Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.in den allerältesten Zeiten. meine Schicksal der Streitschriften dieses sey, daß sie zumEinwickeln gebraucht werden, und dazu ist das weisse Pa- pier eben so geschickt, wie das gedruckte. Jn Wahrheit die Kramer machen täglich Pasquille auf die Gelehrten, indem sie ihre mühsamen Schriften einen so schlechten Ge- brauche widmen, und die Gelehrten sind so einfältig, daß sie es nicht einmal merken, warum fangen sie nicht mit denen Kramern einen Jnjurienproceß an? Jch weiß gewiß, daß er nach vielen Beweißen und Gegen- beweißen darauf hinauslaufen würde; die Kramer soll- ten nur solche Schriften zum Einbacken brauchen, darin- nen weder Witz noch Verstand wäre, und dieser Rechts- spruch würde so vortheilhaft vor sie seyn, daß es ihnen niemals an Maculatur fehlen würde. Die Gelehrten selbst würden nichts darwider einzuwenden haben, denn ein jeder Schriftsteller bildet sich ein, daß nur seine Ge- danken unverbesserlich seyn. Jch an meinem Theile habe keine solche vornehme Gedanken, sondern bin allemal be- reit meine Meinungen zu ändern, wenn ich überführt bin, daß sie ungegründet sind. Dieses schaft mir die Bequem- lichkeit niemals in Streitschriften verwickelt zu werden. Denn finde ich die Gedanken anderer gegründeter als die meinigen, so ändere ich sie, finde ich aber das Gegentheil, so bleibe ich bey dem, was ich einmal gesagt habe. Mir kömmt diese Gewohnheit so vernünftig vor, daß ich herz- lich wünschen wollte, es möchten alle Gelehrten sich der- selben bedienen. Es scheint auch, als wenn dieses an- fienge zur Mode zu werden, und ich kan mich über den pöbelhaften Gebrauch nicht genungsam verwundern, den die Gelehrten vor diesen hatten, welcher darinnen bestand: daß sie alle diejenigen mit Schimpf- und Scheltworten belegten, die sich weigerten ihren Meinungen beyzupflich- ten, und es ist gewiß ein sehr schlechtes Amt bey dem Baue der Gelehrsamkeit den Schutt wegzu schaffen, da die vornehmste Arbeit darinne bestehet: ihn aufzuführen, präch- L 4
in den alleraͤlteſten Zeiten. meine Schickſal der Streitſchriften dieſes ſey, daß ſie zumEinwickeln gebraucht werden, und dazu iſt das weiſſe Pa- pier eben ſo geſchickt, wie das gedruckte. Jn Wahrheit die Kramer machen taͤglich Paſquille auf die Gelehrten, indem ſie ihre muͤhſamen Schriften einen ſo ſchlechten Ge- brauche widmen, und die Gelehrten ſind ſo einfaͤltig, daß ſie es nicht einmal merken, warum fangen ſie nicht mit denen Kramern einen Jnjurienproceß an? Jch weiß gewiß, daß er nach vielen Beweißen und Gegen- beweißen darauf hinauslaufen wuͤrde; die Kramer ſoll- ten nur ſolche Schriften zum Einbacken brauchen, darin- nen weder Witz noch Verſtand waͤre, und dieſer Rechts- ſpruch wuͤrde ſo vortheilhaft vor ſie ſeyn, daß es ihnen niemals an Maculatur fehlen wuͤrde. Die Gelehrten ſelbſt wuͤrden nichts darwider einzuwenden haben, denn ein jeder Schriftſteller bildet ſich ein, daß nur ſeine Ge- danken unverbeſſerlich ſeyn. Jch an meinem Theile habe keine ſolche vornehme Gedanken, ſondern bin allemal be- reit meine Meinungen zu aͤndern, wenn ich uͤberfuͤhrt bin, daß ſie ungegruͤndet ſind. Dieſes ſchaft mir die Bequem- lichkeit niemals in Streitſchriften verwickelt zu werden. Denn finde ich die Gedanken anderer gegruͤndeter als die meinigen, ſo aͤndere ich ſie, finde ich aber das Gegentheil, ſo bleibe ich bey dem, was ich einmal geſagt habe. Mir koͤmmt dieſe Gewohnheit ſo vernuͤnftig vor, daß ich herz- lich wuͤnſchen wollte, es moͤchten alle Gelehrten ſich der- ſelben bedienen. Es ſcheint auch, als wenn dieſes an- fienge zur Mode zu werden, und ich kan mich uͤber den poͤbelhaften Gebrauch nicht genungſam verwundern, den die Gelehrten vor dieſen hatten, welcher darinnen beſtand: daß ſie alle diejenigen mit Schimpf- und Scheltworten belegten, die ſich weigerten ihren Meinungen beyzupflich- ten, und es iſt gewiß ein ſehr ſchlechtes Amt bey dem Baue der Gelehrſamkeit den Schutt wegzu ſchaffen, da die vornehmſte Arbeit darinne beſtehet: ihn aufzufuͤhren, praͤch- L 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0181" n="167"/><fw place="top" type="header">in den alleraͤlteſten Zeiten.