
ben mitnahmen, unsere Flasche zu füllen. Man kan sich
nicht vorstellen, wie sehr das Essen des Schnees auflebet
und stärket. Wir stiegen demnach von dem Schnee her-
ab mit ausserordentlicher Munterkeit, welche aber nicht
lange daurete. Denn wir kamen in einen Sand, welcher
hinter der Tiefe lag, und eben so beschwerlich war, als
der vorige. Wenn wir herunter zu glitschen suchten, so
waren wir bis an den halben Leib begraben; überdiß kon-
ten wir nicht auf dem geraden Wege bleiben, sondern mu-
sten uns linker Hand wenden, um an das Ufer der Tiefe
zu kommen, die wir gern in nähern Augenschein nehmen
wollten. Es war solches aber ein höchst fürchterlicher An-
blick, der geringste Augenschein der entsetzlichen Tiefen
drehet einen den Kopf herum. Das Geschrey der unzäh-
ligen Krähen, die unaufhörlich von einer Seite zur andern
fliegen, hat auch etwas sehr fürchterliches. Um sich ein
Bild von diesem Ort zu machen, muß man sich einen der
höchsten Berge in der Welt vorstellen, der sich eröfnet,
den entsetzlichsten Anblick, der erdacht werden kan, zu ver-
ursachen. Alle Klüfte sind senkrecht, und die Oefnungen
rauch und schwärzlich, als wenn ein Rauch aufgestiegen,
und sie gefärbt hätte. Gegen sechs Uhr nachmittags be-
fanden wir uns ganz erschöpft und abgemattet: indessen,
als wir eine Gegend erblickten die mit einer Art von Gras,
Mauseohr genannt, bewachsen war, deren abhängige
Lage uns zum Hinabsteigen bequem, oder der Weg Noä
zum Fuß des Berges gewesen zu seyn schien: so liefen
wir aufs geschwindeste dahin, und setzten uns nieder in et-
was auszuruhen, fanden auch daselbst mehr Kräuter, als
auf dieser ganzen Reise. Das erfreulichste aber war, daß
uns unsere Wegweiser das Kloster, wiewol in gar weiter

Ent-

Geſchichte der Erde
jeglicher unter uns aß mehr oder weniger davon, nachdem
er Luſt hatte, und es ward einmuͤthiglich beſchloſſen, nicht
weiter zu gehen. Dieſer Schnee war uͤber vier Schuh
dick, und hart gefroren, daher wir ein groß Stuͤck deſſel-
ben mitnahmen, unſere Flaſche zu fuͤllen. Man kan ſich
nicht vorſtellen, wie ſehr das Eſſen des Schnees auflebet
und ſtaͤrket. Wir ſtiegen demnach von dem Schnee her-
ab mit auſſerordentlicher Munterkeit, welche aber nicht
lange daurete. Denn wir kamen in einen Sand, welcher
hinter der Tiefe lag, und eben ſo beſchwerlich war, als
der vorige. Wenn wir herunter zu glitſchen ſuchten, ſo
waren wir bis an den halben Leib begraben; uͤberdiß kon-
ten wir nicht auf dem geraden Wege bleiben, ſondern mu-
ſten uns linker Hand wenden, um an das Ufer der Tiefe
zu kommen, die wir gern in naͤhern Augenſchein nehmen
wollten. Es war ſolches aber ein hoͤchſt fuͤrchterlicher An-
blick, der geringſte Augenſchein der entſetzlichen Tiefen
drehet einen den Kopf herum. Das Geſchrey der unzaͤh-
ligen Kraͤhen, die unaufhoͤrlich von einer Seite zur andern
fliegen, hat auch etwas ſehr fuͤrchterliches. Um ſich ein
Bild von dieſem Ort zu machen, muß man ſich einen der
hoͤchſten Berge in der Welt vorſtellen, der ſich eroͤfnet,
den entſetzlichſten Anblick, der erdacht werden kan, zu ver-
urſachen. Alle Kluͤfte ſind ſenkrecht, und die Oefnungen
rauch und ſchwaͤrzlich, als wenn ein Rauch aufgeſtiegen,
und ſie gefaͤrbt haͤtte. Gegen ſechs Uhr nachmittags be-
fanden wir uns ganz erſchoͤpft und abgemattet: indeſſen,
als wir eine Gegend erblickten die mit einer Art von Gras,
Mauſeohr genannt, bewachſen war, deren abhaͤngige
Lage uns zum Hinabſteigen bequem, oder der Weg Noaͤ
zum Fuß des Berges geweſen zu ſeyn ſchien: ſo liefen
wir aufs geſchwindeſte dahin, und ſetzten uns nieder in et-
was auszuruhen, fanden auch daſelbſt mehr Kraͤuter, als
auf dieſer ganzen Reiſe. Das erfreulichſte aber war, daß
uns unſere Wegweiſer das Kloſter, wiewol in gar weiter

Ent-
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[92/0106] Geſchichte der Erde jeglicher unter uns aß mehr oder weniger davon, nachdem er Luſt hatte, und es ward einmuͤthiglich beſchloſſen, nicht weiter zu gehen. Dieſer Schnee war uͤber vier Schuh dick, und hart gefroren, daher wir ein groß Stuͤck deſſel- ben mitnahmen, unſere Flaſche zu fuͤllen. Man kan ſich nicht vorſtellen, wie ſehr das Eſſen des Schnees auflebet und ſtaͤrket. Wir ſtiegen demnach von dem Schnee her- ab mit auſſerordentlicher Munterkeit, welche aber nicht lange daurete. Denn wir kamen in einen Sand, welcher hinter der Tiefe lag, und eben ſo beſchwerlich war, als der vorige. Wenn wir herunter zu glitſchen ſuchten, ſo waren wir bis an den halben Leib begraben; uͤberdiß kon- ten wir nicht auf dem geraden Wege bleiben, ſondern mu- ſten uns linker Hand wenden, um an das Ufer der Tiefe zu kommen, die wir gern in naͤhern Augenſchein nehmen wollten. Es war ſolches aber ein hoͤchſt fuͤrchterlicher An- blick, der geringſte Augenſchein der entſetzlichen Tiefen drehet einen den Kopf herum. Das Geſchrey der unzaͤh- ligen Kraͤhen, die unaufhoͤrlich von einer Seite zur andern fliegen, hat auch etwas ſehr fuͤrchterliches. Um ſich ein Bild von dieſem Ort zu machen, muß man ſich einen der hoͤchſten Berge in der Welt vorſtellen, der ſich eroͤfnet, den entſetzlichſten Anblick, der erdacht werden kan, zu ver- urſachen. Alle Kluͤfte ſind ſenkrecht, und die Oefnungen rauch und ſchwaͤrzlich, als wenn ein Rauch aufgeſtiegen, und ſie gefaͤrbt haͤtte. Gegen ſechs Uhr nachmittags be- fanden wir uns ganz erſchoͤpft und abgemattet: indeſſen, als wir eine Gegend erblickten die mit einer Art von Gras, Mauſeohr genannt, bewachſen war, deren abhaͤngige Lage uns zum Hinabſteigen bequem, oder der Weg Noaͤ zum Fuß des Berges geweſen zu ſeyn ſchien: ſo liefen wir aufs geſchwindeſte dahin, und ſetzten uns nieder in et- was auszuruhen, fanden auch daſelbſt mehr Kraͤuter, als auf dieſer ganzen Reiſe. Das erfreulichſte aber war, daß uns unſere Wegweiſer das Kloſter, wiewol in gar weiter Ent-

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/106>, abgerufen am 21.11.2024.