Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde Deucalion. Was aber die darauf erfolgten Begenhei-ten beteift, so gibts unter den Einwohnern von Hiero- polis eine alte bewunderungswürdige Ueberlieferung die- ses Jnhalts: Es habe sich in ihrer Gegend eine grosse Erd- spalte geösnet, und alles Gewässer in sich gezogen; wor- auf Deucalion daselbst Altäre errichtet, und über der Kluft den Tempel der Juno erbauet. Eben diese Spal- te, sagt unser Schriftsteller, habe ich gesehen: sie liegt unter dem Tempel, und ist sehr enge; ob sie vor dem weiter gewesen und mit der Zeit kleiner geworden, kan ich nicht sagen, die ich aber gesehen habe ist klein. Zum Gedächtniß dieser Begebenheit hat man folgenden Ge- brauch: Zweymal alle Jahr wird Wasser aus der See in den Tempel gebracht, nicht nur von den Priestern, son- dern von dem gesamten Syrien und Arabien, ja man- che kommen aus den Gegenden jenseit des Euphrats zur See, und alles trägt Wasser; welches sie zuerst in den Tempel ausgiessen, von da es sich nachgehends in die Oefnung ziehet, die, so eng sie auch ist, eine Menge Wasser einnimmt. Bey welcher Verrichtung sie sagen, Deucalion habe zum Andenken des Unglücks, und sei- ner Errettung aus demselben diesen gottesdienstlichen Ge- brauch in demselben angeordnet. Nicht nur Deucalions Wasserfluth in Thessalien, sondern auch Ogygis in At- tica und Promethei in Egypten, sind mit des Noä Sündfluth vor einerley gehalten worden. Diejenige, von welcher die Americaner sprechen, scheint nur ein beson- ders Volk getroffen zu haben, gleichwie die in klein Asien, deren Diodorus aus des somothracischen Ueberliefe- rung gedenkt, die gleichwol, ihren Vorgeben nach, die älteste unter allen gewesen seyn soll; verschiedener andern zu geschweigen die der Herr W. Raleigh anführet, deren einige er doch aus dem unächten Xenophon des Anni- nus genommen. Ein Araber der um den Anfang des neunten Jahrhunderts in China gereiset, meldet bey er- theilter
Geſchichte der Erde Deucalion. Was aber die darauf erfolgten Begenhei-ten beteift, ſo gibts unter den Einwohnern von Hiero- polis eine alte bewunderungswuͤrdige Ueberlieferung die- ſes Jnhalts: Es habe ſich in ihrer Gegend eine groſſe Erd- ſpalte geoͤſnet, und alles Gewaͤſſer in ſich gezogen; wor- auf Deucalion daſelbſt Altaͤre errichtet, und uͤber der Kluft den Tempel der Juno erbauet. Eben dieſe Spal- te, ſagt unſer Schriftſteller, habe ich geſehen: ſie liegt unter dem Tempel, und iſt ſehr enge; ob ſie vor dem weiter geweſen und mit der Zeit kleiner geworden, kan ich nicht ſagen, die ich aber geſehen habe iſt klein. Zum Gedaͤchtniß dieſer Begebenheit hat man folgenden Ge- brauch: Zweymal alle Jahr wird Waſſer aus der See in den Tempel gebracht, nicht nur von den Prieſtern, ſon- dern von dem geſamten Syrien und Arabien, ja man- che kommen aus den Gegenden jenſeit des Euphrats zur See, und alles traͤgt Waſſer; welches ſie zuerſt in den Tempel ausgieſſen, von da es ſich nachgehends in die Oefnung ziehet, die, ſo eng ſie auch iſt, eine Menge Waſſer einnimmt. Bey welcher Verrichtung ſie ſagen, Deucalion habe zum Andenken des Ungluͤcks, und ſei- ner Errettung aus demſelben dieſen gottesdienſtlichen Ge- brauch in demſelben angeordnet. Nicht nur Deucalions Waſſerfluth in Theſſalien, ſondern auch Ogygis in At- tica und Promethei in Egypten, ſind mit des Noaͤ Suͤndfluth vor einerley gehalten worden. Diejenige, von welcher die Americaner ſprechen, ſcheint nur ein beſon- ders Volk getroffen zu haben, gleichwie die in klein Aſien, deren Diodorus aus des ſomothraciſchen Ueberliefe- rung gedenkt, die gleichwol, ihren Vorgeben nach, die aͤlteſte unter allen geweſen ſeyn ſoll; verſchiedener andern zu geſchweigen die der Herr W. Raleigh anfuͤhret, deren einige er doch aus dem unaͤchten Xenophon des Anni- nus genommen. Ein Araber der um den Anfang des neunten Jahrhunderts in China gereiſet, meldet bey er- theilter
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Geſchichte der Erde
Deucalion. Was aber die darauf erfolgten Begenhei-
ten beteift, ſo gibts unter den Einwohnern von Hiero-
polis eine alte bewunderungswuͤrdige Ueberlieferung die-
ſes Jnhalts: Es habe ſich in ihrer Gegend eine groſſe Erd-
ſpalte geoͤſnet, und alles Gewaͤſſer in ſich gezogen; wor-
auf Deucalion daſelbſt Altaͤre errichtet, und uͤber der
Kluft den Tempel der Juno erbauet. Eben dieſe Spal-
te, ſagt unſer Schriftſteller, habe ich geſehen: ſie liegt
unter dem Tempel, und iſt ſehr enge; ob ſie vor dem
weiter geweſen und mit der Zeit kleiner geworden, kan
ich nicht ſagen, die ich aber geſehen habe iſt klein. Zum
Gedaͤchtniß dieſer Begebenheit hat man folgenden Ge-
brauch: Zweymal alle Jahr wird Waſſer aus der See in
den Tempel gebracht, nicht nur von den Prieſtern, ſon-
dern von dem geſamten Syrien und Arabien, ja man-
che kommen aus den Gegenden jenſeit des Euphrats
zur See, und alles traͤgt Waſſer; welches ſie zuerſt in
den Tempel ausgieſſen, von da es ſich nachgehends in
die Oefnung ziehet, die, ſo eng ſie auch iſt, eine Menge
Waſſer einnimmt. Bey welcher Verrichtung ſie ſagen,
Deucalion habe zum Andenken des Ungluͤcks, und ſei-
ner Errettung aus demſelben dieſen gottesdienſtlichen Ge-
brauch in demſelben angeordnet. Nicht nur Deucalions
Waſſerfluth in Theſſalien, ſondern auch Ogygis in At-
tica und Promethei in Egypten, ſind mit des Noaͤ
Suͤndfluth vor einerley gehalten worden. Diejenige, von
welcher die Americaner ſprechen, ſcheint nur ein beſon-
ders Volk getroffen zu haben, gleichwie die in klein Aſien,
deren Diodorus aus des ſomothraciſchen Ueberliefe-
rung gedenkt, die gleichwol, ihren Vorgeben nach, die
aͤlteſte unter allen geweſen ſeyn ſoll; verſchiedener andern
zu geſchweigen die der Herr W. Raleigh anfuͤhret, deren
einige er doch aus dem unaͤchten Xenophon des Anni-
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