</fw><lb/> meine Schickſal der Streitſchriften dieſes ſey, daß ſie zum<lb/> Einwickeln gebraucht werden, und dazu iſt das weiſſe Pa-<lb/> pier eben ſo geſchickt, wie das gedruckte. Jn Wahrheit<lb/> die Kramer machen taͤglich Paſquille auf die Gelehrten,<lb/> indem ſie ihre muͤhſamen Schriften einen ſo ſchlechten Ge-<lb/> brauche widmen, und die Gelehrten ſind ſo einfaͤltig, daß<lb/> ſie es nicht einmal merken, warum fangen ſie nicht<lb/> mit denen Kramern einen Jnjurienproceß an? Jch<lb/> weiß gewiß, daß er nach vielen Beweißen und Gegen-<lb/> beweißen darauf hinauslaufen wuͤrde; die Kramer ſoll-<lb/> ten nur ſolche Schriften zum Einbacken brauchen, darin-<lb/> nen weder Witz noch Verſtand waͤre, und dieſer Rechts-<lb/> ſpruch wuͤrde ſo vortheilhaft vor ſie ſeyn, daß es ihnen<lb/> niemals an Maculatur fehlen wuͤrde. Die Gelehrten<lb/> ſelbſt wuͤrden nichts darwider einzuwenden haben, denn<lb/> ein jeder Schriftſteller bildet ſich ein, daß nur ſeine Ge-<lb/> danken unverbeſſerlich ſeyn. Jch an meinem Theile habe<lb/> keine ſolche vornehme Gedanken, ſondern bin allemal be-<lb/> reit meine Meinungen zu aͤndern, wenn ich uͤberfuͤhrt bin,<lb/> daß ſie ungegruͤndet ſind. Dieſes ſchaft mir die Bequem-<lb/> lichkeit niemals in Streitſchriften verwickelt zu werden.<lb/> Denn finde ich die Gedanken anderer gegruͤndeter als die<lb/> meinigen, ſo aͤndere ich ſie, finde ich aber das Gegentheil,<lb/> ſo bleibe ich bey dem, was ich einmal geſagt habe. Mir<lb/> koͤmmt dieſe Gewohnheit ſo vernuͤnftig vor, daß ich herz-<lb/> lich wuͤnſchen wollte, es moͤchten alle Gelehrten ſich der-<lb/> ſelben bedienen. Es ſcheint auch, als wenn dieſes an-<lb/> fienge zur Mode zu werden, und ich kan mich uͤber den<lb/> poͤbelhaften Gebrauch nicht genungſam verwundern, den<lb/> die Gelehrten vor dieſen hatten, welcher darinnen beſtand:<lb/> daß ſie alle diejenigen mit Schimpf- und Scheltworten<lb/> belegten, die ſich weigerten ihren Meinungen beyzupflich-<lb/> ten, und es iſt gewiß ein ſehr ſchlechtes Amt bey dem<lb/> Baue der Gelehrſamkeit den Schutt wegzu ſchaffen, da die<lb/> vornehmſte Arbeit darinne beſtehet: ihn aufzufuͤhren,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">praͤch-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0181]
in den alleraͤlteſten Zeiten.
meine Schickſal der Streitſchriften dieſes ſey, daß ſie zum
Einwickeln gebraucht werden, und dazu iſt das weiſſe Pa-
pier eben ſo geſchickt, wie das gedruckte. Jn Wahrheit
die Kramer machen taͤglich Paſquille auf die Gelehrten,
indem ſie ihre muͤhſamen Schriften einen ſo ſchlechten Ge-
brauche widmen, und die Gelehrten ſind ſo einfaͤltig, daß
ſie es nicht einmal merken, warum fangen ſie nicht
mit denen Kramern einen Jnjurienproceß an? Jch
weiß gewiß, daß er nach vielen Beweißen und Gegen-
beweißen darauf hinauslaufen wuͤrde; die Kramer ſoll-
ten nur ſolche Schriften zum Einbacken brauchen, darin-
nen weder Witz noch Verſtand waͤre, und dieſer Rechts-
ſpruch wuͤrde ſo vortheilhaft vor ſie ſeyn, daß es ihnen
niemals an Maculatur fehlen wuͤrde. Die Gelehrten
ſelbſt wuͤrden nichts darwider einzuwenden haben, denn
ein jeder Schriftſteller bildet ſich ein, daß nur ſeine Ge-
danken unverbeſſerlich ſeyn. Jch an meinem Theile habe
keine ſolche vornehme Gedanken, ſondern bin allemal be-
reit meine Meinungen zu aͤndern, wenn ich uͤberfuͤhrt bin,
daß ſie ungegruͤndet ſind. Dieſes ſchaft mir die Bequem-
lichkeit niemals in Streitſchriften verwickelt zu werden.
Denn finde ich die Gedanken anderer gegruͤndeter als die
meinigen, ſo aͤndere ich ſie, finde ich aber das Gegentheil,
ſo bleibe ich bey dem, was ich einmal geſagt habe. Mir
koͤmmt dieſe Gewohnheit ſo vernuͤnftig vor, daß ich herz-
lich wuͤnſchen wollte, es moͤchten alle Gelehrten ſich der-
ſelben bedienen. Es ſcheint auch, als wenn dieſes an-
fienge zur Mode zu werden, und ich kan mich uͤber den
poͤbelhaften Gebrauch nicht genungſam verwundern, den
die Gelehrten vor dieſen hatten, welcher darinnen beſtand:
daß ſie alle diejenigen mit Schimpf- und Scheltworten
belegten, die ſich weigerten ihren Meinungen beyzupflich-
ten, und es iſt gewiß ein ſehr ſchlechtes Amt bey dem
Baue der Gelehrſamkeit den Schutt wegzu ſchaffen, da die
vornehmſte Arbeit darinne beſtehet: ihn aufzufuͤhren,
praͤch-
L 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |