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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Und doch könnte die Sterblichkeit überall herabgesetzt
werden, doch könnte der Hebammenberuf zu einem noch Tau-
sende von Frauen voll beschäftigenden, einem unserm ganzen
Volke Segen bringenden gestaltet werden, einem Berufe, den
auch gebildete Frauen - die als Aerztinnen doch ebenfalls
Geburtshilfe treiben - wohl erwählen. Daß das Gebiet
nur beschränkt ist, daß in schwierigeren Fällen der Arzt
hinzuzuziehen ist, braucht auch die gebildete Frau nicht, zu
stören. Jst dafür doch auch die Ausbildungszeit kürzer,
weniger kostspielig und scheut sich doch auch der Arzt nicht,
einen Spezialisten hinzuzuziehen, wo seine Kunst eben nicht reicht.
Nur müßte bei der Ausbildung Rücksicht auf gebildete Frauen
genommen, die Hebammen-Lehranstalten müssen entsprechend
umgestaltet, die Besoldungsverhältnisse müßten gebessert und
die mutigen Frauen, die diesen so lange verpönten Beruf er-
greifen, müßten auch vom Publikum mehr unterstützt wer-
den. Schwer genug bleibt trotzdem die Stellung der gebildeten
Hebamme, zwischen dem sie als Konkurrentin bekämpfenden
Arzt und der Hebamme alten Schlages. Unzähligen Frauen
aber würden, bei einer größeren Zahl tüchtiger Hebammen,
Krankheit und Siechtum erspart. Volkshygienisch wäre die
Ausgestaltung des Berufs von höchster Bedeutung. Eine An-
zahl von Frauen würden von anderen Berufen abgelenkt, zu
denen sie sich vielleicht weniger eignen, in denen sie dem Mann
unerwünschteste Konkurrenz machen.

Ein glänzend uniformiertes Heer von Vaterlandsvertei-
digern stellen wir mit unsäglichen Geldopfern. Den Frauen
aber, die diesen Vaterlandsverteidigern das Leben gaben,
bieten wir in schwerster Stunde Helferinnen, die, wie von sach-
verständiger Seite wiederholt hervorgehoben worden ist, in-
folge ihrer mangelnden Fassungskraft und gänzlichen Un-

7*

Und doch könnte die Sterblichkeit überall herabgesetzt
werden, doch könnte der Hebammenberuf zu einem noch Tau-
sende von Frauen voll beschäftigenden, einem unserm ganzen
Volke Segen bringenden gestaltet werden, einem Berufe, den
auch gebildete Frauen – die als Aerztinnen doch ebenfalls
Geburtshilfe treiben – wohl erwählen. Daß das Gebiet
nur beschränkt ist, daß in schwierigeren Fällen der Arzt
hinzuzuziehen ist, braucht auch die gebildete Frau nicht, zu
stören. Jst dafür doch auch die Ausbildungszeit kürzer,
weniger kostspielig und scheut sich doch auch der Arzt nicht,
einen Spezialisten hinzuzuziehen, wo seine Kunst eben nicht reicht.
Nur müßte bei der Ausbildung Rücksicht auf gebildete Frauen
genommen, die Hebammen-Lehranstalten müssen entsprechend
umgestaltet, die Besoldungsverhältnisse müßten gebessert und
die mutigen Frauen, die diesen so lange verpönten Beruf er-
greifen, müßten auch vom Publikum mehr unterstützt wer-
den. Schwer genug bleibt trotzdem die Stellung der gebildeten
Hebamme, zwischen dem sie als Konkurrentin bekämpfenden
Arzt und der Hebamme alten Schlages. Unzähligen Frauen
aber würden, bei einer größeren Zahl tüchtiger Hebammen,
Krankheit und Siechtum erspart. Volkshygienisch wäre die
Ausgestaltung des Berufs von höchster Bedeutung. Eine An-
zahl von Frauen würden von anderen Berufen abgelenkt, zu
denen sie sich vielleicht weniger eignen, in denen sie dem Mann
unerwünschteste Konkurrenz machen.

Ein glänzend uniformiertes Heer von Vaterlandsvertei-
digern stellen wir mit unsäglichen Geldopfern. Den Frauen
aber, die diesen Vaterlandsverteidigern das Leben gaben,
bieten wir in schwerster Stunde Helferinnen, die, wie von sach-
verständiger Seite wiederholt hervorgehoben worden ist, in-
folge ihrer mangelnden Fassungskraft und gänzlichen Un-

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[99/0109] Und doch könnte die Sterblichkeit überall herabgesetzt werden, doch könnte der Hebammenberuf zu einem noch Tau- sende von Frauen voll beschäftigenden, einem unserm ganzen Volke Segen bringenden gestaltet werden, einem Berufe, den auch gebildete Frauen – die als Aerztinnen doch ebenfalls Geburtshilfe treiben – wohl erwählen. Daß das Gebiet nur beschränkt ist, daß in schwierigeren Fällen der Arzt hinzuzuziehen ist, braucht auch die gebildete Frau nicht, zu stören. Jst dafür doch auch die Ausbildungszeit kürzer, weniger kostspielig und scheut sich doch auch der Arzt nicht, einen Spezialisten hinzuzuziehen, wo seine Kunst eben nicht reicht. Nur müßte bei der Ausbildung Rücksicht auf gebildete Frauen genommen, die Hebammen-Lehranstalten müssen entsprechend umgestaltet, die Besoldungsverhältnisse müßten gebessert und die mutigen Frauen, die diesen so lange verpönten Beruf er- greifen, müßten auch vom Publikum mehr unterstützt wer- den. Schwer genug bleibt trotzdem die Stellung der gebildeten Hebamme, zwischen dem sie als Konkurrentin bekämpfenden Arzt und der Hebamme alten Schlages. Unzähligen Frauen aber würden, bei einer größeren Zahl tüchtiger Hebammen, Krankheit und Siechtum erspart. Volkshygienisch wäre die Ausgestaltung des Berufs von höchster Bedeutung. Eine An- zahl von Frauen würden von anderen Berufen abgelenkt, zu denen sie sich vielleicht weniger eignen, in denen sie dem Mann unerwünschteste Konkurrenz machen. Ein glänzend uniformiertes Heer von Vaterlandsvertei- digern stellen wir mit unsäglichen Geldopfern. Den Frauen aber, die diesen Vaterlandsverteidigern das Leben gaben, bieten wir in schwerster Stunde Helferinnen, die, wie von sach- verständiger Seite wiederholt hervorgehoben worden ist, in- folge ihrer mangelnden Fassungskraft und gänzlichen Un- 7*

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/109>, abgerufen am 23.11.2024.