Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.manchen Dingen wunderlich eingerichtet, es gehört schon viel Um es möglichst deutlich zu sagen: die zwanzig Millionen manchen Dingen wunderlich eingerichtet, es gehört schon viel Um es möglichst deutlich zu sagen: die zwanzig Millionen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0186" n="176"/> manchen Dingen wunderlich eingerichtet, es gehört schon viel<lb/> Geduld und Geschichtskenntnis dazu, diese Wunderlichkeiten<lb/> auch nur zu verstehen. Eine solche Wunderlichkeit ist es, daß<lb/> wir für allerlei Dinge die genauesten Vorschriften und Regeln<lb/> haben, daß man aber einen so gewaltigen Vorgang wie die<lb/> Verteilung der neuen Millionen von Menschen auf dem alten<lb/> Raume sich ganz ohne ordnende Ueberlegung vollziehen läßt.<lb/> Wir haben Bodenrechte, die in keiner Weise daran denken,<lb/> den Boden als die Lebensgrundlage einer sich verdoppelnden<lb/> Masse anzusehen, Bodenrechte für eine sich gleich bleibende<lb/> Bevölkerung. Das nämlich war nicht der ursprüngliche Sinn<lb/> der Eigentumsrechte am Boden, einen immer größer werden-<lb/> den Teil der Menschen zu Schuldnern derer zu machen, die<lb/> Land besitzen. Der alte Sinn des Bodenrechts ist der, dem<lb/> Ackersmann den Ertrag seiner eigenen Mühe zu sichern. Dieser<lb/> alte Sinn des Rechtes wirkt natürlich auch heute noch fort,<lb/> aber neben ihn hat sich ein zweiter Sinn geschoben: die neu-<lb/> geborenen Kinder sollen dafür arbeiten müssen, daß sie land-<lb/> arm geboren werden, der Bevölkerungszuwachs soll denen<lb/> zinspflichtig sein, die das Erbe der alten Bodenbesitzer in der<lb/> Hand haben! Ein Recht, das an sich nur ein Arbeitsrecht<lb/> war, wird zum Herrschaftsrecht.</p><lb/> <p>Um es möglichst deutlich zu sagen: die zwanzig Millionen<lb/> Menschen, um die sich bis zum Jahre 1925 unser Volk ver-<lb/> mehren wird, werden fast alle zur Miete wohnen müssen.<lb/> Zur Miete wohnen bedeutet aber für die Menge der Bevöl-<lb/> kerung, die in Zukunft noch mehr als bisher vom Lohne<lb/> leben wird, daß in jedem Monat eine ganze Anzahl Tage<lb/> hindurch nur für das nackte Recht der Bodenbenutzung gear-<lb/> beitet werden muß, denn in jeder Miete steckt neben der<lb/> Amortisation der Bau- und Herstellungskosten und neben dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [176/0186]
manchen Dingen wunderlich eingerichtet, es gehört schon viel
Geduld und Geschichtskenntnis dazu, diese Wunderlichkeiten
auch nur zu verstehen. Eine solche Wunderlichkeit ist es, daß
wir für allerlei Dinge die genauesten Vorschriften und Regeln
haben, daß man aber einen so gewaltigen Vorgang wie die
Verteilung der neuen Millionen von Menschen auf dem alten
Raume sich ganz ohne ordnende Ueberlegung vollziehen läßt.
Wir haben Bodenrechte, die in keiner Weise daran denken,
den Boden als die Lebensgrundlage einer sich verdoppelnden
Masse anzusehen, Bodenrechte für eine sich gleich bleibende
Bevölkerung. Das nämlich war nicht der ursprüngliche Sinn
der Eigentumsrechte am Boden, einen immer größer werden-
den Teil der Menschen zu Schuldnern derer zu machen, die
Land besitzen. Der alte Sinn des Bodenrechts ist der, dem
Ackersmann den Ertrag seiner eigenen Mühe zu sichern. Dieser
alte Sinn des Rechtes wirkt natürlich auch heute noch fort,
aber neben ihn hat sich ein zweiter Sinn geschoben: die neu-
geborenen Kinder sollen dafür arbeiten müssen, daß sie land-
arm geboren werden, der Bevölkerungszuwachs soll denen
zinspflichtig sein, die das Erbe der alten Bodenbesitzer in der
Hand haben! Ein Recht, das an sich nur ein Arbeitsrecht
war, wird zum Herrschaftsrecht.
Um es möglichst deutlich zu sagen: die zwanzig Millionen
Menschen, um die sich bis zum Jahre 1925 unser Volk ver-
mehren wird, werden fast alle zur Miete wohnen müssen.
Zur Miete wohnen bedeutet aber für die Menge der Bevöl-
kerung, die in Zukunft noch mehr als bisher vom Lohne
leben wird, daß in jedem Monat eine ganze Anzahl Tage
hindurch nur für das nackte Recht der Bodenbenutzung gear-
beitet werden muß, denn in jeder Miete steckt neben der
Amortisation der Bau- und Herstellungskosten und neben dem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-11-13T13:59:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat.
(2015-08-06T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |