Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Geschichte der Erde

Deßgleichen ist auch die Insel Euböa jetzt Negropont
genannt, vor diesem mit Griechenland vereinigt gewesen,
und durch das gewaltsame Arbeiten des Meers davon ab-
gesondert worden. Es erzehlen ferner die Einwohner von
Ceylon, daß ihre Insel vor Alters mit dem festen Land
von Indien verknüpft gewesen, und durch den ungestüm-
men Einbruch des Meers davon abgerissen worden. Es
wird auch, und zwar nicht ohne Grund, davor gehalten,
daß die Insel Summatra vormals an Malacca gestossen,
und das güldene Chersonesus genennet worden. Denn
wenn man sie von ferne betrachtet, so scheinet sie mit Ma-
lacca
vereinigt zu seyn. Und unserer Heimat näher zu
kommen, so versichert Verstegan, nicht sonder guten
Grund, daß unsere Insel Groß Brittanien vor Zeiten
ein festes Land mit Frankreich, und also kein Eyland,
sondern eine Halb-Insel gewesen; bis sie hernach, auf
was Art aber, ist nach seinem Urtheil ungewiß, von dem
festen Lande abgetrennet worden. Ob es durch ein star-
kes Erdbeben, worbey das Meer zuerst hindurch gebro-
chen, und nach und nach seinem Weg erweitert hat, ge-
schehen; oder ob es durch Arbeit der Menschen zur Be-
quemlichkeit eines freyen Durchganges abgeschnitten wor-
den; oder ob die Einwohner von der einen oder andern
Seite, bey Gelegenheit eines Krieges, sich dadurch ihrer
Feinde zu entladen, dasselbe abgegraben haben, bleibet
unentschieden. Seine Beweißgründe aber, daß sie vor-
mals mit Frankreich vereinigt gewesen, sind folgende:
1.) Weil die Klippen auf beyden Seiten des Meers ein-
ander gerade gegen über liegen. Das ist, weil die zu
Dover, und diejenigen, so zwischen Calais und Boulo-
gne
liegen (denn von Dover nach Calais ist nicht das
nechste Land) von einerley Substanz, nemlich von Kreite
und Kieselsteinen sind. 2.) Siehet man gar eigentlich,
daß die Seiten von beyden gegen das Meer zu von noch
mehr andern von eben derselben Materie abgerissen wor-

den,
Geſchichte der Erde

Deßgleichen iſt auch die Inſel Euboͤa jetzt Negropont
genannt, vor dieſem mit Griechenland vereinigt geweſen,
und durch das gewaltſame Arbeiten des Meers davon ab-
geſondert worden. Es erzehlen ferner die Einwohner von
Ceylon, daß ihre Inſel vor Alters mit dem feſten Land
von Indien verknuͤpft geweſen, und durch den ungeſtuͤm-
men Einbruch des Meers davon abgeriſſen worden. Es
wird auch, und zwar nicht ohne Grund, davor gehalten,
daß die Inſel Summatra vormals an Malacca geſtoſſen,
und das guͤldene Cherſoneſus genennet worden. Denn
wenn man ſie von ferne betrachtet, ſo ſcheinet ſie mit Ma-
lacca
vereinigt zu ſeyn. Und unſerer Heimat naͤher zu
kommen, ſo verſichert Verſtegan, nicht ſonder guten
Grund, daß unſere Inſel Groß Brittanien vor Zeiten
ein feſtes Land mit Frankreich, und alſo kein Eyland,
ſondern eine Halb-Inſel geweſen; bis ſie hernach, auf
was Art aber, iſt nach ſeinem Urtheil ungewiß, von dem
feſten Lande abgetrennet worden. Ob es durch ein ſtar-
kes Erdbeben, worbey das Meer zuerſt hindurch gebro-
chen, und nach und nach ſeinem Weg erweitert hat, ge-
ſchehen; oder ob es durch Arbeit der Menſchen zur Be-
quemlichkeit eines freyen Durchganges abgeſchnitten wor-
den; oder ob die Einwohner von der einen oder andern
Seite, bey Gelegenheit eines Krieges, ſich dadurch ihrer
Feinde zu entladen, daſſelbe abgegraben haben, bleibet
unentſchieden. Seine Beweißgruͤnde aber, daß ſie vor-
mals mit Frankreich vereinigt geweſen, ſind folgende:
1.) Weil die Klippen auf beyden Seiten des Meers ein-
ander gerade gegen uͤber liegen. Das iſt, weil die zu
Dover, und diejenigen, ſo zwiſchen Calais und Boulo-
gne
liegen (denn von Dover nach Calais iſt nicht das
nechſte Land) von einerley Subſtanz, nemlich von Kreite
und Kieſelſteinen ſind. 2.) Siehet man gar eigentlich,
daß die Seiten von beyden gegen das Meer zu von noch
mehr andern von eben derſelben Materie abgeriſſen wor-

den,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0112" n="98"/>
        <fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/>
        <p>Deßgleichen i&#x017F;t auch die <hi rendition="#fr">In&#x017F;el Eubo&#x0364;a</hi> jetzt <hi rendition="#fr">Negropont</hi><lb/>
genannt, vor die&#x017F;em mit Griechenland vereinigt gewe&#x017F;en,<lb/>
und durch das gewalt&#x017F;ame Arbeiten des Meers davon ab-<lb/>
ge&#x017F;ondert worden. Es erzehlen ferner die Einwohner von<lb/><hi rendition="#fr">Ceylon,</hi> daß ihre In&#x017F;el vor Alters mit dem fe&#x017F;ten Land<lb/>
von Indien verknu&#x0364;pft gewe&#x017F;en, und durch den unge&#x017F;tu&#x0364;m-<lb/>
men Einbruch des Meers davon abgeri&#x017F;&#x017F;en worden. Es<lb/>
wird auch, und zwar nicht ohne Grund, davor gehalten,<lb/>
daß die In&#x017F;el <hi rendition="#fr">Summatra</hi> vormals an <hi rendition="#fr">Malacca</hi> ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und das gu&#x0364;ldene <hi rendition="#fr">Cher&#x017F;one&#x017F;us</hi> genennet worden. Denn<lb/>
wenn man &#x017F;ie von ferne betrachtet, &#x017F;o &#x017F;cheinet &#x017F;ie mit <hi rendition="#fr">Ma-<lb/>
lacca</hi> vereinigt zu &#x017F;eyn. Und un&#x017F;erer Heimat na&#x0364;her zu<lb/>
kommen, &#x017F;o ver&#x017F;ichert <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tegan,</hi> nicht &#x017F;onder guten<lb/>
Grund, daß un&#x017F;ere <hi rendition="#fr">In&#x017F;el Groß Brittanien</hi> vor Zeiten<lb/>
ein fe&#x017F;tes Land mit Frankreich, und al&#x017F;o kein <hi rendition="#fr">Eyland,</hi><lb/>
&#x017F;ondern eine <hi rendition="#fr">Halb-In&#x017F;el</hi> gewe&#x017F;en; bis &#x017F;ie hernach, auf<lb/>
was Art aber, i&#x017F;t nach &#x017F;einem Urtheil ungewiß, von dem<lb/>
fe&#x017F;ten Lande abgetrennet worden. Ob es durch ein &#x017F;tar-<lb/>
kes Erdbeben, worbey das Meer zuer&#x017F;t hindurch gebro-<lb/>
chen, und nach und nach &#x017F;einem Weg erweitert hat, ge-<lb/>
&#x017F;chehen; oder ob es durch Arbeit der Men&#x017F;chen zur Be-<lb/>
quemlichkeit eines freyen Durchganges abge&#x017F;chnitten wor-<lb/>
den; oder ob die Einwohner von der einen oder andern<lb/>
Seite, bey Gelegenheit eines Krieges, &#x017F;ich dadurch ihrer<lb/>
Feinde zu entladen, da&#x017F;&#x017F;elbe abgegraben haben, bleibet<lb/>
unent&#x017F;chieden. Seine Beweißgru&#x0364;nde aber, daß &#x017F;ie vor-<lb/>
mals mit Frankreich vereinigt gewe&#x017F;en, &#x017F;ind folgende:<lb/>
1.) Weil die Klippen auf beyden Seiten des Meers ein-<lb/>
ander gerade gegen u&#x0364;ber liegen. Das i&#x017F;t, weil die zu<lb/><hi rendition="#fr">Dover,</hi> und diejenigen, &#x017F;o zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Calais</hi> und <hi rendition="#fr">Boulo-<lb/>
gne</hi> liegen (denn von <hi rendition="#fr">Dover</hi> nach <hi rendition="#fr">Calais</hi> i&#x017F;t nicht das<lb/>
nech&#x017F;te Land) von einerley Sub&#x017F;tanz, nemlich von Kreite<lb/>
und Kie&#x017F;el&#x017F;teinen &#x017F;ind. 2.) Siehet man gar eigentlich,<lb/>
daß die Seiten von beyden gegen das Meer zu von noch<lb/>
mehr andern von eben der&#x017F;elben Materie abgeri&#x017F;&#x017F;en wor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0112] Geſchichte der Erde Deßgleichen iſt auch die Inſel Euboͤa jetzt Negropont genannt, vor dieſem mit Griechenland vereinigt geweſen, und durch das gewaltſame Arbeiten des Meers davon ab- geſondert worden. Es erzehlen ferner die Einwohner von Ceylon, daß ihre Inſel vor Alters mit dem feſten Land von Indien verknuͤpft geweſen, und durch den ungeſtuͤm- men Einbruch des Meers davon abgeriſſen worden. Es wird auch, und zwar nicht ohne Grund, davor gehalten, daß die Inſel Summatra vormals an Malacca geſtoſſen, und das guͤldene Cherſoneſus genennet worden. Denn wenn man ſie von ferne betrachtet, ſo ſcheinet ſie mit Ma- lacca vereinigt zu ſeyn. Und unſerer Heimat naͤher zu kommen, ſo verſichert Verſtegan, nicht ſonder guten Grund, daß unſere Inſel Groß Brittanien vor Zeiten ein feſtes Land mit Frankreich, und alſo kein Eyland, ſondern eine Halb-Inſel geweſen; bis ſie hernach, auf was Art aber, iſt nach ſeinem Urtheil ungewiß, von dem feſten Lande abgetrennet worden. Ob es durch ein ſtar- kes Erdbeben, worbey das Meer zuerſt hindurch gebro- chen, und nach und nach ſeinem Weg erweitert hat, ge- ſchehen; oder ob es durch Arbeit der Menſchen zur Be- quemlichkeit eines freyen Durchganges abgeſchnitten wor- den; oder ob die Einwohner von der einen oder andern Seite, bey Gelegenheit eines Krieges, ſich dadurch ihrer Feinde zu entladen, daſſelbe abgegraben haben, bleibet unentſchieden. Seine Beweißgruͤnde aber, daß ſie vor- mals mit Frankreich vereinigt geweſen, ſind folgende: 1.) Weil die Klippen auf beyden Seiten des Meers ein- ander gerade gegen uͤber liegen. Das iſt, weil die zu Dover, und diejenigen, ſo zwiſchen Calais und Boulo- gne liegen (denn von Dover nach Calais iſt nicht das nechſte Land) von einerley Subſtanz, nemlich von Kreite und Kieſelſteinen ſind. 2.) Siehet man gar eigentlich, daß die Seiten von beyden gegen das Meer zu von noch mehr andern von eben derſelben Materie abgeriſſen wor- den,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/112
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/112>, abgerufen am 21.11.2024.