Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

in den allerältesten Zeiten.
noch übrig bleiben, wohin der Mangel des täglichen Um-
drehens der Erde vor der Sündfluth gehöret, hat mein
Begrif mit dem Whistonischen gemein.

§. 61.

Ich habe schon gesagt, daß es mir gleichviel gelten
kan, ob man die gegebene Erklärung der Sündfluth für
wahr annehmen will oder nicht. Ich bin zufrieden, daß
man die Sache selbst zugeben muß, ohnerachtet es nicht
ausgemacht ist, ob sich diese Begebenheit zur Zeit der
Sündfluth zugetragen habe. Geschehen aber muß sie
seyn, denn es ist mehr als zu gewiß, daß die Erde eine
sphäroidische Figur habe, und ohne ehemals flüßig ge-
wesen zu seyn, hätte sie dieselbe ohnmöglich bekommen
können. Es hat zwar nicht an Einwürfen gefehlt, wel-
che die größten Mathematicker wider diese Newtonische
Figur der Erde gemacht haben. Denn es theilte sich da-
mals die ganze mathematische Welt in Absicht auf diesen
Satz in zwey Theile, welche zwar alle darinne einig wa-
ren, daß die Erde keine vollkommene Kugel wäre, aber
darinnen waren sie verschieden, was die Erde vor eine ei-
gentliche Gestalt hätte. Die Franzosen gaben ihr die
Figur eines Eyes. Vielleicht weil gallus ein Hahn hiesse,
von dem die Eyer fruchtbar gemacht würden? Nein, weil
die Parisische Academie der Wissenschafften auf Befehl des
Königes Ludewig des XIV. eine Mittags Linie durch ganz
Frankreich gezogen hatte und gefunden zu haben vermein-
te, daß die Grade derselben grösser wären, als die Gra-
de des Aequators. Woraus denn nothwendig folgte, daß
der Mittags Cirkel selbst grösser als der Aequator seyn
müste. Nun hat ein grösserer Cirkel einen grössern Dia-
meter als ein kleiner, und der Diameter des Mittagscir-
kel ist der Diameter der Pole. Folgte also nicht hieraus,
daß der Diameter der Pole grösser, als der Diameter des
Aequators wäre? Die ganze Englische Nation hingegen

hielt
H

in den alleraͤlteſten Zeiten.
noch uͤbrig bleiben, wohin der Mangel des taͤglichen Um-
drehens der Erde vor der Suͤndfluth gehoͤret, hat mein
Begrif mit dem Whiſtoniſchen gemein.

§. 61.

Ich habe ſchon geſagt, daß es mir gleichviel gelten
kan, ob man die gegebene Erklaͤrung der Suͤndfluth fuͤr
wahr annehmen will oder nicht. Ich bin zufrieden, daß
man die Sache ſelbſt zugeben muß, ohnerachtet es nicht
ausgemacht iſt, ob ſich dieſe Begebenheit zur Zeit der
Suͤndfluth zugetragen habe. Geſchehen aber muß ſie
ſeyn, denn es iſt mehr als zu gewiß, daß die Erde eine
ſphaͤroidiſche Figur habe, und ohne ehemals fluͤßig ge-
weſen zu ſeyn, haͤtte ſie dieſelbe ohnmoͤglich bekommen
koͤnnen. Es hat zwar nicht an Einwuͤrfen gefehlt, wel-
che die groͤßten Mathematicker wider dieſe Newtoniſche
Figur der Erde gemacht haben. Denn es theilte ſich da-
mals die ganze mathematiſche Welt in Abſicht auf dieſen
Satz in zwey Theile, welche zwar alle darinne einig wa-
ren, daß die Erde keine vollkommene Kugel waͤre, aber
darinnen waren ſie verſchieden, was die Erde vor eine ei-
gentliche Geſtalt haͤtte. Die Franzoſen gaben ihr die
Figur eines Eyes. Vielleicht weil gallus ein Hahn hieſſe,
von dem die Eyer fruchtbar gemacht wuͤrden? Nein, weil
die Pariſiſche Academie der Wiſſenſchafften auf Befehl des
Koͤniges Ludewig des XIV. eine Mittags Linie durch ganz
Frankreich gezogen hatte und gefunden zu haben vermein-
te, daß die Grade derſelben groͤſſer waͤren, als die Gra-
de des Aequators. Woraus denn nothwendig folgte, daß
der Mittags Cirkel ſelbſt groͤſſer als der Aequator ſeyn
muͤſte. Nun hat ein groͤſſerer Cirkel einen groͤſſern Dia-
meter als ein kleiner, und der Diameter des Mittagscir-
kel iſt der Diameter der Pole. Folgte alſo nicht hieraus,
daß der Diameter der Pole groͤſſer, als der Diameter des
Aequators waͤre? Die ganze Engliſche Nation hingegen

hielt
H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0127" n="113"/><fw place="top" type="header">in den allera&#x0364;lte&#x017F;ten Zeiten.</fw><lb/>
noch u&#x0364;brig bleiben, wohin der Mangel des ta&#x0364;glichen Um-<lb/>
drehens der Erde vor der Su&#x0364;ndfluth geho&#x0364;ret, hat mein<lb/>
Begrif mit dem <hi rendition="#fr">Whi&#x017F;toni&#x017F;chen</hi> gemein.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>§. 61.</head><lb/>
        <p>Ich habe &#x017F;chon ge&#x017F;agt, daß es mir gleichviel gelten<lb/>
kan, ob man die gegebene Erkla&#x0364;rung der Su&#x0364;ndfluth fu&#x0364;r<lb/>
wahr annehmen will oder nicht. Ich bin zufrieden, daß<lb/>
man die Sache &#x017F;elb&#x017F;t zugeben muß, ohnerachtet es nicht<lb/>
ausgemacht i&#x017F;t, ob &#x017F;ich die&#x017F;e Begebenheit zur Zeit der<lb/>
Su&#x0364;ndfluth zugetragen habe. Ge&#x017F;chehen aber muß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;eyn, denn es i&#x017F;t mehr als zu gewiß, daß die Erde eine<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;pha&#x0364;roidi&#x017F;che</hi> Figur habe, und ohne ehemals flu&#x0364;ßig ge-<lb/>
we&#x017F;en zu &#x017F;eyn, ha&#x0364;tte &#x017F;ie die&#x017F;elbe ohnmo&#x0364;glich bekommen<lb/>
ko&#x0364;nnen. Es hat zwar nicht an Einwu&#x0364;rfen gefehlt, wel-<lb/>
che die gro&#x0364;ßten Mathematicker wider die&#x017F;e <hi rendition="#fr">Newtoni&#x017F;che</hi><lb/>
Figur der Erde gemacht haben. Denn es theilte &#x017F;ich da-<lb/>
mals die ganze mathemati&#x017F;che Welt in Ab&#x017F;icht auf die&#x017F;en<lb/>
Satz in zwey Theile, welche zwar alle darinne einig wa-<lb/>
ren, daß die Erde keine vollkommene Kugel wa&#x0364;re, aber<lb/>
darinnen waren &#x017F;ie ver&#x017F;chieden, was die Erde vor eine ei-<lb/>
gentliche Ge&#x017F;talt ha&#x0364;tte. Die Franzo&#x017F;en gaben ihr die<lb/>
Figur eines Eyes. Vielleicht weil <hi rendition="#aq">gallus</hi> ein Hahn hie&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
von dem die Eyer fruchtbar gemacht wu&#x0364;rden? Nein, weil<lb/>
die Pari&#x017F;i&#x017F;che Academie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften auf Befehl des<lb/>
Ko&#x0364;niges <hi rendition="#fr">Ludewig</hi> des <hi rendition="#aq">XIV.</hi> eine Mittags Linie durch ganz<lb/>
Frankreich gezogen hatte und gefunden zu haben vermein-<lb/>
te, daß die Grade der&#x017F;elben gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;ren, als die Gra-<lb/>
de des Aequators. Woraus denn nothwendig folgte, daß<lb/>
der Mittags Cirkel &#x017F;elb&#x017F;t gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als der Aequator &#x017F;eyn<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;te. Nun hat ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erer Cirkel einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Dia-<lb/>
meter als ein kleiner, und der Diameter des Mittagscir-<lb/>
kel i&#x017F;t der Diameter der Pole. Folgte al&#x017F;o nicht hieraus,<lb/>
daß der Diameter der Pole gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, als der Diameter des<lb/>
Aequators wa&#x0364;re? Die ganze Engli&#x017F;che Nation hingegen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H</fw><fw place="bottom" type="catch">hielt</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0127] in den alleraͤlteſten Zeiten. noch uͤbrig bleiben, wohin der Mangel des taͤglichen Um- drehens der Erde vor der Suͤndfluth gehoͤret, hat mein Begrif mit dem Whiſtoniſchen gemein. §. 61. Ich habe ſchon geſagt, daß es mir gleichviel gelten kan, ob man die gegebene Erklaͤrung der Suͤndfluth fuͤr wahr annehmen will oder nicht. Ich bin zufrieden, daß man die Sache ſelbſt zugeben muß, ohnerachtet es nicht ausgemacht iſt, ob ſich dieſe Begebenheit zur Zeit der Suͤndfluth zugetragen habe. Geſchehen aber muß ſie ſeyn, denn es iſt mehr als zu gewiß, daß die Erde eine ſphaͤroidiſche Figur habe, und ohne ehemals fluͤßig ge- weſen zu ſeyn, haͤtte ſie dieſelbe ohnmoͤglich bekommen koͤnnen. Es hat zwar nicht an Einwuͤrfen gefehlt, wel- che die groͤßten Mathematicker wider dieſe Newtoniſche Figur der Erde gemacht haben. Denn es theilte ſich da- mals die ganze mathematiſche Welt in Abſicht auf dieſen Satz in zwey Theile, welche zwar alle darinne einig wa- ren, daß die Erde keine vollkommene Kugel waͤre, aber darinnen waren ſie verſchieden, was die Erde vor eine ei- gentliche Geſtalt haͤtte. Die Franzoſen gaben ihr die Figur eines Eyes. Vielleicht weil gallus ein Hahn hieſſe, von dem die Eyer fruchtbar gemacht wuͤrden? Nein, weil die Pariſiſche Academie der Wiſſenſchafften auf Befehl des Koͤniges Ludewig des XIV. eine Mittags Linie durch ganz Frankreich gezogen hatte und gefunden zu haben vermein- te, daß die Grade derſelben groͤſſer waͤren, als die Gra- de des Aequators. Woraus denn nothwendig folgte, daß der Mittags Cirkel ſelbſt groͤſſer als der Aequator ſeyn muͤſte. Nun hat ein groͤſſerer Cirkel einen groͤſſern Dia- meter als ein kleiner, und der Diameter des Mittagscir- kel iſt der Diameter der Pole. Folgte alſo nicht hieraus, daß der Diameter der Pole groͤſſer, als der Diameter des Aequators waͤre? Die ganze Engliſche Nation hingegen hielt H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/127
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/127>, abgerufen am 21.11.2024.